Die Kunst, Konflikte zu lösen

Konflikte sind im Arbeitsalltag unvermeidlich. Mediation hilft Arbeitgeber- und -nehmerInnen dabei, langwierige Gerichtsverfahren zu vermeiden. Welche Erfolgsfaktoren hierbei eine Rolle spielen, untersucht der Arbeitsrechtler Martin Risak im Vergleich zwischen Österreich und Neuseeland.

"Durch Mediation kann in Konfliktfällen schnell und kosteneffizient eine gemeinsame Lösung gefunden werden – und zwar auf Basis eines Verfahren, das den Bedürfnissen des Einzelfalls angepasst ist", fasst Martin Risak die Vorteile der außergerichtlichen Streitbeilegung zusammen. Dieses Prinzip ist keinesfalls neu: "Schon seit jeher traten Stammesälteste, Priester oder Landherren als Mediatoren auf, um bei Streitigkeiten zu vermitteln", weiß der Jurist. Heute wird diese Methode in der Praxis des Arbeitsrechts jedoch kaum mehr eingesetzt. "In Europa steckt dieser Bereich noch in den Kinderschuhen. Die EU ist allerdings sehr daran interessiert, die Entwicklung voranzutreiben", so Risak, dessen im Februar 2012 abgeschlossenes Forschungsvorhaben im Rahmen eines Marie Curie Fellowships der EU-Kommission gefördert wurde.

Von Neuseeland lernen


Ziel des Projekts war es, Erfolgsfaktoren für das Funktionieren von Mediation zur Lösung von Rechtsstreitigkeiten zwischen ArbeitnehmerInnen und ArbeitgeberInnen zu erarbeiten. Hierfür hat der Wissenschafter in einer ersten Phase ("outgoing phase") die rechtliche und faktische Situation in einem Land untersucht, in dem derartige Methoden schon seit langem erfolgreich eingesetzt werden. "Neuseeland ist einer der wenigen Staaten weltweit, der arbeitsrechtlichen Gerichtsverfahren ein obligatorisches Mediationsverfahren vorgeschaltet hat und jahrzehntelange praktische Erfahrung in diesem Bereich besitzt", erklärt Risak.

Knapp ein Jahr lang hat der Experte in Kooperation mit dem Department of Management der University of Otago vor Ort das neuseeländische Modell studiert, statistisches Material über Fälle analysiert und Interviews mit betroffenen Parteien und Mediatoren geführt. In einem nächsten Schritt ("return phase") ging es dann darum, aus den gewonnenen internationalen Erfahrungen Empfehlungen für das österreichische Arbeitsrecht abzuleiten. Letztendliches Ziel: die Vorlage eines Maßnahmenpakets, die allgemeine Akzeptanz von Mediation als alternativen Lösungsweg im Arbeitsrecht in Österreich zu steigern.


Die University of Otago befindet sich in der Stadt Dunedin und gilt als die älteste und forschungsintensivste Universität Neuseelands. Das dortige Department of Management ist eine international anerkannte Forschungseinrichtung im Bereich der Arbeitsbeziehungen. (Foto: wikimedia commons)


Was können wir also hierzulande von dem neuseeländischen Beispiel lernen? "Ohne eine massive Beteiligung vor allem des Staates, aber auch der sonstigen wichtigen Akteure im Arbeitsleben, den Sozialpartnern, ändert sich an den hergebrachten Konfliktlösungsmechanismen wenig bis gar nichts. Weiters steigert ein pragmatischer, nicht zu sehr von Ideologien überlasteter Zugang die Akzeptanz dieser alternativen Form der Konfliktlösung vor allem bei den Arbeitgebern", resümiert der Rechtsexperte.

Situation in Österreich

Wie stellt sich die gegenwärtige Situation in Österreich dar? "Es gibt bei uns zwar viele Menschen, die über eine Ausbildung als Mediator verfügen. Mediationslösungen sind aber nur in einigen wenigen Nischen, wie etwa dem Familienrecht, etabliert", fasst Risak zusammen. Im Arbeitsrecht sehe es hingegen ganz anders aus: "Der übliche Konfliktlösungsmechanismus ist hier kein individueller. Wenn ein Arbeitnehmer ein arbeitsrechtliches Problem hat, wendet er sich an den Betriebsrat oder die Arbeiterkammer. Der Konflikt wird also quasi kollektiviert und starken Institutionen überlassen, die uns schützen sollen", schildert der Jurist die Lage.

Wesentlich für eine Änderung dieser Situation sei insbesondere die Einbindung der institutionellen Akteure der Arbeitsbeziehungen – wie etwa der Sozialpartner. "Sollte dies erfolgreich sein, wird es zu einer nicht unbedeutenden kulturellen Veränderung im Umgang mit arbeitsrechtlichen Konflikten kommen: weg von der bisher rechtlich angelegten Kollektivierung des Konflikts hin zu einer Individualisierung – eine Tendenz, die auch international zu beobachten ist", betont Risak. "Ich bin selbst mit einem eher pragmatischen Zugang zu diesem Thema gekommen, mittlerweile aber fest davon überzeugt, dass Mediation ein sehr guter Ansatz für das Arbeitsrecht ist." (ms)

Das von der EU-Kommission geförderte Projekt "Mediation of Employment Rights Disputes" von Ao. Univ.-Prof. Mag. Dr. Martin Risak, ehemaliger Marie Curie Fellow am Institut für Arbeits- und Sozialrecht, lief vom 1. März 2010 bis zum 29. Februar 2012. Projektpartner war das Department of Management der University of Otago in Neuseeland.