Geldgeschichten aus Jerusalem
| 13. Dezember 2013Am 1. Adventsonntag fand als Auftakt einer einwöchigen Jerusalem-Exkursion des Instituts für Numismatik und Geldgeschichte der Universität Wien das bilaterale "Jerusalem-Vienna Seminar: Currents in Numismatic Research" am Österreichischen Hospiz statt. Ein Nachbericht.
Das berühmte Hospiz an der Via Dolorosa, das heuer sein 150-jähriges Bestehen feiert, unterstützt seit vielen Jahren in großzügiger Weise fachspezifische Lehrveranstaltungen der Universität Wien. Das "Jerusalem-Vienna Seminar" bildete gleichsam den wissenschaftlich-akademischen Abschluss dieses Jubiläumsjahrs. Die Veranstaltung führte hochrangige akademische Institutionen zusammen: neben der Universität Wien auch die Hebräische Universität Jerusalem, die al-Quds-Universität und die Universität Haifa sowie das Israel-Museum Jerusalem, die Israelische Numismatische Gesellschaft und die Israelische Antikenbehörde.
Die Zukunft der Numismatik
Das Seminar hatte palästinische und insbesondere auch jüdische Münzprägungen im Kontext der antiken paganen Münzprägungen zum Thema und bot auch einen Ausblick auf die mittelalterlichen palästinischen Münzprägungen. In seinem Einleitungsvortrag analysierte Friedrich Schipper – der das Seminar gemeinsam mit Anne Lykke vom Institut für Numismatik und Geldgeschichte und in Zusammenarbeit mit Institutsvorstand Reinhard Wolters organisiert hat – aktuelle Trends in der Numismatik. Er stellte ein Auseinanderdriften der hochspezialisierten Fachdisziplin und der anderen kulturhistorischen Disziplinen – wie z.B. der Biblischen Archäologie, der Bibelwissenschaft insgesamt oder der Judaistik – fest und problematisierte die Konsequenzen dieser Entwicklung.
Israelisch-palästinensisch-österreichischer Austausch
Beim "Jerusalem-Vienna Seminar" trafen sich zum ersten Mal seit vielen Jahren auch israelische und palästinensische WissenschafterInnen zum akademischen Austausch, denen das Österreichische Hospiz einen neutralen Boden für die Begegnung bot. So konnten vom Institut für Archäologie der al-Quds-Universität dessen Vorstand, Ibrahim Abu Aemar sowie Salah al-Houdelieh und Marwan Abu Khalaf willkommen geheißen werden; Abu Khalaf stellte im Rahmen des Seminars erstmals die numismatischen Ergebnisse der palästinensischen Ausgrabungen von Khirbat Shweikeh vor.
Ein Überblick über aktuelle Forschungsthemen der Numismatik
Im Hospiz tauschten Gil Gambash von der Universität Haifa, Hannah Cotton von der Hebräischen Universität Jerusalem, Haim Gitler vom Israel Museum Jerusalem sowie Reinhard Wolters von der Universität Wien ihre durchaus unterschiedlichen Meinungen zu den historischen Konsequenzen des Aureus aus. Haim Gitler stellte auch seine Forschungen zu den ältesten Münzen Palästinas vor. Robert Kool von der Israelischen Antikenbehörde bot einen Überblick zur mittelalterlichen Numismatik in Palästina mit Querverweisen auf laufende Forschungsprojekte und den aktuellen Forschungsstand. Dabei ging er auch auf den numismatischen Befund der archäologischen Ausgrabungen im Bereich des Österreichischen Hospizes ein, insbesondere auf den Billon Denier von Balduin III., der 1143 bis 1162 König von Jerusalem war.
Achim Lichtenberger, Sprecher des Zentrums für Mittelmeerstudien an der Ruhr-Universität Bochum und derzeit Gastwissenschafter am Institute for Advanced Studies der Hebräischen Universität Jerusalem, stellte seine vergleichenden Forschungen zur Ikonographie auf antiken jüdischen Münzen vor. Auf die Darstellung des Helmes auf den Münzen von Herodes dem Großen konzentrierte sich Donald Ariel, leitender Kurator der numismatischen Abteilung der Israelischen Antikenbehörde. Robert Deutsch präsentierte einen Überblick seiner Forschungen über die Münzen des 1. Jüdischen Kriegs gegen Rom. Rachel Barkay, leitende Kuratorin des Geldmuseums der Israelischen Nationalbank, referierte über den neuen Forschungsstand in der nabatäischen Numismatik. Und Nitzan Amitai-Preiss von der Hebräischen Universität Jerusalem schloss die Tagung mit einem Beitrag über umayyadische Münzprägung ab.
Insgesamt referierten 18 WissenschafterInnen aus Österreich, Israel und Palästina. Dabei präsentierten auch vier Wiener DoktorandInnen des Instituts für Numismatik und Geldgeschichte ihre Dissertationsprojekte: Andrea J. Casoli sprach über "Coinage(s) of Nero. Need for New Perspectives?", Mareike Tonisch über "The Diversity of Values on Latin Inscriptions", Marc Wahl über "Arethusa outside Sicily? About the Migration of a Coin Motif in the Late 5th Century BCE“ und Martin Ziegert über "A systematized view on the coinage of Vespasian".
Anne Lykke stellte bei dieser Gelegenheit zum ersten Mal ihr interdisziplinäres numismatisches Habilitationsprojekt "Sanctuaries as Monetary Centres in the Ancient Greek World" einem internationalen Fachpublikum vor. Drei Tage später erhielt Lykke den Zuschlag für ein Hertha-Firnberg-Stipendium des FWF, das am Institut für Numismatik und Geldgeschichte angesiedelt und von Reinhard Wolters als Mitantragsteller mitbetreut wird. Auslandsaufenthalte werden Anne Lykke darüber hinaus an die Brown University in Providence, Rhode Island, und an die American Numismatic Society in New York führen.
Die anschließende Exkursion führte zu den numismatischen Sammlungen, den archäologischen Ausgrabungen und kulturellen und religiösen Stätten in Jerusalem, an der insgesamt 18 Studierende und drei Lehrende der Universität Wien teilnahmen.
Ausstellung im KHM in Planung
Seminar und Exkursion stehen in unmittelbarem Zusammenhang mit einem numismatischen Ausstellungsprojekt, das jüdische Münzen aus dem Israel-Museum Jerusalem gemeinsam mit Münzen aus dem Münzkabinett des Kunsthistorischen Museums Wien ab Frühjahr 2015 im Kunsthistorischen Museum Wien präsentieren soll. Es ist dies die erste Ausstellungskooperation dieser Art der beiden höchst renommierten Museen. Initiative und Konzept zu dieser Ausstellung gehen auf die Initiative von Anne Lykke und Friedrich Schipper zurück, die damit ihre langjährigen und intensiven Kontakte zur Archäologie und Numismatik Israels fruchtbar machen. Das Institut für Numismatik und Geldgeschichte der Universität Wien wird die Ausstellung wissenschaftlich begleiten. (red)