Interaktiv gegen Leseschwäche

Im Rahmen des dreijährigen EU-Projekts "Literacy" entwickeln interdisziplinäre ForscherInnen ein Online-Portal für Menschen mit Leseschwäche. Das Informatik-Team rund um Renate Motschnig von der Universität Wien ist für die optische und funktionelle Gestaltung der Plattform verantwortlich.

PädagogInnen, PsychologInnen, TechnikerInnen und InformatikerInnen arbeiten im EU-Projekt "Literacy" gemeinsam an einer interaktiven Plattform für Menschen mit Leseschwäche (Dyslexie). Das Besondere: dieses Online-Portal entsteht nicht nur für Menschen mit Leseschwäche, sondern wird gemeinsam mit ihnen entwickelt. "Wir beziehen die späteren UserInnen in die Gestaltung des Interface-Designs von Anfang an ein. Schließlich soll diese Plattform DyslexikerInnen in ihrem Alltag unterstützen", erklärt Renate Motschnig, Leiterin des Fachdidaktik- und Lernforschungszentrums Informatik der Universität Wien.


Dieser Artikel erschien im Forschungsnewsletter März 2013.
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Zielgruppe: Erwachsene und Jugendliche

Während sich die Früherkennung und auch die Lernmaterialien für Kinder mit Leseschwäche stetig verbessern, steckt die gesellschaftliche Anerkennung im Umgang mit jugendlichen und erwachsenen DyslexikerInnen noch in den Kinderschuhen. "Das Webportal richtet sich deshalb genau an diese Zielgruppe der Jugendlichen und Erwachsenen mit Leseschwäche, die bisher europaweit vernachlässigt wurde", so Motschnig, die das österreichische Teilprojekt an der Universität Wien leitet.

Kommunikation und Community-Building

Hauptziele des Portals sind es, Informationen adäquat zur Verfügung zu stellen und interaktive Kommunikationszonen zu schaffen. "Bei DyslexikerInnen handelt es sich oft um sehr kreative Menschen, und um diese künstlerischen Begabungen zu fördern, haben wir auf der Literacy-Plattform u.a. einen 'Creative Corner' eingerichtet: Hier können sie sich z.B. über digitale Kunst ausdrücken", erklärt Projektmitarbeiter Dominik Hagelkruys vom Fachdidaktik- und Lernforschungszentrum Informatik: "In der 'Community Zone' können sich die NutzerInnen austauschen, ihre Erfahrungen teilen und sich gegenseitig Tipps geben. Gerade das Gefühl, nicht alleine betroffen zu sein, ist an sich schon ein wichtiger Schritt im Umgang mit dem eigenen Handicap."


Der Grundaufbau der Website wurde gemeinsam mit DyslexikerInnen erarbeitet – nach einem ganz "altmodischen" und sehr anschaulichen System, dem "Cardsorting". Auch Design, Menüpunkte, Inhalte, Wortwahl, etc. wird in kontinuierlichem Austausch mit den zukünftigen UserInnen erarbeitet. "Durchgesetzt hat sich ein sehr klassisches Design: einfach und übersichtlich", so die InformatikerInnen: "Besonders wichtig bei Leseschwäche ist die grafische Darstellung einzelner Menüpunkte in Form von Icons."



Kooperative Inhalte


Die Inhalte selbst wurden in Kooperation mit den Projektpartnern aus Spanien (Koordination), der Tschechischen Republik, Ungarn und Israel erarbeitet. Der Content reicht von allgemeinen Informationen über Leseschwäche, Lebensgeschichten von erfolgreichen DyslexikerInnen über Tipps und Tricks im Alltagsleben, Lernmaterialien bis hin zu den bereits erwähnten Kommunikationszonen. Zusätzlich stehen auch in Israel entwickelte Online-Tests zur Verfügung: Hier können Stärken und Schwächen ausgelotet sowie Übungen und "Cognitive Trainings" durchgeführt werden.

Das Portal wird anfangs in den Sprachen Englisch, Ungarisch, Tschechisch und Hebräisch zur Verfügung stehen. "Langfristiges Ziel ist es, das Portal zu erweitern und spezialisierte Benutzeroberflächen, Auswertungs-Werkzeuge, E-Learning-Materialien und einen Gemeinschaftsbereich für alle größeren europäischen Sprachen zu erstellen", so Projektleiterin Renate Motschnig abschließend. (td)

Das EU-Projekt "Literacy" – Laufzeit von 1. März 2012 bis 28. Februar 2015 – wird von der Europäischen Kommission durch das FP7-Programm gefördert. Projektteilnehmer sind: Indra Sistemas S.A. (Spanien, Koordination), B&M InterNets s.r.o. (Tschechische Republik), Hungarian Academy of Sciences, Institute of Psychology (Ungarn), AnimaScan Ltd (Israel), Centre for Educational Technology (Israel), Pedagogical and Psychological Counseling Centre of Brno, (Tschechische Republik) und die Universität Wien unter der Leitung von Ao. Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. Renate Motschnig (Leiterin des Fachdidaktik- und Lernforschungszentrums Informatik), Projektmitarbeiter: Mag. Dominik Hagelkruys und Mgr. Jan Struhar.