Wiener Schule der Kognitionsforschung
| 16. Mai 2011Im März 2011 fiel der Startschuss für das neue FWF-Doktoratskolleg "Cognition and Communication (COGCOM)". Mit einem integrativen kognitionsbiologischen Ansatz will der Sprecher Thomas Bugnyar die Kognitionsforschung mit einem "Wiener Mascherl" versehen und dadurch den Forschungsstandort im internationalen Spitzenbereich platzieren. Das Herzstück des Doktoratsprogramms bildet eine "Lecture Series", die interessierten Studierenden und WissenschafterInnen die Möglichkeit bietet, mit internationalen Koryphäen auf dem Gebiet der Kognitionsforschung zu diskutieren und Kontakte zu knüpfen.
Bereits die ersten Verhaltensbiologen Konrad Lorenz und Nikolaas Tinbergen haben sich – anhand verschiedener tierischer Modellsysteme wie etwa Graugänsen – mit Mechanismen der Kognition beschäftigt. Doch in den letzten 30 bis 40 Jahren wurde die Kognitionsforschung zu einer Domäne der Psychologie – die Verhaltensbiologie hingegen vernachlässigte die Frage, wie bestimmte Tiere verschiedene Informationen verarbeiten und entsprechend reagieren. "Wir greifen diese alte 'Wie-Frage' wieder auf und übernehmen dazu die Konzepte und Methoden der PsychologInnen, die wir um eine 'evolutionäre Komponente' erweitern", so der Sprecher des neuen Doktoratskollegs (DK), Thomas Bugnyar vom Department für Kognitionsbiologie, der diesen Ansatz zu einer "Wiener Schule der Kognitionsforschung" ausbauen will.
137 JungwissenschafterInnen aus über 20 Ländern der Welt haben sich für das DK beworben; fünf davon können sich nun für mindestens drei Jahre auf hohem Niveau ausbilden lassen und ihre Dissertationen schreiben. Zehn weitere NachwuchswissenschafterInnen werden über eine Teilfinanzierung in das Programm integriert.
Verhalten – Kognition – Evolution
"Um möglichst vielversprechende Synergien zu wecken und eine gute Zusammenarbeit zu gewährleisten – die KollegiatInnen werden mehrfach betreut –, war es uns wichtig, dass wir inhaltlich gut zueinander passen und eine kohärente Einheit bilden", betont der DK-Sprecher. "Wir" – damit ist die hochkarätig besetzte Faculty gemeint, die insgesamt fünf Mitglieder zählt: Neben Thomas Bugnyar, der für die Verbindung zwischen Verhaltens- und Kognitionsbiologie zuständig ist und sich mit höheren kognitiven Vorgängen bei Raben beschäftigt, gehören dazu Ludwig Huber, Leiter des Departments für Kognitionsbiologie, der vergleichend mit unterschiedlichen Modellsystemen arbeitet, und Tecumseh Fitch – ebenfalls vom Department für Kognitionsbiologie – als Kommunikationsexperte. Walter Hödl vom Department für Evolutionsbiologie forscht zu Kommunikation und Bioakustik – seinerseits bei Fröschen –, und Kurt Kotrschal vom Department für Verhaltensbiologie untersucht das Sozialverhalten von Tieren.
Kick-Off-Event
Die Lecture Series als wesentlicher Bestandteil des strukturierten Doktoratsprogramms beginnt mit einem Kick-Off-Seminar am Freitag, 20. und Samstag, 21. Mai 2011. Den Gastvortrag hält Irene Pepperberg – eine US-amerikanische Wissenschafterin, die durch ihre Studien mit dem sprechenden Graupapagei Alex internationale Bekanntheit erlangte: "Sie hat nachgewiesen, wie weit die kognitiven Fähigkeiten von sprechenden Vögeln reichen können, wenn diese richtig trainiert werden", so Bugnyar.
Dass derart renommierte ForscherInnen der Einladung zur Lecture Series folgen, wirkt nicht nur für interessierte Studierende, sondern auch für weitere potenzielle Vortragende anziehend und verschafft Wien als Forschungszentrum internationale Bekanntheit. Dieser "Schneeballeffekt" soll überdies durch die Teilnahme von WissenschafterInnen aus unterschiedlichen Disziplinen, wie Linguistik, Philosophie, Psychologie oder Medizin, weiter verstärkt werden.
Tierische Vielfalt
Inhaltlich arbeiten die DK-TeilnehmerInnen zu thematisch ähnlichen Aspekten – aber bei unterschiedlichen Tiergruppen. Dabei wird der integrative Ansatz großgeschrieben: "Wir wollen nicht nur im visuellen Bereich Kategorisierungen vornehmen, sondern auch im akustischen – und zwar anhand verschiedener Modellsysteme", betont der Initiator des DK. Die tierische Vielfalt reicht von Raben, Keas, Tauben und Graugänsen über Wölfe, Schildkröten und Frösche. "Eine bestimmte Froschart winkt ihren Artgenossen sogar mit dem Fuß zu", nennt der Kognitionsforscher ein besonders interessantes Beispiel tierischer Kommunikation.
Am Ende der strukturierten Ausbildung sollen die DK-TeilnehmerInnen den kognitionsbiologischen Ansatz "verinnerlicht" haben sowie unterschiedliche Methoden – angefangen vom reinen Beobachten bis hin zu komplexen experimentellen Setups – beherrschen. Sprecher Thomas Bugnyar ortet im neuen Programm viel Potenzial: "Wenn wir die vorhandenen Synergien optimal nutzen und dann dadurch dieser 'gewisse Geist' entsteht, der für die nächste Generation von DoktorandInnen anziehend wirkt – dann hat sich meine Vision von der 'Wiener Schule der Kognitionsforschung' erfüllt."
Kick-Off-Seminar im Rahmen des DK "Cognition and Communication"
Freitag, 20. bis Samstag, 21. Mai 2011 von 9 bis 17 Uhr
Geozentrum der Universität Wien (UZA II)
Althanstrasse 14, 1090 Wien
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