"Meine Forschung": Kelten im Pop-Land
| 21. April 2016Pop-Musik ist ein Fundus an variantenreichen Keltenverweisen. Ob musikalisch, textlich oder bildlich: Kelten treten im Pop als Symbol in Erscheinung. Wofür dieses Symbol in der Musik der Schwarzen bzw. Gothic-Szene stehen kann, untersucht die Keltologin Sophie Unterweger in ihrer Dissertation.
Keltisch + Musik: Für gewöhnlich führt diese Formel zu irischen, schottischen und bretonischen Volksmusiktraditionen oder ihren volkstümlichen Ablegern. Vielleicht reihen sich noch diverse Pop-Musikstile mit dem Attribut "Keltisch" – wie z. B. Celtic Metal oder Celtic Punk – dazu, in denen typisch "keltische" Instrumente wie Bodhrán oder Dudelsack implementiert werden. Dass Pop-Musik aber auch abseits stereotyper Folk-Musikarrangements einen reichen Fundus an Keltenreferenzen bietet, liegt weit weniger auf der Hand.
Celtic goes Pop
Ein Blick auf Schallplatten und CDs zeigt, wie vielgestaltig das Keltische im Pop-Bereich auftreten kann. Flechtmuster, angelehnt an die frühmittelalterliche irische Handschriftenmalerei, schmücken Plattencovers. Liedtexte werden in keltischen Sprachen verfasst. Albentitel verweisen auf die britannische Sagenwelt. Begleittexte überliefern antike Anekdoten über keltische Gepflogenheiten. Und so mancher Bandname bezieht sich explizit auf epigraphische Zeugnisse der eisenzeitlichen Keltiké. Die Verweislage ist bunt und dockt an die Metiers aller keltologisch-kulturwissenschaftlichen Teildisziplinen an. Nichtsdestotrotz ist Pop-Musik ein weißer Fleck auf der keltologischen Landkarte.
Im uni:view-Dossier "Meine Forschung" stellen DoktorandInnen der Universität Wien ihre Forschungsprojekte vor. Das Dossier läuft in Kooperation mit dem DoktorandInnenzentrum.
Keltologie goes Pop
In ihren Forschungen will die Doktorandin Sophie Unterweger ebendiese keltologische Terra incognita kartographieren. "Welche keltischen Themen, Inhalte und Diskurse zirkulieren in welchen Bereichen der Pop-Musik? Welche Wissenszugänge zu Keltischem lassen sich bei MusikerInnen bestimmen? Warum wird Keltisches überhaupt in Musikproduktionen eingewoben?" sind laufende Forschungsfragen.
"Der springende Punkt ist, dass Keltisches nicht um seiner selbst willen in Pop-Musikproduktionen eingebunden wird. Kelten sind ein Symbol, z. B. für kulturelle Identität, Spiritualität, Naturverbundenheit oder Widerstand. Aktuelle sozio-politische und kulturelle Themen werden mit dem symbolischen Rückbezug auf Kelten verhandelt", erläutert Unterweger.
Welchen Thematiken das Interesse gilt, variiert natürlich je nach Band und MusikerIn, aber auch nach musikalischer Stilrichtung und Musikszene. "Für Auseinandersetzungen mit Keltenrezeption in der Pop-Musik ist es wichtig, diese Kontexte in eine Analyse mit einzubeziehen. Denn Interessenslagen und Verhandlungsmodi sind oft an strukturelle und habituelle Genre- oder Szenevorgaben angebunden", so die Doktorandin.
Gothic goes Celtic
In ihrer Pilotstudie zu popmusikalischen Keltenrezeptionspraktiken und deren Hintergründen fokussiert die Nachwuchsforscherin auf die Schwarze bzw. Gothic-Szene. Die Schwarze Musikszene setzt sich aus mehreren Sub-Szenen mit teils profunden Unterschieden in Musikgenrebezug, Stilpraxis und Habitus zusammen. "Meine Ausgangslage waren szeneinterne wie externe Berichte, die der Schwarzen Szene eine Affinität für Kelten und Keltisches zuschreiben. Analytisch hat mich zudem die Heterogenität und Vielschichtigkeit dieser Szene gereizt", erzählt Unterweger.
Celtic in "Gothic" Music
So vielschichtig wie die Szene sind auch die Stilrichtungen "schwarzer" Musik. Zwar gibt es Interdependenzen und Ähnlichkeiten zwischen manchen Musikstilen. Es manifestieren sich aber ebenso grundlegende Unterschiede – sowohl im "Sound" als auch bei den Themen, Narrativen und ästhetischen Praxen, die in den jeweiligen Stilen dominieren. Dies führt auch zu voneinander abweichenden Keltenrezeptionspraktiken.
Welche Stile repräsentativ für die Musikszene sind, lässt sich durch Szene-Festivals nachzeichnen. Ein dahingehend guter Analyserahmen ist das weltweit größte Festival der Schwarzen Szene, das Wave-Gotik-Treffen – kurz WGT – in Leipzig, das alljährlich zu Pfingsten Bands aus den verschiedensten Stilrichtungen auf den Bühnen der Stadt vereint.
"MusikerInnen und Bands, die am WGT aufgetreten sind, bilden die Basis meiner Untersuchung". Unterweger analysiert Keltenverweise im Tonträgermaterial der WGT-Bands. Daraus leitet sie keltische Themengebiete der Musikproduktionen ab. Ethnografische Forschung ergänzt die Korpusarbeit maßgeblich. "Emische Perspektiven einzubinden ist mir wichtig. Denn nur allzu oft entziehen sich signifikante Aspekte und Nuancen einer reinen Außenbetrachtung", so die Doktorandin. "Der zentrale Teil meiner Arbeit besteht jedoch aus Interviews mit keltenrezipierenden MusikerInnen. Denn wer kann besser Auskunft zu Aneignungspraxen und leitenden Motivationen geben, als die ProtagonistInnen selbst."
Mag. Sophie Unterweger hat Keltologie in Wien und Glasgow studiert. In ihren Forschungen befasst sie sich mit Keltenrezeption in Pop-Musik und Musikszenen sowie mit popkulturellen Aneignungsformen und -prozessen historischer Narrative. Seit 2013 arbeitet sie an ihrem Dissertationsprojekt "Tanz den König Artus! Qualitative Analyse popkultureller Keltenrezeption in Musikproduktionen der Schwarzen Szene". Betreut wird das Projekt von Prof. Raimund Karl, Bangor University, UK, und PD Dr. Jochen Bonz, Universität Innsbruck. Sie ist Vorstandsmitglied im Verein für Keltologie – Brennos und redaktionelle Mitarbeiterin der Zeitschrift Keltische Forschungen.
Literaturtipps zum Thema: Petras, Ole 2011: Wie Popmusik bedeutet. Eine synchrone Beschreibung popmusikalischer Zeichenverwendung. Bielefeld: Transcript.Weston, Donna und Bennett, Andy (Hg.) 2013: Pop Pagans. Paganism and Popular Music. Durham: Acumen.