Klimawandel damals und heute

Die Vergangenheit soll helfen, in die Zukunft zu sehen: Im Mittelpunkt des groß angelegten EU-Projekts "ERA-CLIM2" stehen globale Klimadaten des 20. Jahrhunderts. Mit ihnen lassen sich Klimamodelle verifizieren, die zur Vorhersage des zukünftigen Klimas verwendet werden. Mit dabei: Meteorologe Leopold Haimberger von der Universität Wien.

Dass der Klimawandel Realität ist, war schon vor dem "ERA-CLIM2"-Projekt bekannt. Doch dank des EU-finanzierten Forschungsvorhabens können die Gründe dafür noch genauer analysiert und neue Gegenstrategien entwickelt werden. Fakt ist, dass die Erwärmung nicht stetig vor sich geht: War sie in den 1920ern und 1930ern recht beträchtlich, wurde sie dann eine Zeitlang wieder schwächer, um in den 1970ern und 1980ern wieder anzusteigen.

"Im Moment befinden wir uns gerade wieder in einer Erwärmungspause", erklärt Meteorologe Leopold Haimberger von der Universität Wien, österreichischer Partner von "ERA-CLIM2": "Dafür sind wahrscheinlich u.a. die Ozeane verantwortlich, die Wärmeenergie in große Tiefen hinuntertransportieren – Indizien dafür fand auch mein Doktorand Michael Mayer. Dieses Prozedere genauer zu untersuchen, steht nun im Mittelpunkt von ERA-CLIM2."

Globale Klimakarten

Es gibt über die letzten 100 Jahre erstaunlich viele instrumentelle Klimabeobachtungen. Allerdings sind die meisten nur in Jahrbüchern dokumentiert, aber nicht elektronisch verfügbar, und können so nicht für digitale Klimakarten verwendet werden. Das hat sich seit "ERA-CLIM1" wesentlich geändert: Das Ziel des bereits abgeschlossenen ersten Projektteils war es, noch möglichst viele dieser globalen Daten, die seit Beginn der Aufzeichnungen existieren, zu sammeln, zu korrigieren und zu digitalisieren.

Insgesamt arbeiteten neun Projektpartner aus Großbritannien, Schweiz, Russland, Portugal, Deutschland, Frankreich, Chile und Österreich in "ERA-CLIM1" daran, die Klimadaten der vergangenen 100 Jahre zu aktualisieren, jeder davon mit eigenem Schwerpunkt; so war Leopold Haimberger für die Korrekturen der Radiosondendaten verantwortlich.

Das Ergebnis dieses komplexen und zeitaufwändigen Verfahrens sind globale Stationsdatenarchive und Klimakarten seit Beginn des 20. Jahrhunderts, die kürzlich auch im Internet öffentlich zugänglich gemacht wurden. "Diese Klimakarten sind natürlich nicht nur für uns MeteorologInnen relevant, auch andere WissenschafterInnen wie ZoologInnen, MikrobiologInnen, etc. werden davon profitieren", betont Haimberger vom Institut für Meteorologie und Geophysik.

Sammeln, digitalisieren und analysieren

Waren zu Beginn des 20. Jahrhunderts fast ausschließlich Bodenbeobachtungen verfügbar, so kamen ab den 1920er Jahren Wetterballons und später Radiosonden zum Einsatz, um Wind, Feuchtigkeit und Temperatur zu messen. Ab dem "Satellitenzeitalter", das Anfang der 1970er Jahre begann, wurde auch die Datenmenge dementsprechend umfassender. Heutige Radiosonden und Satelliten messen mit über 100 verschiedenen Instrumententypen und inkludieren Messungen zu Spurengasen, Methan, Ozon, usw.


Anhand dieser Zeittafel lässt sich deutlich sehen, wann die verschiedenen Klima-Messintrumente über die letzten 100 Jahre hinweg zum Einsatz kamen. (Grafik: ERA-CLIM)



Von der Radiosonde zum Satelliten


"Bis vor 40 Jahren hatten wir also nur Boden- und Radiosondendaten zur Verfügung", erklärt der Experte für Wetterdaten genauer: "Heute sind Satelliten in 800 Kilometer Höhe stationiert und liefern uns wichtige Messungen der Atmosphäre." Ein Satellit in dieser Höhe kann sogar die Wellenhöhe der Meere messen, was wiederum Aufschluss über die Windverhältnisse gibt. "Darum sind Satelliten nicht nur unmittelbar für die mittlerweile recht zuverlässigen Wettervorhersagen verantwortlich, auch für die Klimabeobachtung sind sie unverzichtbar geworden, da sie als einzige Messgeräte auch über entlegenen Gewässern, wo kaum ein Schiff oder Flugzeug hinkommt, mehrmals täglich Daten liefern", so der Meteorologe.

Einfluss der Sonne

Leopold Haimberger war im Rahmen von "ERA-CLIM1" für die Korrekturen der Radiosondenmessungen verantwortlich. Die frühen Radiosonden, die seit 1940 zum Einsatz gekommen sind, waren nicht gegen Sonnenstrahlen geschützt, das heißt, frühe Temperaturmessungen weisen systematisch zu hohe Werte auf. "Wir sammelten all diese Daten, um die Genauigkeit vergangener Klimamessungen zu verbessern und dadurch den Verlauf über die Jahrzehnte hinweg genau analysieren zu können", so der Forscher: "Fehler in den Messungen sind da natürlich gravierend, da sie insbesondere Trends verfälschen können."

Unterschätzte Rolle der Ozeane

War es das Ziel von "ERA-CLIM1", die Klimadaten des 20. Jahrhunderts aufzuarbeiten, geht es nun im aktuell laufenden zweiten Projektteil darum, den Ist-Zustand des Klimas möglichst genau zu analysieren. An der Universität Wien nehmen Leopold Haimberger und sein Doktorand Michael Mayer die Energietransporte zwischen Atmosphäre und Ozeanen genauer unter die Lupe. Haimberger: "Die Rolle der Ozeane bei der Speicherung von Energie ist der Schlüssel zum Verständnis von mittelfristigen Klimaschwankungen (Zeiträume zwischen zwei und 100 Jahren). Bisher dachte man, dass die zusätzliche Wärme, die der pazifische Ozean während eines El Niño-Ereignisses freisetzt, großteils in den Weltraum entweicht."

Nachwuchsforscher Michael Mayer jedoch hat herausgefunden, dass sie zu etwa 80 Prozent vom Atlantik und Indischen Ozean aufgenommen wird. Dies müsste sich auch in den Klimamodellen widerspiegeln. Ob dem so ist, wollen die beiden Meteorologen im Rahmen von "ERA-CLIM2" jetzt genau nachgehen.

Der zweite Fokus des Projekts liegt auf dem globalen Kohlenstoffhaushalt, der sich über die letzten 100 Jahre beträchtlich verändert hat. "Wir werden uns dazu Daten der Regenwaldzerstörung sowie die Menge an verbrannten Öl und Gas anschauen und analysieren", so Haimberger. Wie viel des dabei freigesetzten Kohlenstoffes befindet sich heute noch in der Atmosphäre, wie viel wurde von den Ozeanen gebunden und inwieweit beeinflusst dies das Klima der nächsten 100 Jahre? Der Beantwortung dieser Fragen wird man bei Projektabschluss 2016 wesentlich näher gekommen sein. (td)

Das großangelegte EU-Projekt ERA-CLIM2 mit insgesamt 17 europäischen Partnern läuft von 2011 bis 2016. Der erste Teil lief von 2011 bis 2013, der zweite Teil läuft von Jänner 2014 bis Dezember 2016. Österreichischer Partner ist ao. Univ.-Prof. Mag. Dr. Leopold Haimberger vom Institut für Meteorologie und Geophysik der Universität Wien. Gleichzeitig leitet der Meteorologe und Klimaexperte auch das FWF-Projekt "Homogene atmosphärische Beobachtungen und Haushalte der letzten 75 Jahre", das noch bis 2015 läuft.