Nächste Station: Cambridge
| 06. September 2010Die Universität Wien ist für viele WissenschafterInnen ein Sprungbrett für eine internationale Karriere. Einer davon ist der Chemiker Erwin Reisner, der ab Herbst 2010 an der Universität Cambridge als Lecturer tätig sein wird. Zuvor forschte bzw. lehrte der ehemalige Schrödinger-Stipendiat u.a. am Massachusetts Institute of Technology (USA) sowie an den Universitäten Oxford und Manchester. Mit der online-Zeitung sprach der Jungwissenschafter via E-Mail-Interview über die bisherigen Stationen seiner Karriere und neue Herausforderungen.
Für den gebürtigen Oberösterreicher Erwin Reisner geht es nicht nur in der Freizeit hoch hinaus. Auch in der Wissenschaft verfolgt der 30-jährige unbeirrt seinen Weg, der ihn von Wien über Amerika nach England geführt hat. Der bisherige Werdegang des Chemikers, der sich selbst als "konsequent, wissbegierig und unbesorgt" beschreibt, zeigt, dass sich Engagement und Fleiß lohnen. Jungen KollegInnen rät er daher, nicht nur auf Fachwissen, sondern auch auf "Dynamik und Flexibilität" zu bauen: "Jeder muss seinen eigenen Weg finden, aber wenn man flexibel und proaktiv ist, dann ist für eine Karriere in der Wissenschaft ein wertvolles Fundament gelegt."
Reisners "Wanderjahre" nehmen ihren Ausgang an der Universität Wien. Bereits während seines Studiums am Institut für Anorganische Chemie zieht es ihn im Rahmen eines Erasmusaufenthalts nach Portugal. Dort lernt er auch seine spätere Frau kennen, die ab diesem Zeitpunkt stets an seiner Seite ist, und selbst eine wissenschaftliche Karriere verfolgt. 2005 promoviert Reisner in der Arbeitsgruppe des Dekans der Fakultät für Chemie Bernhard Keppler. Ihm verdankt er seine Leidenschaft für die Chemie: "Ursprünglich hatte ich mich für Pharmazie inskribiert. Die chemische Grundvorlesung von Professor Keppler faszinierte mich damals aber so sehr, dass ich mich dazu entschloss Chemie zu studieren." Das bereut er bis heute nicht: Nach der Fertigstellung seiner Dissertation im Bereich Krebsforschung gelingt es Reisner 2005 das begehrte Erwin Schrödinger-Stipendium des FWF zu ergattern: "Dieses Stipendium war entscheidend für meine wissenschaftliche Karriere, da es mir einen Forschungsaufenthalt in einer renommierten Gruppe am Massachusetts Institute of Technology (MIT) ermöglichte."
Während seines Aufenthalts am MIT verschiebt sich das Forschungsinteresse des jungen Chemikers zunehmend in Richtung Energieforschung. Der Wissenschafter beschäftigt sich hier u.a. mit der biomimetischen Umwandlung von Erdgas in Methanol, einem flüssigen Treibstoff. Seine wenige Freizeit nutzt er vor allem dazu, gemeinsam mit seiner Frau die USA zu erkunden.
Anschließend ist Reisner zwei Jahre lang als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Oxford tätig, wo er auch am St. John's College unterrichtet. Doch nicht nur beruflich ist der Aufenthalt in Oxford für den Wissenschafter besonders: "Ich bin hier auch Vater geworden", freut er sich.
2009 kann er einen weiteren Erfolg verbuchen, denn er erhält für seine Forschungen das EPSRC Career Acceleration Fellowship - eine mit dem österreichischen Start-Preis vergleichbare Förderung, die WissenschafterInnen für fünf Jahre mit ausgezeichneten Forschungsbedingungen versorgt: "In England ist dies der entscheidende Schritt zur wissenschaftlichen Unabhängigkeit - dem Übergang vom 'Postdoc' zum 'Faculty", so Reisner. Mit Hilfe dieser Unterstützung baut er ein Forschungslabor an der Universität Manchester auf. "Ich freue mich, dass ich hier ein ambitioniertes und internationales Team mit einer flachen Hierarchie zusammenstellen konnte."
Schwerpunkt seiner Forschungen bleibt auch hier weiterhin die erneuerbare Energie, besonders die Entwicklung solarer Brennstoffe: "Dieses aktuelle Gebiet ist sehr spannend, da die Chemie eine zentrale Rolle einnimmt und wir immer wieder neue, kreative Konzepte entwickeln und erforschen können."
Doch die Zeit an der Universität Manchester ist schnell vergangen - schon wartet eine neue Karrierestation auf den Österreicher: Ab Herbst dieses Jahres wird er - samt seinem Forschungsteam - nach Cambridge übersiedeln.
"An der Universität Cambridge werde ich als Lecturer nicht nur mit meiner Arbeitsgruppe im Labor forschen, sondern auch Studierende unterrichten", freut sich Reisner: "So kann ich hautnah miterleben, wie meine StudentInnen an neuen Aufgaben wachsen." Auch für die Freizeit gibt es schon einige Pläne: "Ich möchte mit meiner Familie, sofern es die Zeit zulässt, viel reisen und neue Winkel dieses Landes entdecken."
Was er an Wien vermisse? "Die hohe Lebensqualität, das üppige Kulturangebot und etliche gute Freunde", antwortet Reisner, der sich durchaus vorstellen kann, später an die Universität Wien zurückzukehren. Doch momentan überwiegt die Freude, in Cambridge, der Stadt am Fluss Calm, forschen und lehren zu dürfen. "Vielleicht besucht mich Österreich ja in der Person von DoktorandInnen oder AssistentInnen", hofft der Wissenschafter. (pp)