Da, wo Valium wirkt

Ein Team der Universität Wien konnte in Zusammenarbeit mit der MedUni Wien und der Freien Universität Amsterdam eine Computermethode entwickeln, die die 3D-Struktur jener Bindestelle beschreibt, an der Diazepam – sprich Valium – wirkt. Die Ergebnisse erschienen im Journal "Nature Chemical Biology".

Die Funktion des Gehirns beruht auf einer Balance zwischen erregenden und hemmenden Signalen. Der wichtigste hemmende Neurotransmitter im Gehirn ist GABA (gamma-Aminobuttersäure), dessen Wirkung hauptsächlich von GABA-A-Rezeptoren vermittelt wird. Durch diese Rezeptoren besitzt das Gehirn quasi ein eigenes Bremssystem. Benzodiazepine – z.B. Diazepam (Valium) – sind eine Gruppe von Arzneistoffen, die zur Behandlung von Schlafstörungen und Angsterkrankungen sowie als Beruhigungsmittel und als Mittel gegen epileptische Anfälle eingesetzt werden. Benzodiazepine binden selektiv an eine eigene Bindungsstelle auf den GABA-A-Rezeptoren und verstärken dadurch die hemmende Wirkung von GABA.



Die Abbildung erläutert die Bindungsstelle von Valium  im α1/γ2-Interface des GABA-A Rezeptors.



Publikation in Nature


In Kooperation mit dem Hirnforschungszentrum der Medizinischen Universität Wien konnten nun Lars Richter von der Arbeitsgruppe für Pharmakoinformatik am Department für Medizinische/Pharmazeutische Chemie und Margot Ernst (MedUni Wien) aus tausenden 3D-Computermodellen erstmals die genau passenden für die Struktur dieser Bindungsstelle auswählen. Unterstützt wurde das Projekt von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften mit einem Stipendium an Lars Richter im Rahmen des DOC-Programms.  

Das neue Modell eröffnet nun die Möglichkeit zur Entwicklung neuer Medikamente, die noch gezielter wirken als Valium – und ohne die ungewollten Nebenwirkungen. Nach umfangreicher experimenteller Validierung wurden in Zusammenarbeit mit der Freien Universität Amsterdam auch neue Substanzen identifiziert, die chemisch nicht mit Benzodiazepinen oder anderen bekannten Stoffen, die an dieser Bindungsstelle wirken, verwandt sind. Die Arbeit wurde im Fachjournal Nature Chemical Biology veröffentlicht. 



Das Bild zeigt die Orientierung von Valium im α1/γ2-Interface, die im Rahmen des Forschungsvorhabens aufgeklärt wurde.



Pharmakoinformatik an der Universität Wien


Die Arbeitsgruppe für Pharmakoinformatik wurde 2005 als Emerging Field an der Fakultät für Lebenswissenschaften gegründet. Unter der Leitung von Gerhard Ecker beschäftigen sich die 15 MitarbeiterInnen mit der Entwicklung neuer Computermethoden zur Identifizierung biologisch aktiver Verbindungen, der Vorhersage von Nebenwirkungen und der semantischen Integration von Datenbanken. Neben klassischen Methoden des Computer-Aided Drug Designs gelangen hierbei auch Algorithmen aus dem Bereich der künstlichen Intelligenz zum Einsatz. (red)

Das Paper "Diazepam-bound GABAA receptor models identify new benzodiazepine binding-site ligands" (AutorInnen: L. Richter, C. de Graaf, W. Sieghart, Z. Varagic, M. Mörzinger, I. de Esch, G. Ecker, M. Ernst) erschien im Journal "Nature Chemical Biology".

Die Forschung fand im Rahmen des EU-Projekts "NeuroCypres" in Zusammenarbeit zwischen der Medizinischen Universität Wien, der Universität Wien sowie der Freien Universität Amsterdam statt. Unterstützt wurde das Projekt vom Wissenschaftsfonds FWF, der EU sowie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW).