Wiederbesiedlung des Darms bei Entzündungen

Ein Team um die GastroenterologInnen Sieglinde Angelberger und Walter Reinisch (Medizinische Universität Wien) sowie die Mikrobiologen David Berry und Alexander Loy (Universität Wien) erforschte die mikrobielle Wiederbesiedlung des Darms von PatientInnen mit chronischen Darmschleimhautentzündungen.

In Europa leiden rund zwei Millionen Menschen an chronisch entzündlichen Darmerkrankungen. Durch die fortschreitende Gewebszerstörung sind oft operative Entfernungen von Darmabschnitten notwendig. Morbus Crohn und Colitis ulcerosa sind die häufigsten Ausprägungen dieser Erkrankungen, deren genauen Ursachen noch weitgehend ungeklärt sind. Neben genetischen Faktoren und Umwelteinflüssen, wie dem Lebensstil, wird für das Auslösen der Erkrankungen auch eine gestörte Darm-Mikrobiota verantwortlich gemacht. Eine vollständige Heilung ist nicht möglich. "Wenn die gängigen medikamentösen Therapien versagen, ist die Entfernung von Teilen des entzündeten Darms derzeit das letzte Mittel der Wahl",  erklärt Walter Reinisch, Gastroenterologe an der Universitätsklinik für Innere Medizin III der MedUni Wien und Initiator der Studie.

Fäkaltransplatation als Alternativtherapie

Der Gedanke an die Übertragung von Fäkalien in den eigenen Körper verursacht natürlicherweise einen gewissen Ekel. Bei vielen infektiösen und chronischen Durchfallerkrankungen ist die Darm-Mikrobiota massiv verändert. Das Ziel der Fäkaltransplantation ist daher die Wiederherstellung der natürlichen Darm-Mikrobiota und damit eine Verbesserung des Krankheitszustands. "Metastudien haben gezeigt, dass die kontrollierte Transplantation der Fäkalmikrobiota von gesunden SpenderInnen eine sichere und sehr effiziente Behandlung von Durchfallerkrankungen ist, deren Erreger der Clostridium difficile-Keim ist", berichtet Sieglinde Angelberger, Gastroenterologin an der Universitätsklinik für Innere Medizin III der MedUni Wien und Erstautorin der Studie: "Dies war der Grund, warum wir diese Therapie auch zur Behandlung von PatientInnen mit chronischen Darmerkrankungen in Betracht gezogen haben".

Besiedelung durch Spender-Darmbakterien

"Bislang ist noch nie wissenschaftlich überprüft worden, ob und wie eine erfolgreiche Fäkaltransplantation zur dauerhaften Besiedelung der/s Patientin/en durch die Darmbakterien der/s gesunden Spenderin/s führt", so Alexander Loy vom Department für Mikrobielle Ökologie der Universität Wien: "Wir haben daher die Zusammensetzung der Darm-Mikrobiota der PatientInnen mittels moderner DNA-Sequenzierungsmethoden erstmals über einen Zeitraum von bis zu drei Monaten nach der Behandlung verfolgt."

Das Darmökosystem jeder/s einzelnen Patientin/en reagierte sehr unterschiedlich auf die Fäkaltransplantation. Darmbakterien der SpenderInnen konnten in den PatientInnen nachgewiesen werden, aber zu unterschiedlichen Zeitpunkten und in verschiedenen Häufigkeiten. "Obwohl die Mechanismen unbekannt sind, erinnert die zeitliche Abfolge der Neubesiedelung des Darms durch die Bakterien der SpenderInnen an die Sukzession eines Waldes nach einem Sturmschaden", erläutert Mikrobiologe David Berry: "Pionierarten besiedeln das abgeholzte Gebiet, in diesem Fall den entzündeten Darm, zuerst und verändern das Ökosystem so, dass sich weitere Arten ansiedeln können."

Kooperation mit Grundlagenforschung

"Durch die Zusammenarbeit mit der Medizinischen Universität Wien bot sich für uns erstmals die Möglichkeit, unsere im Rahmen des Projektes InflammoBiota erworbene Expertise zur Untersuchung der Darm-Mikrobiota von PatientInnen einzusetzen", berichtet Alexander Loy. Das Verbundprojekt InflammoBiota wird durch das österreichische Genomforschungsprogramm GEN-AU des Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung finanziert und widmet sich der Erforschung der immunologischen und mikrobiellen Ursachen entzündlicher Darmerkrankungen. (af)

Die Publikation "
Temporal bacterial community dynamics vary among ulcerative colitis patients after fecal microbiota transplantation" (AutorInnen: Sieglinde Angelberger, Walter Reinisch, Athanasios Makristathis, Cornelia Lichtenberger, Clemens Dejaco, Pavol Papay, Gottfried Novacek, Michael Trauner, Alexander Loy und David Berry) erschien im September in "American Journal of Gastroenterology".

Beteiligte Institutionen
Department für Mikrobielle Ökologie, Fakultät für Lebenswissenschaften der Universität Wien und Klinische Abteilung für Mikrobiologie und Klinische Abteilung für Gastroenterologie und Hepatologie der Medizinischen Universität Wien.