Geduldig wie ein Elefant
| 18. August 2015Mit Elefanten arbeiten heißt für unsere FeldforscherInnen in Südafrika derzeit vor allem eines: sich in Geduld üben. Im aktuellen Bericht lernen wir außerdem den testosterongeplagten Bullen "Torn Ear" kennen und bekommen den Elefantenlaut "Rumble" zu hören.
Der Nationalpark, in dem wir forschen, heißt zwar "Addo Elephant National Park" – das ist aber noch keine Garantie dafür, dass man hier auf Schritt und Tritt auf einen alleine herumziehenden Elefantenbullen trifft. Wir stoßen zwar immer wieder auf eine Herde oder ein Paar Bullen, aber Männchen in Gesellschaft eignen sich nicht für unsere Versuche. Die Anwesenheit von Artgenossen stört möglicherweise das Verhalten des Tiers.
Haben wir endlich einen einzelnen Bullen entdeckt – und es sind keine anderen Elefanten in Sicht –, dann stehen wir meist schon vor der nächsten Herausforderung: Wie nähern wir uns dem Tier am besten? Denn oft versperren uns Buschwald und fehlende Sandstraßen den Weg. Die Devise lautet also: abwarten!
Nicht selten verbringen wir gute zwei Stunden bei einem Bullen – in der Hoffnung, dass er sich uns nähert und nicht in die entgegengesetzte Richtung abwandert. Alle paar Minuten überprüfen wir mit unseren Ferngläsern, ob er seine Position geändert hat, und wenn ja, in welche Richtung er sich tendenziell bewegt. Über Funk werden Verhaltensbeobachtungen ausgetauscht. Timing ist alles!
Schlecht für unsere Experimente ist auch starker Gegenwind: Er bläst die Schallwellen Richtung Lautsprecher zurück und unsere Playback-Stimuli sind weniger gut zu hören. Indirekt sind auch die ParkbesucherInnen ein großes Problem für uns: Vielen ist zwar bekannt, dass Elefanten im Infraschall-Bereich kommunizieren können. Aber nur die wenigsten wissen, dass sich die Motorengeräusche ihrer Autos ebenfalls in den tieferen Frequenzbereichen befinden und mit Elefantenlauten überlagern können – und folglich auch mit unseren Playback-Stimuli. Das kann dazu führen, dass nicht sämtliche Informationen, die wir per Subwoofer ausschicken, auch zu den Elefanten gelangen.
Im Detail gestaltet sich diese Geduldsprobe ungefähr so: Beobachtungs- und Abspielwagen befinden sich in idealer Position, es ist windstill, das Team-Mitglied im Abspielwagen ist bereit auf "Play" zu drücken. Doch plötzlich sind Motorengeräusche zu hören, und bald auch deren Verursacher zu sehen: fünf Autos, sie sich uns nähern.
Vor lauter Neugier auf unseren überdimensionalen Lautsprecher übersehen die ParkbesucherInnen die Magnetschilder auf unseren Autos, auf denen die Bitte zu lesen ist, freundlicherweise die Motoren abzustellen. Mit Handzeichen versuchen wir, die FahrerInnen darauf aufmerksam zu machen, aber in der Regel muss der Beobachtungswagen seine Position verlassen und Aufklärungsarbeit leisten. Derweil hoffen wir, dass der Elefant nicht weiterzieht – ein Wettlauf gegen die Zeit!
Ab und an und kommt es natürlich vor, dass uns ein einzelgängerisches Elefanten-Männchen mehrmals begegnet – wie z.B. der Musth-Bulle "Torn Ear" (Zerrissenes Ohr). "Musth" beschreibt eine physiologische Veränderung bei Elefantenbullen und wird oft in Zusammenhang mit Fortpflanzung gebracht. Jedoch können Elefantenbullen, die sich nicht in Musth befinden, sich ebenfalls paaren. Befindet sich ein Bulle allerdings in Musth, ist sein Testosteronspiegel auf das etwa Zwanzigfache des Normalwerts angestiegen. Äußerliche Merkmale sind der übermäßige Ausfluss eines dickflüssigen Sekrets aus den Schläfendrüsen und ein streng riechender, tröpfelnder Urin. In diesem Zustand werden Elefanten-Männchen als sehr aggressiv eingestuft.
Der häufigste Elefantenlaut ist der sogenannte "Rumble":
Der Rumble kann je nach Verhaltenskontext variieren; beispielsweise produzieren Elefantenbullen in Musth einen für diese Phase typischen Rumble. Da Musth ein Zustand ist, der in unregelmäßigen, unvorhersehbaren Abständen auftritt, stellen Tonaufnahmen der sogenannten "Musth-Rumbles" eine besondere Herausforderung dar. Erschwerend kommt hinzu, dass adulte Männchen weitaus weniger vokalisieren als Weibchen.
Die Phonetik eines Musth-Rumbles ähnelt interessanterweise der eines startenden Automotors. Da selbst in der Elefantenforschung der Kreativität keine Grenzen gesetzt sind, spielten wir dem Bullen "Torn Ear" in der späten Abenddämmerung solche Startgeräusche vor – vielleicht können wir ihn damit ja motivieren, selbst Musth-Rumbles von sich zu geben.
In der Akustik lassen sich akustische Signale visuell mittels Spektrogramm darstellen. In diesem Spektrogramm (Grafik oben) stellen wir den Musth-Rumble eines Afrikanischen Elefantenbullen (links) und ein Startgeräusch eines Motors (rechts) gegen, um die erkennbare Ähnlichkeit in der Struktur zu veranschaulichen.
Aber unser empirischer Versuch löst weder ein aggressives Verhalten noch Musth-Rumbles aus. Der Bulle zeigt jedoch definitiv Interesse am Abspielwagen und folgt diesem im Schritttempo. Aber da wir das Tageslicht nicht auf unserer Seite haben, beschließen wir, für diesmal Feierabend zu machen. Unsere weiteren Begegnungen mit "Torn Ear" verlaufen zwar reibungslos, wir erhalten jedoch neugierige Blicke. Aufgrund seiner häufigen Annäherungsversuche ist uns nun klar, dass ihm unser erstes Zusammentreffen in Erinnerung geblieben ist. Fortsetzung folgt ...
Das FWF-Projekt "Formantenvariationen und deren adaptive Relevanz bei Elefantenlauten" unter der Leitung von Dr. Angela Stöger-Horwath und Projektmitarbeit von Mag. Anton Baotic vom Department für Kognitionsbiologie der Universität Wien läuft seit März 2014 bis Februar 2017. Über ihre Feldarbeit im Addo Elephant National Park in Südafrika im August 2015 berichten die ForscherInnen wöchentlich im uni:view-Dossier "Feldnotizen aus Südafrika".