Nikolai Kiesel: Von schwebenden Nanokugeln zu unerreicht effizienten Kraftmaschinen

Im Rahmen des hochdotierten START-Programms will der junge Physiker Nikolai Kiesel von der Universität Wien eine vielseitige experimentelle Plattform für die Stochastische- und Quanten-Thermodynamik entwickeln – und lässt dafür Nanokugeln schweben.

Unser modernes Leben wird seit dem 19. Jahrhundert durch die Errungenschaften der Thermodynamik wesentlich mitgestaltet. "Die Thermodynamik hat einen immensen Anwendungsbereich, angefangen bei den ersten Dampfmaschinen bis hin zur Raumfahrt", veranschaulicht Nikolai Kiesel, Mitglied der Forschungsgruppe Quantenoptik, Quantennanophysik und Quanteninformation an der Fakultät für Physik und START-Preisträger 2016.

Anfänglich wurden durch die Thermodynamik vor allem große Systeme aus vielen Teilchen beschrieben. "Mit fortschreitender Miniaturisierung und unseren stets wachsenden Fähigkeiten, Objekte auf der Mikro- und Nanoskala zu manipulieren, wird es immer wichtiger, die Gesetze der Thermodynamik auch in die Mikrowelt und sogar in das Quantenregime zu übertragen", erklärt der Forscher.

Begriffe der Thermodynamik in die Quantenwelt übertragen


In den vergangenen beiden Jahrzehnten wurde eine sehr erfolgreiche Erweiterung in die Mikrowelt entwickelt: Die stochastische Thermodynamik erlaubt es, Begriffe der Thermodynamik auf die Ebene der einzelnen Teilchenbahnen zu übertragen und weitreichende Vorhersagen über mikroskopische Systeme weit weg vom thermischen Gleichgewicht zu treffen.

Nikolai Kiesel, 1977 in Nürnberg geboren, forscht in der Gruppe Quantenoptik, Quantennanophysik und Quanteninformation an der Fakultät für Physik der Universität Wien. Sein Doktorat absolvierte er an der Ludwig-Maximilians-Universität München und am Max Planck Institut für Quantenoptik., Garching (Deutschland). Als Postdoc kam er zunächst an das Institut für Quantenoptik und Quanteninformation der ÖAW, bevor er als Feodor-Lynen-Stipendiat an der Fakultät für Physik der Universität Wien forschte. Bis 2015 war Kiesel Universitätsassistent, seit 2015 ist er Senior Scientist an der Universität Wien. Den START-Preis vom FWF erhält er für sein Projekt "Thermodynamik mit levitierter Optomechanik".

Schwebende Nanokugeln

Im Rahmen der START-Förderung will der junge Physiker eine vielseitige experimentelle Plattform für die Stochastische- und Quanten-Thermodynamik entwickeln, die auf den aktuellen Fortschritten im Bereich einer ganz anderen jungen Disziplin beruht: der levitierten Cavity-Optomechanik. "In der Cavity-Optomechanik kontrollieren Lichtfelder, die zwischen zwei Spiegeln gefangen sind, kleine mechanische Oszillatoren so präzise, dass im Prinzip Quantenzustände der Mechanik erzeugt werden können", erklärt Kiesel.

In seinem START-Projekt "Thermodynamik mit levitierter Optomechanik (TheLO)" wird als mechanisches Objekt eine Nanokugel benutzt, die von optischen Feldern im Vakuum gegen die Gravitation gehalten, also levitiert wird. "Dies erlaubt es uns, Methoden zu nutzen, die für optische Pinzetten entwickelt wurden, und damit eine flexible Kontrolle über die Potenziallandschaft, in der sich das Teilchen bewegt zu haben."

Komplett neue Experimente zur Thermodynamik

Optisch gefangene Teilchen in Wasser sind Modellsysteme im Bereich der stochastischen Thermodynamik. Durch "Thermodynamik mit levitierter Optomechanik" (TheLO) eröffnen sich hier ganz neue Möglichkeiten, so der Forscher: "Der rein optische Zugang erlaubt eine unerreichte Flexibilität und Geschwindigkeit hinsichtlich der Kontrolle der Potenziallandschaft wie auch der Umgebung, also des 'Bades', das das Teilchen beeinflusst."

Auf diese Weise werden nicht nur komplett neue Experimente zur Thermodynamik weit weg vom thermodynamischen Gleichgewicht durchführbar, sondern auch die Demonstration und Optimierung neuer quantenthermodynamischer Konzepte, ist der START-Preisträger zuversichtlich – und nennt als Beispiel etwa Kraftmaschinen, die mit Hilfe nichtthermischer oder quantenmechanischer Umgebungen bisher unerreichbare Effizienzen ermöglichen. (FWF/red)

Vier START-Preise für die Universität Wien
Vier hochdotierte "START"-Forschungsförderungen 2016 gehen an die Universität Wien, zwei davon an die Fakultät für Mathematik. Ausgezeichnet werden der Chromosomenbiologe Christopher Campbell (MFPL), die Mathematiker Michael Eichmair und Harald Grobner und der Quantenphysiker Nikolai Kiesel.
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