"Stop-and-go" bei der immunologischen Genregulation

Draußen warm, drinnen kalt – oder umgekehrt: Starke Temperaturschwankungen überfordern unseren Körper und es kommt zu verschnupften Nasen und grippalen Infekten. Das menschliche Immunsystem reagiert darauf mit der Produktion kleiner Proteine – sogenannter Zytokine –, die lokal oder im gesamten Organismus die Abwehr anregen. Ist die Infektion vorüber, muss die Produktion eingestellt werden. Doch woher weiß dieser Produktionsmechanismus, wann er anhalten soll? In einem kürzlich gestarteten FWF-Projekt geht der Immunbiologe Pavel Kovarik dieser und weiteren wichtigen Fragen nach und betritt dabei spannendes Neuland.

Die Transkriptionsmaschinerie der DNA sorgt dafür, dass unser Immunsystem immer die nötigen Abwehrstoffe und Hormone produziert. Pavel Kovarik vergleicht diese komplexe Transkriptionsmaschinerie mit einer Eisenbahn: Sobald im menschlichen Körper eine Infektion gemeldet wird, wird der Zug auf das richtige Gleis (=DNA-Abschnitt) gebracht und auf die Fahrt geschickt. Nach dem Erreichen des Ziels wird der Zug wieder abgestellt.  

Wissenschaftlich ausgedrückt bedeutet Transkription die Umschreibung von DNA in RNA-Sequenzen. "Dies ist ein essentieller Teil der Proteinproduktion, denn anschließend wird die RNA in Proteinsequenzen umgeschrieben – das nennt sich  Translation", erklärt der stellvertretende Leiter des Departments für Mikrobiologie, Immunbiologie und Genetik weiter.

Aktivierung der Gene

Als Teilabschnitte der DNA produzieren unsere Gene somit RNA und sind damit auch für die Produktion der Proteine verantwortlich. Doch dafür muss das entsprechende Gen zunächst aktiviert werden. Dies ist die Aufgabe der einzelnen Zellen: "Wenn das Immunsystem aktiviert werden soll, schaltet die Zelle bestimmte Gene, deren Proteine bzw. Zytokine zur Immunabwehr benötigt werden, an und auch wieder aus", fährt Kovarik fort.

Aber woher weiß die Zelle bzw. das Gen, wie oft und wie lange es RNA produzieren soll? Diese Frage will Kovarik im Rahmen des FWF-Projekts "Transkriptionszyklus von Stat1-regulierter Transkription" klären. Zusammen mit seinem Team untersucht er die Kommunikation zwischen Transkriptionsfaktor und Transkriptionsmaschinerie.

Zurück ins Zytoplasma

Stat1 ist ein Transkriptionsfaktor: Er gibt die Stelle auf der DNA vor, an der die Transkription starten soll. "Stat1 befindet sich normalerweise im Zytoplasma der Zellen. Sobald ein Signal über eine virale Infektion kommt, wird Stat1 in den Zellkern geschickt, um DNA zu binden: Von dort setzt sich dann die Transkriptionsmaschinerie in Gang", erklärt Kovarik. Was den Transkriptionsfaktor dazu bringt, nach dem Start wieder in das Zytoplasma zurückzukehren, um dort neue Signale wahrnehmen zu können, will der Wissenschafter im Laufe des aktuellen Projekts klären.

Zug fährt ab!

"Wir wissen genau, wie diese Eisenbahn – also die Transkriptionsmaschinerie – zusammengebaut ist und wie die Lokomotive und die Waggons ausschauen. Unklar ist jedoch, wie sie untereinander kommunizieren und woher der Lokführer weiß, wann der Zug losfahren darf", kommt Kovarik wieder auf die Eisenbahn-Metapher zurück. Zudem ist noch zu klären, was die Transkriptionsmaschinerie dazu bewegt, nur eine bestimmte Zeit auf den "Gleisen" zu bleiben und dann wieder auf ein neues Signal zu warten.

Schaltzentrale

Solche Signale laufen meist über Phosphorylierung: Ein Protein phosphoryliert das nächste, d.h. die Signale werden einfach weitergeleitet. "Wir sind sicher, dass es sich auch in unserem Fall um solche Signaltransduktionskaskaden handelt. Die entsprechenden Enzyme – sogenannte Kinasen – konnten wir bereits identifizieren", so Kovarik. Eine wichtige Kinase ist der Mediatorkomplex: eine Art Schaltstelle, die aus mehreren Proteinen besteht und der Transkriptionsmaschinerie signalisiert, dass sie loslegen kann – "beziehungsweise dem Transkriptionsfaktor vermittelt, dass er nicht mehr gebraucht wird, weil sich der Zug bereits in Bewegung gesetzt hat".

Ist das Immunsystem steuerbar?

Detailiertes Wissen über das menschliche Immunsystem ist auch für die Pharmaindustrie von großem Interesse. "Es gibt z.B. bestimmte Chemikalien – Inhibitoren – welche die Aktivität der Kinase unterbinden, weshalb es auch denkbar und möglich wäre, die Immunantwort zu verstärken oder abzuschwächen", erklärt Kovarik. Zusammen mit seinem ForscherInnenteam betritt er in dieser Hinsicht komplettes Neuland: "Im Immunsystem wurde so etwas noch nie analysiert. Vielleicht eröffnen sich uns schon bald neue Möglichkeiten, das Immunsystem zu steuern", meint Kovarik. (ps)

Das FWF-Projekt "Transkriptionszyklus von Stat1-regulierter Transkription" läuft von 1. August 2010 bis 31. Juli 2013. Projektleiter ist Ao. Univ.-Prof. Mag. Dr. Pavel Kovarik, stv. Leiter des Departments für Mikrobiologie, Immunbiologie und Genetik, der zusammen mit Lic. Mag. Joanna Bancerek, Thaddäus Pfaffenwimmer und Mag. Ivana Mikulic vom Department für Mikrobiologie, Immunbiologie und Genetik an dem Projekt arbeitet.