Trinkgelage der Antike
| 09. April 2014Schon die alten Griechen wussten, wie man richtig feiert. Bankette und Trinkgelage waren außerdem beliebte Motive – u.a. für den Grabbereich. Petra Amann, Historikerin an der Universität Wien, hat alle diese Bildszenen des antiken Mittelmeerraums untersucht und soziopolitische Rückschlüsse gezogen.
Eventfotografen wissen, dass sich Bilder von feiernden Promis besonders gut verkaufen lassen. Auch in der Antike wurden Personen beim gemeinsamen Speisen und Trinken häufig und gern für die Ewigkeit festgehalten. "Einerseits eignete sich das Motiv wunderbar zur Selbstdarstellung und Selbstdefinition – weil sich ja nur die höheren Schichten solche Gelage leisten konnten, andererseits spiegelte es perfekt die friedliche Seite des Lebens wieder", erklärt Petra Amann, stv. Leiterin des Instituts für Alte Geschichte und Altertumskunde, Papyrologie und Epigraphik an der Universität Wien.
Selbstdarstellung
In einem großangelegten Projekt hat sie in Kooperation mit ihrem nationalen Forschungspartner Peter Ruggendorfer von der ÖAW alle Bankett- und Gelageszenen vom 8. bis zum 3. Jh. v. Chr. im italischen, griechischen, klein- und vorderasiatischen Raum systematisch untersucht. "Das Bildmotiv kommt zwar in allen Bereichen des Lebens vor – wir haben uns aber speziell auf den Grabbereich konzentriert", erklärt die Professorin für Etruskologie. Dieser Bereich sei besonders interessant, weil er für die Selbstdefinition eine wichtige Rolle spielt: "Wie sich der oder die Verstorbene das Jenseits vorstellt bzw. welches Bild er von sich selbst der Nachwelt hinterlassen will, sagt viel über den kulturellen Hintergrund und die sozialen Strukturen einer antiken Gesellschaft aus."
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Überregionaler Bogen
Dabei sind viele der antiken Kulturregionen im Hinblick auf Bankett- und Gelagedarstellungen bereits intensiv untersucht worden. "Doch wir sind die ersten, die sich dem Thema mit einer überregionalen Perspektive – die auch die westliche Mittelmeerwelt miteinschließt – angenommen haben. Erst über diesen großen Bogen können wir die sozialen und religiösen Unterschiede dahinter besser begreifen und über den eigenen fachlichen Tellerrand hinausblicken", erklärt die Professorin.
Die Etrusker – die im Raum der heutigen italienischen Regionen Toskana, Umbrien und Latium siedelten –, die Griechen Süditaliens, jene des Mutterlandes sowie die griechischen und einheimischen Bewohner Kleinasiens – zu denen u.a. die Lykier im Südwesten der heutigen Türkei zählen – haben ganz unterschiedliche Zugänge zum Thema gefunden. "Dabei gab es natürlich auch gegenseitige Beeinflussungen", so Amann. Warum existieren z.B. so enge ikonographische Parallelen zwischen Etrurien und Lykien? Darauf gab es bisher keine befriedigende Antwort. "Genau hier wollten wir ansetzen und ein weiteres Fragezeichen aus der Geschichte entfernen", erklärt Amann.
Nicht-Griechen und Griechen
Im Gegensatz zur "Peripherie" spielten Szenen von Trinkgelagen im Grabbereich des "griechischen Kernlands" eine untergeordnete Rolle. "Den Ausdruck 'Peripherie' verwende ich in diesem Zusammenhang aber ungern, da er das alte gräkozentrische Bild der Forschung widerspiegelt", betont Amann. Bei den Griechen standen hier bildlich die Einzelfiguren und nicht ihre Gruppenzugehörigkeit im Vordergrund. Amanns Erklärung dafür: Abseits vom griechischen Kernland dominierten aristokratische und stark hierarchisierte Gesellschaften. Zu zeigen, dass man einer höheren sozialen Gruppe oder höfischen Elite angehörte, war hier für die Selbstrepräsentation besonders wichtig. Und das Bankettmotiv eignete sich dafür wunderbar.
Im klassischen Athen hingegen umfasste die demokratische Staatsordnung alle Vollbürger – Frauen waren von den politischen Rechten ausgeschlossen. "Daher war es weniger zentral, sich auf den Grabdenkmälern als Teil der großen Gruppe zu zeigen, da prinzipiell ohnehin alle dazugehörten", erklärt Amann. Es wurde eher auf die soziale Rolle des Einzelnen angespielt. "Lediglich in der Alltagskunst der Vasenmalerei finden sich die für den internen Zusammenhalt von Männergruppen wichtigen Trinkgelage", ergänzt die Historikerin.
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Liegend, sitzend oder stehend?
Der Historikerin und Etruskologin Petra Amann geht es vor allem um die Botschaft, die ein Bild vermittelt. Die Form, wie z.B. eine Frau dargestellt wird, sagt viel über eine Gesellschaft aus. "Deshalb war das weibliche Element ein wichtiges Thema im Projekt", so die Expertin. Kommen Frauen überhaupt vor? Wenn ja, wie? "Auf den attischen Vasenmalereien liegen die Frauen. Es ist bekannt, dass dort in dieser Position nur Hetären an Symposien teilnehmen durften. Sie dienten der Unterhaltung der Männer und waren sozial nicht gleichwertig", so Amann.
Die Grabmalereien Etruriens stellen die Frauen zwar auch liegend dar. Doch in diesem Fall sind es die Ehefrauen, die neben ihren Männern in den Familiengräbern des Hochadels ruhen. "Die griechischen Malereien waren in diesem Fall zwar die konkreten ikonografischen Vorbilder – doch das Verständnis dahinter war ein anderes", erklärt Amann. Obwohl sich die Bilder vom Aufbau her ähneln, entwickelten die kulturellen Landschaften ein eigenes Verständnis dafür. "Daher ist es wichtig, die Bilder aus dem jeweiligen sozialen und soziopolitischen Kontext heraus zu beurteilen", betont die Professorin. "In Lykien beispielsweise kam der Darstellung des Familienbanketts mit sitzender Ehefrau und Kindern eine wesentliche Rolle zu".
Kulturelle Unterschiede erkennen
Während sich die etruskische Oberschicht über lange Strecken der Geschichte ein freudiges Leben im Jenseits erwartete, war die Vorstellung vom Leben nach dem Tod im archaischen und klassischen Griechenland nicht so rosig: Hier gelangten nur wenige Auserwählte zum Symposion der Seligen ins Elysium – alle anderen endeten als Schattenwesen. (Grab des Hurttuweti in Myra, 4. Jh. v.Chr., Familienbankett) |
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Dank eines methodisch einheitlichen Vorgehens bei der Analyse der einzelnen Kulturlandschaften können die WissenschafterInnen nun präzisere Aussagen über die soziopolitische Situation sowie religiöse Vorstellungen antiker Gesellschaften treffen. "Etrurien hat viel von der Stilistik und den Motiven aus Griechenland übernommen, blieb sich und seinen Strukturen dabei aber immer treu. Daher können für Griechenland gültige Erklärungsmuster nicht einfach auf die etruskischen Stadtstaaten umgelegt werden. Das gilt natürlich auch für die anderen Kulturlandschaften der antiken Welt", erklärt die Historikerin.
Aus dem riesigen Materialberg an Bankettszenen ist schlussendlich eine sehr komplexe Datenbank mit über 800 Einträgen entstanden. "Hier können selbst die kleinsten Details abgefragt werden", freut sich Amann. (ps)
Das FWF-Projekt "Bankett und Grab. Vergleichende Untersuchungen zu einem zentralen Bildthema der Sepulkralkunst und den damit verbundenen Wertvorstellungen im etrusko-italischen, mutterlandgriechisch-kleinasiatischen sowie levantinisch-vorderasiatischen Raum vom 8.-3. Jh.v.Chr." lief von 1. Februar 2009 bis 31. Dezember 2013 unter der Leitung von Univ.-Prof. Mag. Dr. Petra Amann, stv. Leiterin des Instituts für Alte Geschichte und Altertumskunde, Papyrologie und Epigraphik an der Universität Wien. Ihr nationaler Forschungspartner war Dr. Peter Ruggendorfer vom Institut für Kulturgeschichte der Antike der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW). ProjektmitarbeiterInnen waren: Dr. Tina Mitterlechner (Institut für Alte Geschichte und Altertumskunde, Papyrologie und Epigraphik, Universität Wien,), Mag. Agnes Nordmeyer (Institut für Kulturgeschichte der Antike, ÖAW), PD Dr. Ellen Rehm (Stuttgart/Frankfurt a.M.) und Dr. Christian Eder (Münster).