Harald Grobner: In die (Un-)Tiefen der Zahlentheorie

In seinem START-Projekt hat sich Harald Grobner einem der größten Ziele der modernen zahlentheoretischen Forschung verschrieben: das "geheimnisvolle Verhalten der L-Funktionen" zu verstehen. Die Bedeutung solch grundlagenwissenschaftlicher Pionierarbeit erklärt er u.a. am Beispiel Datensicherheit.

Schon Pythagoras sagte: "Alles ist Zahl", und auch in unserer modernen Welt sind Zahlen allgegenwärtig: "In Technik, Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Religion, in Raum und Zeit – überall weisen uns Zahlen auf tiefliegende Weise den Weg von Unordnung zu Ordnung, von Chaos zu Struktur", wie es der Mathematiker Harald Grobner ausdrückt. 2008 als herausragender Absolvent bei der Promotio sub auspiciis mit dem Ehrenring der Republik Österreich ausgezeichnet, erhält der junge FWF-Projektleiter am Institut für Mathematik nun einen hochdotierten START-Preis für seine Forschung zum Thema "Spezielle L-Werte und p-adische L-Funktionen".

Datenschutz: Von der E-Card bis zum Electronic Banking

"Zahlen bestimmen maßgeblich den Fortschritt unserer Gesellschaft, unseres Wohlstands sowie unsere Sicherheit. Ein bedeutendes Beispiel ist die für moderne Informationsgesellschaften unverzichtbare Datensicherheit", erklärt der Mathematiker weiter. Effektiven Schutz unserer sensiblen persönlichen Informationen wie Kommunikationsdaten, Kontoinformationen oder Krankengeschichten zu garantieren – unerlässlich für das Funktionieren unserer Gesellschaft – ist Aufgabe von Daten-Verschlüsselungsverfahren.

Zwei der heute wichtigsten Verschlüsselungsmethoden sind die sogenannte Elliptic Curve Cryptography (ECC) und die RSA-Verschlüsselung: Erstere schützt so wichtige Dinge des Alltags wie E-Card, Bankomatkarten und Reisepässe; die Zweite sichert unsere tägliche Internet- und Telefon-Kommunikation und kommt in der Email-Verschlüsselung sowie im Electronic Banking zum Einsatz.

Jahrhunderte altes Problem der Mathematik


"Beide Verschlüsselungsmethoden beruhen auf gleichsam tiefliegenden wie faszinierenden Erkenntnissen der Zahlentheorie: ECC nützt die Komplexität rationaler Punkte unendlicher Ordnung auf elliptischen Kurven; RSA basiert auf einem der größten ungelösten Geheimnisse der Mathematik überhaupt, der Verteilung der Primzahlen", erklärt Harald Grobner.

Harald Grobner, 1980 in Neunkirchen geboren, forscht an der Fakultät für Mathematik der Universität Wien und leitet das FWF-Projekt "Rationalität von L-Werten für innere Formen von GL(n)". 2008 promovierte er sub auspiciis an der Universität Wien und war anschließend Forschungsassistent am Max-Planck-Institut für Mathematik (Bonn) und am Erwin-Schrödinger-Institut für Mathematische Physik (Wien). Von 2010 bis 2013 forschte er im Rahmen des FWF-Erwin-Schrödinger-Programms an der Oklahoma State University (USA), am Max-Planck-Institut für Mathematik (Bonn) und am Institut de mathématiques de Jussieu (Paris). Den START-Preis erhält er für sein Projekt "Spezielle L-Werte und p-adische L-Funktionen".

Diese beiden mathematischen Strukturen zu verstehen und zu beschreiben, sei ein Jahrhunderte altes Problem der Mathematik: "Die moderne Zahlentheorie weiß, dass gewisse hochkomplexe Funktionen – sogenannte L-Funktionen – die Beschreibung eben dieser beiden Strukturen 'kodieren'. Diese L-Funktionen zu verstehen ist das vielleicht größte Ziel der modernen zahlentheoretischen Forschung", so der begeisterte Forscher.

Das geheimnisvolle Verhalten von L-Funktionen


Im START-Projekt wollen sich Grobner und sein Team auf "innovative und mutige Weise" einigen jener großen Herausforderungen widmen, welche die Erforschung von L-Funktionen in ihren Grundlagen darstellt. Das ambitionierte Ziel der wissenschaftlichen Fragestellungen, die auf neuen Erkenntnissen des Projektleiters und seines Teams basieren, sei nichts minder als ein Durchbruch in der internationalen, zahlentheoretischen Forschung.

"Das geheimnisvolle Verhalten von L-Funktionen ist in mehreren berühmten Vermutungen der Zahlentheorie dargelegt", so Harald Grobner: "Das START-Projekt hat zum Ziel, einige dieser Vermutungen einem konzeptuellen, weitreichenden Verständnis zuzuführen und so mit Innovation und Pioniergeist grundlagenwissenschaftliches Neuland zu beschreiten." (FWF/red)

Vier START-Preise für die Universität Wien
Vier hochdotierte "START"-Forschungsförderungen 2016 gehen an die Universität Wien, zwei davon an die Fakultät für Mathematik. Ausgezeichnet werden der Chromosomenbiologe Christopher Campbell (MFPL), die Mathematiker Michael Eichmair und Harald Grobner und der Quantenphysiker Nikolai Kiesel.
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