Barbara Duden: "Stets auf Tuchfühlung gehen"
| 02. Januar 2014Mit analytischer Genauigkeit erforscht Barbara Duden die Geschichte von Frauen zwischen Lohn und Liebe, Haus- und Erwerbsarbeit. Seit Oktober 2013 hat die Historikerin die Käthe-Leichter-Gastprofessur am Institut für Geschichte, dem Institut für Zeitgeschichte sowie dem der Sozial- und Wirtschaftsgeschichte der Universität Wien inne.
Ihre wissenschaftliche Karriere begann mit einem konventionellen Geschichtsstudium an der Freien Universität in Berlin. Die schon damals kritische Barbara Duden störte sich daran, dass die Geschichte der Frauen weitestgehend unkommentiert blieb und als Lehrende begab sie sich auf die Suche nach den verschütteten Traditionen ihrer Vorreiterinnen. Lisbeth Franzen-Hellersberg, Rosa Kempf oder eben Käthe Leichter sind nur drei Beispiele für Frauen, die "keinen rechten Ort in der Wissenschaft hatten", so Duden. Sie möchte ihnen diesen nachträglich einräumen, indem sie ihre Schriften vor dem Vergessen rettet.
Steiniger Beginn in einer Männerdomäne
"Man kann sich das heutzutage gar nicht mehr vorstellen", mit diesen Worten denkt Duden an die Nachkriegsuniversität, die Vorurteile der männlichen Professoren und den Beginn ihres Studiums Mitte der 1960er Jahre zurück. Ihr eigener Karriereweg war dementsprechend mit Stolpersteinen versehen, doch sie bezeichnet sich selbst als "Kriegsgewinnerin". Als junge Wissenschaftlerin begann sie, die Geschichte der Körperwahrnehmung zu erforschen und sorgte mit diesem Pionierprojekt dafür, dass der Körper zum Gegenstand geschichtswissenschaftlicher Auseinandersetzung avancierte. Sie schaute sich Patientinnengeschichten des frühen 18. Jahrhunderts an und versuchte, durch Lesen und Wiederlesen der schriftlichen Protokolle des Arztes eine "Geschichte unter der Haut" zu rekonstruieren.
Einmal Aktivistin, immer Aktivistin
Mit ihrem Interesse an der Geschlechterforschung war die damals in Berlin studierende Barbara Duden nicht allein. In der Hauptstadt formierten sich in den frühen 1970er Jahren Frauengruppen, die für ihre Rechte kämpften und auf die Straße gingen. Duden arbeitete als Journalistin beim Westdeutschen Rundfunk und gründete die Frauenzeitschrift "Courage". Schwangerschaftsabbruch, Selbstbestimmungsförderung und der eigene Körper waren Themen, die die junge Aktivistin beschäftigten. Ihren Kampfgeist hat sie bis heute nicht verloren: "Wir müssen zeitgeschichtlich verstehen, wo wir uns befinden, um etwas zu verändern!"
Von der Gegenwart zur Vergangenheit und zurück
Heute konzentriert sich Duden auf die historische Entwicklung von Frauen im Haushalt bis hin zur Erwerbstätigkeit. Im Rahmen einer ihrer Lehrveranstaltungen an der Universität Wien versucht sie, den Studierenden ausgehend von der Gegenwartsanalyse von Frauen und Ökonomie historische Zusammenhänge deutlich zu machen. Laut Duden könnten die einzelnen Entwicklungsstränge nicht voneinander abgegrenzt werden, sondern man müsse sich vor allem die Geschichte der Zwischenräume formeller und informeller Tätigkeiten anschauen, um das Phänomen im Ganzen verstehen zu können.
"Auch 40 Jahre nach der Frauenbewegung sind sieben von zehn Frauen im Niedriglohnsektor beschäftigt. Frauen üben Tätigkeiten aus, die zuvor im Haushalt erledigt wurden, nun aber niedriglöhnig organisiert sind", konstatiert die kritische Analytikerin.
"Wir müssen zeitgeschichtlich verstehen, wo wir uns befinden, um etwas zu verändern!" Historikerin Barbara Duden betreibt Geschlechterforschung mit dem nötigen Quäntchen Aktivismus. Ihr Motto: "Stets in Tuchfühlung bleiben". Seit Oktober 2013 hat sie die Käthe-Leichter-Gastprofessur am Institut für Geschichte der Universität Wien inne. |
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Ein Heimkehren nach Wien
Die engagierte Forscherin bemühte sich stets um eine europäische Perspektive, arbeitete mit italienischen und US-amerikanischen KollegInnen zusammen, lehrte in Frankreich und nun seit Oktober 2013 an der Universität Wien. Die Käthe-Leichter-Gastprofessur in Österreich fühlt sich für die Historikerin jedoch mehr wie "ein Heimkehren" an: Sie absolvierte bereits ihr erstes Semester an der Universität Wien. Für sie ist die von Edith Saurer gegründete "Sammlung Frauennachlässe" einzigartig im deutschsprachigen Raum. Sie bewundert, dass die Universität Wien BürgerInnen ermuntere, ihre Selbstzeugnisse und schriftlichen Nachlässe oder Bildmaterial von Frauen und über Frauen der Frauen- und Geschlechtergeschichte zugänglich zu machen. Darüber hinaus suchte das Institut für Geschichte der Universität Wien schon früh den Dialog mit den ehemals sozialistischen Ländern, was enorme Fortschritte in der europäischen Frauengeschichte erzielt hätte. "Da wollte ich immer zurück!", sagt die sympathische Professorin mit einem Lächeln.
Noch lange nicht müde
Auch nach einer langen akademischen Karriere sehnt sich Barbara Duden nicht nach dem Ruhestand. "Das i.R. scheint mir noch nicht passend", schmunzelt sie und deutet auf einen Bücherstapel vor ihr. Mit wissenschaftlicher Neugier und Tatendrang lernt und lehrt sie täglich dazu. Duden engagiert sich übrigens auch außerhalb der Universität, so hält sie regelmäßig Seminare in der Hebammenschulung ab. "Gerade die Hebammen arbeiten zwischen Theorie und Praxis und verfügen über ein langjähriges Wissen, das in der heutigen Fortschrittsmedizin nicht mehr recht Platz findet."
Ihren jungen KollegInnen und Studierenden will die Wissenschaftlerin vor allem einen guten Rat mitgeben: "Sich zu überlegen, was man selber machen möchte. Wenn dies geklärt ist, muss das Ziel mit Beharrlichkeit verfolgt werden." So hat es die heute glücklich strahlende Barbara Duden gemacht. (il)
Prof. Dr. Barbara Duden hält am Donnerstag, 9. Jänner 2014, 18 Uhr in der Aula am Campus der Universität Wien ihre Käthe-Leichter-Vorlesung zum Thema "Zur Notwendigkeit der Distanznahme in der Frauengeschichte heute".
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