Blutsauger mit Geschichte

Lange bevor sich Vampire in der modernen Populärkultur festgebissen haben, übten die Blutsauger schon Faszination auf weite Bevölkerungsschichten aus. Wie man sich im Habsburgerreich mit Vampirismus auseinandersetzte, das interessiert den Historiker Christoph Augustynowicz.

Christoph Augustynowicz vom Institut für Osteuropäische Geschichte befasst sich vor allem mit Stereotypen und "Bildern des östlichen Europa in der westlichen Wahrnehmung". Dabei geht es um die Analyse der "Bilder von Rückständigkeit oder vormodernen Verhältnissen, die in diesen Raum projiziert wurden. "Gerade geografische Randräume sind Orte, wohin man das Monströse verortet", erklärt der Historiker.

Vampire in der Steiermark?

Dass solche Randräume allerdings meistens ein Produkt der Perspektive sind, zeigt sich darin, dass der Autor des bekannten Romans "Dracula", Bram Stoker, die Handlung des Buches ursprünglich in der Oststeiermark ansiedeln wollte. In den 1890er Jahren sei dann allerdings Transsylvanien in den medialen Blickpunkt gerückt, erklärt Augustynowicz: "Das hat Stoker dazu bewegt, auf diesen Zug aufzuspringen. Einige frühe Vampirerzählungen spielen aber tatsächlich in der Steiermark. Darin zeigt sich auch, dass Österreich auch damals schon die 'Naht zwischen Westen und Osten' dargestellt hat."


In Koproduktion mit Ursula Reber vom Institut für Germanistik hat Christoph Augustynowicz das Buch "Vampirglaube und magia posthuma im Diskurs der Habsburgermonarchie" herausgegeben.



Wirtschaftliche und gesellschaftliche Rückständigkeit

Augustynowicz hat sich für seine wissenschaftlichen Analysen in ausgewählte Texte vertieft und auch die Häufigkeiten gewisser Worte, die mit Vampirismus in Zusammenhang stehen, dokumentiert. Dabei zeigte sich, dass es eine "Stereotypisierung des Ostens als Raum der Vampire" gegeben hat. Vampirismus stand "sehr stark für wirtschaftliche und gesellschaftliche Rückständigkeit" und für die Resistenz gegenüber tiefgreifenden Veränderungen und Modernisierungen im 19. Jahrhundert. Das "Befangensein in einer vormodernen Lebenswelt" sei über den Vampirismus als "Vorwurf des Westens an den Osten" gerichtet worden. Auch Juden und Vampire wurden damals mehrfach miteinander in Bezug gesetzt.


Die Diskussion sei im 18. und 19. Jahrhundert auch sehr unterschiedlich abgelaufen, so der Historiker weiter: "Im 18. Jahrhundert hat es tatsächlich eine wissenschaftliche Diskussion darüber gegeben, ob es 'wiederkehrende Tote' gibt. Diese Debatte fand allerdings in einem kleinen Kreis statt und wurde ab der späten Mitte des Jahrhunderts von Gelehrten mit einem klaren 'Nein' beantwortet." Zentren der Diskussion waren die Städte der großen Verlage wie Wien, Leipzig, Paris oder London. Von dort aus verbreitete sich der Diskurs aber schon Ende des 18. Jahrhunderts in den "neuen Medien" der damaligen Zeit.


Die Rolle des Verführers


Im 19. Jahrhundert sei dann klar gewesen, dass es sich hier um Fiktion handelt. Zu dieser Zeit veränderte sich auch das Bild des Vampirs hin zur literarischen Figur des Verführers, des Gentlemans oder des Dandys, wogegen im 18. Jahrhundert noch das Bild des "monströsen" Vampirs vorherrschte. "Auch der Akt des Trinkens von Blut oder die Fangzähne waren vor 1800 noch tabu und wurden erst später explizit thematisiert. Große Verbreitung fand die Thematik dann auch über Groschenromane, die für damalige Verhältnisse hohe Auflagen erreichten", erklärt Augustynowicz.

Von Twilight zu True Blood

In weiterer Folge entwickelte sich der Vampir auch zur prägenden Figur des modernen Mediums Film. "Das ist er im Hinblick auf moderne filmische Umsetzungen, wie etwa in der aktuellen 'Twilight'-Filmreihe, bis heute auch geblieben", so der Forscher weiter. Die Anzahl einschlägiger Filmproduktionen ist weltweit äußerst umfangreich und spannt einen weiten Bogen von "edel bis trashig". Die Bearbeitung des Themas in der "Twilight"-Saga sieht  Augustynowicz aber etwas unkritischer als manche KollegInnen, die von einem "Tiefpunkt in der Vampirismuskultur" sprachen: "Ich denke mir, die Postmoderne hat so vieles gemischt, warum nicht einmal Vampirismus und Highschool-Drama." Auch die überaus erfolgreiche US-Serie "True Blood" schaut der Historiker "mit großem Vergnügen", da ihn daran u.a. das geballte Auftreten mythischer Figuren besonders interessiere.

Warum Vampire?

Gründe für die weltweite Sogwirkung des Themas sieht der Osteuropa-Experte darin, dass es existenzielle Zusammenhänge, wie die "Sehnsucht nach einem Leben nach dem Tod", berührt. Auch die Verbildlichung von repressiven Herrschafts- und Wirtschaftsformen könne damit gut dargestellt werden. Das Bild des wiederkehrenden Toten lehne sich möglicherweise auch an landwirtschaftliche Kreisläufe wie das alljährliche Erwachen des Lebens auf den Feldern an. "Da dieser Kreislauf das Leben in vielen Gesellschaften noch immer stark prägt, ist es denkbar, dass der Mythos in vielen Weltgegenden sozusagen 'auf fruchtbaren Boden' fällt." (APA/red)