Franz Merli: "Verständnis fördern und Ausgleich schaffen"
| 10. November 2016Durch Zufall in die Juristerei "gerutscht", aufgrund von Neugierde und Leidenschaft geblieben: Für Rechtswissenschafter Franz Merli ist das Ausprobieren von Neuem ein wichtiger Motor. Seit Herbst vergangenen Jahres ist er Professor für Staats- und Verwaltungsrecht an der Universität Wien.
Dass Franz Merli Jurist wurde, war, wie so vieles im Leben, eher dem Zufall als einer bewussten Karriereplanung geschuldet. Denn ursprünglich studierte der gebürtige Grazer Slawistik und begann das Studium der Rechtswissenschaften parallel – "um auf Nummer sicher zu gehen".
"Nach Abschluss des Studiums war ich ein Jahr in Russland. Als ich wieder nach Österreich kam, gab es einen Assistentenjob an der Universität Graz, auf den ich mich bewarb. So bin ich quasi in die Juristerei hineingerutscht", beschreibt der 58-jährige schmunzelnd seinen Werdegang, der dazu führte, dass er im Oktober 2015 die Professur für Staats- und Verwaltungsrecht an der Universität Wien antrat.
Neugierde und Abenteuerlust
Die Neugierde auf Neues und die Fähigkeit, ihr auch nachzugehen, zeichnet sich deutlich in Franz Merlis Vita ab. So wechselte er nach seiner Habilitation im Jahr 1994 von Graz an die Universität Heidelberg, wo er als C3-Professor für Öffentliches Recht tätig war. 1998 ging es für acht Jahre als Jean Monnet- und C4-Professor an die Juristische Fakultät der Technischen Universität Dresden.
Mit den Orts- waren stets auch fachliche Schwerpunktwechsel verbunden. "Als Jurist hat man natürlich in Deutschland einen anderen Gegenstand als in Österreich. In Heidelberg habe ich vor allem deutsches Recht gemacht, in Dresden Europarecht. Durch diese Erfahrungen mit verschiedenen Rechtsordnungen habe ich ein größeres Bewusstsein für Unterschiede und mögliche Alternativen entwickelt", so Franz Merli.
Schwerpunkt: Öffentliches Recht
Die Lust auf neue Herausforderungen war es u.a. auch, die den Juristen schließlich von der Universität Graz 2015 an die Universität Wien führte. "Natürlich habe ich überlegt, ob ich in meinem Alter noch einmal wechseln soll. Aber die Lust auf Neues war stärker. Zudem gibt es hier am Institut viele KollegInnen, mit denen ich hervorragend zusammenarbeite – und nicht zuletzt gefällt mir die Stadt und ich habe viele gute Freunde hier", erklärt der Professor, der Wien von seinem hier absolvierten Zivildienst kennt.
An der Rechtswissenschaftlichen Fakultät beschäftigt er sich vor allem mit dem österreichischen und europäischen Verfassungs- und Verwaltungsrecht, die zum Bereich des Öffentlichen Rechts gehören. Während die Verfassung die rechtlichen Grundlagen des Staates regelt, geht es im Verwaltungsrecht um die Beziehungen zwischen öffentlicher Verwaltung und den BürgerInnen. So forscht Franz Merli u.a. zu den verschiedenen Rechtsmaterien innerhalb des Verwaltungsrechts, zur Verwaltungsgerichtsbarkeit und zum Grundrecht auf Eigentum.
Geteilte Macht
"Meine Schwerpunkte wechseln. Ein durchgängiger roter Faden liegt aber z.B. auf der Frage, wie sich rechtsstaatliche und demokratische Standards aufrechterhalten lassen in einer Lage, in der sich das Recht immer stärker fragmentiert und immer mehr Ebenen mitreden", erklärt der Wissenschafter.
Ein Beispiel: Der Staat muss bei der Schaffung und Durchsetzung von Recht seine Macht zunehmend mit internationalen Organisationen und privaten Verbänden teilen. "Seien es nun Banken, die kontrollieren, ob Personen Geldwäsche betreiben, Sicherheitsunternehmen an Flughäfen oder IngenieurInnen, die Produkteigenschaften überprüfen. In einem aktuellen Forschungsprojekt gehen wir u.a. den Fragen nach, welches Recht gilt, wenn Private in einem verwaltungsrechtlichen Kontext agieren und wie die Rechtmäßigkeit der Handlungen sichergestellt werden kann", erläutert Merli.
Ein internationaler Blick
Der Blick auf die Anschlussfähigkeit nationaler Diskussionen an internationale Debatten ist Franz Merli, der als Gastprofessor bereits u.a. mehrfach in den USA lehrte, besonders wichtig. Denn der Jurist ist überzeugt, dass es eine Form der europäischen Zusammenarbeit dringend braucht: "Ob diese nun en détail so aussehen muss, wie sie aktuell ausschaut, darüber kann man streiten. Aber dass wir nicht mehr in eine Situation zurückkommen dürfen, wo alle Staaten alleine und jeder gegen jeden agieren kann, das liegt für mich auf der Hand."
Zwar habe sich die EU mitunter ungeschickt verhalten und sei lange Zeit auf "ihrem selbstverständlichen Daseinszweck dahingeritten", aber Merli ist überzeugt: "Die Menschen müssen wieder den Wert von dem erkennen, was wir dadurch haben: keinen Krieg, Stärke gegen Dritte und mehr Entfaltungsmöglichkeiten für die Bürgerinnen und Bürger."
Verständnis fördern
Das Vermitteln des "Warums" liegt Franz Merli auch in der Lehre am Herzen: "Im Recht haben wir immer das Problem, dass wir mit Fakten zugeschüttet werden. Die Frage nach den Gründen und den Funktionen von Regelungen geht oftmals unter. Mir ist es wichtig, genau das den Studierenden zu vermitteln, denn so wird das Verständnis gefördert."
Ausgleich schaffen
Einen Ausgleich zum Job schafft der Jurist privat durch Lesen und Radfahren. "Ich wohne in der Oststeiermark, da gibt es viele kleine Straßen, wenig Verkehr und etliche Hügel", erläutert Franz Merli und antwortet auf die Frage, ob er als Jurist auch in seiner Freizeit z.B. in einer Streitsituation mit Paragraphen um sich wirft, lachend: "Ich glaube, alle JuristInnen, die länger im Geschäft sind, verhalten sich eher gegenteilig. Es ist doch meist vernünftiger, einen Ausgleich zu finden, als immer Recht haben zu wollen." (mw)
Die Antrittsvorlesung von Univ.-Prof. Dr. Franz Merli, Institut für Staats- und Verwaltungsrecht, zum Thema "Was ist juristische Forschung und was wird aus ihr?" findet – gemeinsam mit der Antrittsvorlesung von Univ.-Prof. Mag. Dr. Christian Koller (LINK) und Univ.-Prof. Mag. Dr. Thomas Theodor Jaeger, LL.M. (LINK) – am Mittwoch, 23. November 2016, um 18 Uhr im Großen Festsaal der Universität Wien statt.
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