Eine "grüne" Logistik für Wien

Der Verkehr in Wien steigt – und mit ihm die Lärm- und Schadstoffbelastung. "Green City Hubs" sollen ermöglichen, alternative Fahrzeuge in die städtische Belieferung zu integrieren. Betriebswirt Karl F. Dörner von der Universität Wien spricht über das "grüne" Logistikprojekt der Zukunft.

Die Europäische Union fordert bis 2030 die Umsetzung einer CO2-freien Stadtlogistik. Für eine Millionenstadt wie Wien, die auf Warenbelieferung angewiesen ist, stellt das ambitionierte Ziel der Union eine große Herausforderung dar. Doch das Team rund um Karl F. Dörner vom Institut für Betriebswirtschaftslehre der Universität Wien ist mit seinem Projekt "Green City Hubs" auf dem richtigen Weg: "Wir wollen mehr Elektromobilität in die City einbringen."

Vom "Green City Hub" zum Zielort

"Elektrofahrzeuge können – im Vergleich zum klassischen Transportfahrzeug – nicht so schwer beladen werden, im Schnitt nur mit 400 bis 500 Kilogramm Ware. Auch ist die Reichweite nicht so groß: Nach einer gewissen Kilometeranzahl muss das Fahrzeug an die Stromversorgung angeschlossen werden", problematisiert Karl F. Dörner den Einsatz alternativer Antriebssysteme. Die Lösung dafür können "Green City Hubs" sein, Umschlagsorte mitten in der Stadt: "Ein größeres Fahrzeug kommt zum City Hub, wo die Ware auf mehrere kleine Elektrofahrzeuge umverteilt wird, die sie dann direkt zum Zielort befördern."

Ein Projekt – drei Ziele

"Auf diese Weise werden die Zustelltouren kürzer und können problemlos von Elektrofahrzeugen bewältigt werden. Anrainer sind weniger durch Lärm belästigt, Kosten werden eingespart und der Schadstoffausstoß reduziert", erklärt der Logistiker die Vorteile der "Green City Hubs". Das Projekt setzt damit auf gleich drei Ebenen an: Neben den klassischen kostenorientierten Zielen werden auch soziale und umweltorientierte Anliegen berücksichtigt.



Wiener Neustadt, Schwechat oder Stockerau: Die großen Anlieferzentren befinden sich außerhalb Wiens und jeder Logistikdienstleister fährt in die Stadt hinein: "Es gibt zwar einige Branchen, in denen ganz gut gebündelt wird, z.B. in der Lebensmittelindustrie, aber andere, etwa Baufirmen, werden nach wie vor mit einzelnen Lieferungen versorgt", erklärt Dörner und fordert: "In Zukunft wollen wir keine leeren LKWs mehr in die Stadt lassen." (Foto: B. Pierkarz, i-LOG)



Raum und Umdenken

Das interdisziplinäre ForscherInnenteam ist gerade dabei, den Ist-Zustand zu analysieren und potenzielle Standorte in Wien zu sichten. "Es bedarf keiner großen Flächen, es reichen schon ein Parkplatz mit Auffahrrampe oder kleinere Docks vorhandener Logistikdienstleister aus – und die Bereitschaft, umzudenken", so Dörner.

Am Institut für Betriebswirtschaftslehre planen und bauen Dörner und sein Team Optimierungsverfahren. Dafür verwenden sie hauptsächlich sogenannte matheuristische Konzepte und arbeiten mit Näherungswerten: "Wir werden wohl nicht das Optimum finden, aber hoffentlich sehr gute Lösungen", so Dörner zuversichtlich.


Mit den "Green City Hubs" soll nun eine nachhaltige Zustelllogistik möglich werden: Von innerstädtischen Umschlagsplätzen aus beliefern Elektrofahrzeuge in kleinen Routen die Empfänger. "So können wir Lärm, Kosten und Schadstoffausstoß reduzieren", erklärt Dörner. (Foto: B. Pierkarz, i-LOG)



"Smart City" – und ihre Umsetzung

In ihrem Projekt planen die WissenschafterInnen des Instituts für Betriebswirtschaftslehre der Universität Wien den Verkehr im Sinne der "Smart City." Unter diesem Begriff werden Entwicklungskonzepte zusammengefasst, die zum Ziel haben, die Stadt technologisch fortschrittlich, energieeffizient und ressourcenschonend zu gestalten: "Die Strategien rund um die 'Smart City' betreffen nicht nur Logistik, auch Vertrieb mit dem Lastenfahrrad oder Urban Gardening auf Dachterrassen sind 'smarte' Formen des Stadtlebens", erklärt Dörner.

Doch was könnte der Umsetzung der "Green City Hubs" im Weg stehen? "Das größte Problem werden wohl die Kosten sein; ein neues Distributionssystem aufzubauen kostet Geld. Freiwillig werden die meisten Logistikfirmen nicht auf Elektrofahrzeuge umsteigen", meint der Betriebswirt: "Langfristig muss man sich daher die Frage stellen, ob ein Eingreifen der Politik – wie in anderen Städten schon durch City Maut oder Pickerl – nötig ist, damit 'grüne' Ziele umgesetzt werden."

Mit Theorie und Praxis

In ihrer Forschung arbeiten Dörner und sein Team eng mit der Industrie zusammen. Auch im aktuellen Projekt ist eine Firma Konsortialführer des Projektes: die i-LOG, eine Subfirma der oberösterreichischen Schachinger Logistik, die 2004 mit dem Landespreis für Umwelt und Natur ausgezeichnet wurde.

"Die Mischung aus Theorie und Praxis hat sich als äußerst fruchtbar erwiesen", erzählt Dörner. Aus dieser Überzeugung heraus hat er auch ein Christian Doppler Labor an das Institut für Betriebswirtschaftslehre gebracht: Eine eigens eingerichtete Forschungseinheit mit fixen Laufzeiten, in denen anwendungsorientierte Grundlagenforschung betrieben wird.


CD-Labor für Effiziente intermodale Transportsteuerung
Die Christian Doppler Forschungsgesellschaft fördert die Kooperation von Wissenschaft und Wirtschaft und stellt "Christian Doppler Labore (CDL)" an Universitäten und außeruniversitären Forschungseinrichtungen zur Verfügung. Im Rahmen eines CDL forschen Karl F. Dörner und sein Team seit Februar 2013 an der effizienten intermodalen Transportsteuerung von Gütern und Personen. Dabei werden insbesondere die Aspekte der mehrfachen Zielsetzung (Kosten versus Kundenzufriedenheit bzw. Umweltbelastung) analysiert und Strategien im Störungsmanagement von intermodalen Lieferketten entwickelt. Die Industriepartner dieses Christian-Doppler-Labors sind die Industrie Logistik Linz und die Wiener Linien. Das Christian-Doppler-Labor ist im September 2014 von der Johannes Kepler Universität Linz an die Universität Wien im Zuge der Berufung von Karl F. Dörner mitübersiedelt.



"Als wäre ich nie weg gewesen"

Karl F. Dörner ist seit Oktober 2014 an der Universität Wien. Der Burgenländer hat hier promoviert und sich 2007 habilitiert, war dann bei der Salzburg Research Forschungsgesellschaft tätig, hatte eine Vertretungsprofessur an der Universität Hamburg und war zuletzt Institutsvorstand am Institut für Produktions- und Logistikmanagement an der Johannes Kepler Universität Linz. "Zurück an der Universität Wien ist es nach nunmehr doch sieben Jahren aber so, als wäre ich nie weg gewesen. Viele Wiener KollegInnen habe ich wieder getroffen – nur unsere Institutsräumlichkeiten am neuen Standort Oskar-Morgenstern-Platz sind viel schöner", lacht Dörner. (hm)

Das Projekt "Green City Hubs – Konzeptionierung einer Last-Mile Zustelllogistik mit mehreren Hubs sowie alternativer Fahrzeug- bzw. Antriebstechnik" von Univ.-Prof. Dr. Karl F. Dörner vom Institut für Betriebswirtschaftslehre der Universität Wien, mit dem Konsortialführer i-LOG Integrated Logistics GmbH, dem Institut für Fahrzeugantriebe & Automobiltechnik der TU Wien, tbw research GesmbH sowie SATIAMO GmbH, läuft seit Oktober 2014 bis März 2016 und wird von der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) gefördert.