Andreas Heil: "Rom war integrativ und aufgeschlossen"

In Texten, die Andreas Heil seinen Studierenden zum Übersetzen aufgibt, kann es durchaus vorkommen, dass Cäsar mit Cicero Fußball spielt. Heil selbst, neuer Professor für Klassische Philologie an der Universität Wien, zählt Vergil, Seneca und Ovid zu seinen Lieblingsautoren.

Sein Rom begeisterter Vater, der jede Ecke in der ewigen Stadt kennt, hat Andreas Heil stark geprägt. Wenig verwunderlich also, dass sich der gebürtige Deutsche auch in der Schule mehr für Latein als für andere Sprachen interessierte. Einer seiner Lieblingsautoren war schon damals Vergil, der ihn bis heute begleitet. 1990 begann er sein Studium der klassischen Philologie, in dem er 2002 an der Universität Heidelberg bei dem bekannten Philologen Michael von Albrecht promovierte.

"Von Albrecht gehört zu der kleinen Gemeinschaft von Personen, die heute noch fließend Latein sprechen können. Das ist schon bewundernswert, dafür ist viel Training notwendig", sagt Heil, der selbst zwar auch Latein spricht, allerdings nicht fließend. Ihn interessierten schon immer mehr die Texte. So verfasste er vor einigen Jahren ein lateinisches Gedicht in Hexametern, dem typisch epischen Versmaß, und veröffentlichte es in einer Fachzeitschrift.

Die klassische Frage …

Natürlich hört auch Andreas Heil öfters die Frage, warum er sich denn mit einer "toten Sprache" beschäftige. Ausschlaggebend war und ist – wie auch oftmals bei KollegInnen, die sich mit modernen Sprachen beschäftigen – die Begeisterung an der zugrundeliegenden Kultur. Ihn fasziniert neben den sonstigen beeindruckenden Leistungen der Römer besonders ihre Offenheit anderen Kulturen gegenüber.

"Oft wurde den Römern vorgeworfen, weniger originell als die Griechen gewesen zu sein und von ihnen kopiert zu haben. Doch gerade das finde ich interessant: Wie es die Römer geschafft haben, andere Kulturen zu rezipieren, zu assimilieren und in die eigene Kultur einzubauen. Sie waren sehr integrativ und aufgeschlossen. Anders wäre ihr Erfolg auch nicht möglich gewesen."

Römische Tragödien

Einer der Forschungsschwerpunkte des Philologen ist die römische Tragödie und der römische Philosoph, Naturforscher und Dramatiker Seneca. Von ihm stammen die einzig vollständig erhaltenen antiken Tragödien in lateinischer Sprache. "Bis heute ist es in der Forschung umstritten, ob Senecas Tragödien nur zur Rezitation bestimmt waren oder auch zur Bühnenaufführung", erklärt Heil, der selbst aufgrund seiner intensiven Beschäftigung mit den Texten überzeugt ist, dass die Tragödien durchaus als Bühnenstücke verfasst wurden.

Lucius Annaeus Seneca, kurz Seneca, wurde ungefähr im Jahr 1 n. Chr. in Corduba geboren. Er war ein römischer Philosoph, Dramatiker, Naturforscher und einer der meistgelesenen Schriftsteller seiner Zeit. Von ihm stammen die einzig vollständig erhaltenen römischen Tragödien. Seneca war auch politisch sehr aktiv und ab 49 n. Chr. Erzieher bzw. Berater von Kaiser Nero, der ihn später der Verschwörung verdächtigte und 65 n. Chr. Senecas Selbsttötung verlangte. (© Calidius/Wikipedia, CC BY-SA 3.0)

Dazu führt der Wissenschafter mehrere Indizien an: "Erstens knüpft Seneca eindeutig an die griechisch-römische Tradition des Bühnendramas an – und diese Stücke waren dezidiert zur Aufführung bestimmt. Zweitens gewinnen die Texte durch den Akt der Aufführung, sie verlangen meiner Meinung geradezu danach."

Vom Text zur Aufführung

Natürlich gibt es in Senecas Tragödien Passagen, die genauso gut rezitiert werden können. Dazu gehört der sogenannte Botenbericht, bei dem ein Schauspieler als Erzähler fungiert und über Ereignisse hinter der Bühne berichtet, wie etwa einen Mord. "Es finden sich aber auch viele implizite Inszenierungsanweisungen in den Texten, und bisweilen kommen entscheidende Informationen für ZuhörerInnen bzw. LeserInnen zu spät. Das ist ein weiteres Indiz dafür, dass die Stücke für die Aufführung bestimmt waren. Auf jeden Fall geht Entscheidendes verloren, wenn auf die sorgfältige Rekonstruktion der begleitenden Bühnenhandlung verzichtet wird", so der Philologe.

Für "Arts & Science" im Rahmen von "20 Jahre Uni Wien Campus" bereitet Andreas Heil gemeinsam mit seinen Studierenden eine Teilaufführung von Senecas Tragödie "Die Trojanerinnen" vor. Der Text für die Bühnenfassung wurde dazu von den Studierenden neu übersetzt und interpretiert. Die Vorstellung findet am Donnerstag, 13. September, um 18 Uhr, am Campus der Universität Wien statt. Nähere Informationen

Epische Dichtung

In einem weiteren Forschungsschwerpunkt beschäftigt sich Heil mit dem römischen Dichter und Epiker Vergil, der als wichtigster Autor der klassischen römischen Antike gilt. Besonders interessiert ihn, wie dieser – und auch andere römische Dichter – von Dante Alighieri rezipiert wurden. Bis heute ist Dante der bekannteste Dichter der italienischen Literatur und des europäischen Mittelalters. Seine berühmte "Göttliche Komödie" schrieb er in italienischer Sprache. Durch ihn wurde das bis dahin dominierende Latein überwunden und Italienisch zur Literatursprache.

"Dante war Christ und gleichzeitig fasziniert von den 'heidnischen' Autoren Vergil und Ovid. Um diesen Zwiespalt aufzulösen, trennte er die Autoren von ihren textlichen Inhalten", erklärt Andreas Heil: "Auf diese Weise rechtfertigte er, dass sich auch ChristInnen mit den Texten befassen und durch diese sogar auf den 'rechten Weg' kommen können. So wurde der Text gerettet, nicht aber die römischen Autoren, die Dante beide in der Hölle verortete."

Bezüge zur Gegenwart


In der Lehre ist es dem Klassischen Philologen wichtig, seine Studierenden dort abzuholen, wo sie gerade sind. "Ich baue immer wieder Gegenwartsbezüge ein. So habe ich kürzlich beispielsweise einen zu übersetzenden Text zum Thema Fußball verfasst, in dem Cicero, Cäsar und Pompeius miteinander spielen. Cäsar hätte natürlich am liebsten alle Rollen selbst übernommen – Spieler, Torwart und Schiedsrichter", schmunzelt Heil.

Zu den bevorzugten Reisezielen des Jungprofessors gehören nach wie vor Rom wie auch der gesamte Mittelmeerraum: "Dabei muss ich aber nicht ständig etwas besichtigen. Ich kann auch sehr gut am Meer entspannen." (td)

Andreas Heil ist seit September 2017 Professor für Klassische Philologie (Latinistik) am Institut für Klassische Philologie, Mittel- und Neulatein der Universität Wien. Am Mittwoch, 16. Mai 2018, hält er um 17 Uhr im Kleinen Festsaal der Universität Wien seine Antrittsvorlesung zum Thema "Ovid und Dante". Einladung zur Antrittsvorlesung (PDF)