Wie ein Naturstoff die Zellteilung hemmt
| 15. Januar 2013Elke Heiß vom Institut für Pharmakognosie der Universität Wien erforscht, wie ein Wirkstoff aus der Traditionellen Chinesischen Medizin mithelfen könnte, Herzinfarkt oder Schlaganfall zu verhindern: Er hemmt die Proliferation glatter Gefäßmuskelzellen.
TCM kennt jeder, Indirubin keiner. Beide haben aber miteinander zu tun, denn letzterer ist der rote Verwandte von Indigo (dem Jeans-Färbemittel). Und in der Traditionellen Chinesischen Medizin ein potenter Wirkstoff. Beide Begriffe spielen im laufenden FWF-Projekt von Elke Heiß eine tragende Rolle. Denn sie ist an bioaktiven Naturstoffen interessiert, "besonders an deren molekularen Wirkmechanismen", sagt sie und überlegt auch, wie sie Naturstoffe als molekulare Sonden einsetzen könnte, um die Regulationsnetzwerke in der Zelle besser zu verstehen.
Als kleine Moleküle interferieren Naturstoffe mit dem Geschehen in der Zelle. Heiß will herausfinden, an welchem molekularen Schalter die Naturstoffe drehen, und somit ein besseres Verständnis über die Zusammenhänge in der Zelle sowie über das Wirkspektrum der Naturstoffe gewinnen. Dabei interessieren sie hauptsächlich das Wechselspiel zwischen Metabolismus und zellulärer Stressabwehr sowie Naturstoffe im Zusammenhang mit metabolischen und kardiovaskulären Erkrankungen. Im Rahmen eines laufenden FWF-Projektes erforscht sie deshalb u.a. bis 2014, wie einer dieser Naturstoffe, der erwähnte TCM-Inhaltsstoff, dazu beitragen könnte, dass keine Arteriosklerose entsteht.
Zu viele Zellen
Elke Heiß erklärt: "Arteriosklerose bedeutet, dass sich Gefäße verhärten und verengen, bis letzten Endes der Durchfluss nicht mehr funktioniert und die Organe nicht mehr mit Sauerstoff versorgt werden." Großen Anteil an diesem unerwünschten Krankheitsbild haben die glatten Gefäßmuskelzellen. Sie bilden mit an der Gefäßwand, kontrahieren das Gefäß, sorgen dafür, dass der Blutfluss stattfindet, und regeln den Blutdruck. "Normalerweise teilen sich diese Zellen nicht. Wenn aber Stress auftritt – z.B. bedingt durch Infektionen, Entzündungen oder zu hohes Cholesterin –, dann können die Zellen anfangen, sich zu teilen. Sie wandern ins Gefäßlumen ein, teilen sich und reduzieren den Gefäßdurchmesser" Anders gesagt: Es sind zu viele Zellen da, und die verstopfen das Gefäß. Die Folgen: Herzinfarkt und Schlaganfall.
Der Wirkstoff, den Heiß nun in ihrem FWF-Projekt "Antiproliferative und antimigratorische Aktivität von I3MO" untersucht, wird in der TCM-Krebsmedizin eingesetzt. Indirubin, das rote Isomer des blauen Farbstoffes Indigo, ist das aktive Prinzip von Dangghui Longhui Wan, einer anti-leukämischen Mischung aus der TCM. Seine Wirkung wurde auch schon von der westlichen Wissenschaft bestätigt. "Bei einer bestimmten Form der Leukämie bewirkt er, dass die Teilung der kranken Blutzellen erfolgreich gestoppt wird", sagt die Wissenschafterin. "Und da Krebs wie auch Arteriosklerose dadurch charakterisiert sind, dass sich Zellen unkontrolliert teilen, haben wir uns vor ein paar Jahren im Rahmen einer Promotionsarbeit gedacht, dass Indirubin seine Wirkung auch auf die glatten Muskelzellen übertragen könnte." Ziel sei es, die Zellteilung im Gefäß zu verhindern.
Und wie genau wurde diese Hypothese getestet?
"Wir beginnen normalerweise mit einem Zellmodell, im Fall von Indirubin waren das glatte Gefäßmuskelzellen, die direkt aus einer Rattenaorta isoliert wurden, stimulierten sie mit einem Wachstumsfaktor, woraufhin sie anfingen, sich zu teilen. Wir schauten, ob diese Zellteilung bei Anwesenheit von I3MO gehemmt ist. I3MO ist dabei Derivat von Indirubin, das durch eine chemische Modifikation wasserlöslicher gemacht wurde", erklärt Heiß. Und in der Tat: die Proliferation der glatten Muskelzellen wurde gestoppt. Zusammen mit Kooperationspartnern der Medizinischen Universität Wien kann die antiproliferative Wirkung von I3MO auch bereits in einem in vivo Mausmodell bestätigt werden.
Im aktuell laufenden Projekt konzentriert sich Heiß jetzt mit einem kleinen Team darauf herauszufinden, wie I3MO die Proliferation der glatten Muskelzellen auf molekularer Ebene hemmt. "I3MO zeigt einen relativ ungewöhnlichen Mechanismus", so Heiß. "Statt der 'üblichen Verdächtigen' wird selektiv ein bestimmtes Protein durch I3MO massiv beeinflusst, und das ist der Transkriptionsfaktor STAT3." Es gilt nun zu entschlüsseln, wie I3MO so gezielt nur auf STAT3 abzielt. Gerade abgeschlossene Experimente zeigen, dass das Redoxgeschehen der Zelle dabei eine große Rolle zu spielen scheint.