Beim Gärtnern und Pipettieren die Artbildung erforschen

Die Botanikerin Carolin Anna Rebernig vom Department für Botanische Systematik und Evolutionsforschung untersucht in einem aktuellen Projekt Samen-Entwicklungsstörungen bei Pflanzenhybriden.

Carolin Anna Rebernig ist in einem bäuerlichen Umfeld aufgewachsen, in dem die Beschäftigung mit der Natur zum täglichen Leben gehörte. "Mein erstes Herbarium machte ich mit 10", erzählt sie. "Dass ich etwas mit Pflanzen machen wollte, war mir also schon relativ früh klar." Dass es allerdings dann in Richtung Artbildung, Evolutionsforschung und auch Genetik gehen würde, hat sich erst während des Studiums herauskristallisiert. Heute hat die Botanikerin ein Erwin-Schrödinger-Stipendium in der Tasche und erzählt im Folgenden über "Genetische Hybridisierungsbarrieren".

Die Kurzbeschreibung Ihres Projektes "Genetische Hybridisierungsbarrieren" beginnt mit dem Satz "Was ist eine Art?". Ja, was? Und was hat das mit Ihrem Erwin-Schrödinger-Stipendium zu tun?
Carolin Anna Rebernig: Mein Projekt beginnt mit "Was ist eine Art?", weil dieser Satz für mich als Botanikerin, die aus der taxonomisch-systematischen Richtung kommt, eine der Kernfragen meiner Arbeit ist, ich aber auch weiß, dass bis heute niemand eine klare Antwort auf diese Frage geben kann. Seit Jahrhunderten versuchen WissenschafterInnen Art-Konzepte zu erstellen und den Begriff Art zu definieren, aber das Ergebnis hängt natürlich sehr stark davon ab, mit welchem Organismus man arbeitet und aus welcher Forschungsrichtung man kommt. GenetikerInnen werden eine Art anders definieren als MorphologInnen, und BakteriologInnen anders als ZoologInnen.

In meinem Projekt geht es um sogenannte genetisch determinierte, postzygotische Hybridisierungsbarrieren – also Faktoren, die Bestäubung und Befruchtung passieren lassen. Der daraus resultierende Nachwuchs (der Hybride) ist aber nicht lebensfähig bzw. steril. Es handelt sich um eine Barriere, die nach der Befruchtung agiert – daher postzygotisch. Lapidar gesagt heißt das, dass die beiden Elternpflanzen sich in ihrer genetischen Ausstattung so unterscheiden, dass sie keinen Nachwuchs zeugen können. Wenn wir nun wieder zurückkommen auf die zuvor erwähnten Art-Konzepte, könnten wir sagen, dass Individuen, die aus irgendeinem Grund keinen Nachwuchs miteinander zeugen können, unterschiedlichen Arten angehören.


Carolin Anna Rebernig in einer Pflanzenwuchskammer mit Versuchspflanzen aus Oslo.


Der Tod des Pflanzennachwuchses

Ich untersuche in meinem Projekt ein Phänomen, das bei Pflanzen zur Abortion des Samens – also zum Tod des Nachwuchses – führt: ein Defekt in der Entwicklung des Endosperms. Das ist ein Gewebe im Samen, das – bevor der Same keimt – dafür verantwortlich ist, den Embryo zu ernähren. Es hat also die gleiche Aufgabe wie die Plazenta im Mutterleib. Entwickelt sich dieses Gewebe nun nicht richtig, stirbt der Same und damit natürlich auch der Embryo – also der Nachwuchs der beiden Elternpflanzen.

Dieses Phänomen wurde in mehreren Pflanzen-Paarungen beobachtet. In meinem Projekt arbeite ich mit jeweils zwei Arten aus zwei nah verwandten Gattungen. Nämlich Capsella rubella und Capsella grandiflora aus der Gattung Capsella und Arabidopsis lyrata und Arabidopsis arenosa aus der Gattung Arabidopsis. Mein Ziel ist es, nicht nur phänotypisch – also äußerlich – zu beschreiben, was bei den Kreuzungen innerhalb dieser beiden Art-Paare passiert, sondern auch den genetischen Hintergrund zu identifizieren und herauszufinden, ob es sich dabei um einen generellen Mechanismus handelt, der Samen-Entwicklungsstörungen bei Pflanzenhybriden verursacht.

Sie sprechen von ersten Versuchen, die Sie mit Kreuzblütlergewächsen durchgeführt haben. Beschreiben Sie uns doch bitte, wie diese Versuche ablaufen: Züchten Sie Ihre Pflanzen selbst? Wo haben Sie sie her? Reisen sie durch die Welt, um Sie vor Ort zu untersuchen?

Rebernig: In diesem Projekt reise ich leider nicht durch die Welt. Die Samen, die wir zur Aufzucht unserer Versuchspflanzen verwenden, stammen aber aus natürlichen Aufsammlungen von unseren Projekt-PartnerInnen aus Oslo und Uppsala. Wir sterilisieren die Samen und ziehen sie unter sterilen Bedingungen auf Platten mit Nährmedium. Wenn die Setzlinge auf den Platten eine bestimmte Größe erreicht haben, setzten wir sie auf Erde und lassen sie in Wachstumskammern unter standardisierten Licht-, Temperatur- und Luftfeuchtebedingungen wachsen. Wenn sie blühen, kreuze ich die Blüten per Hand und die daraus resultierenden Samen werden dann für die Untersuchungen verwendet. Die weiteren Arbeitsschritte spielen sich entweder im Labor ab – wenn es um den genetischen Teil geht, oder am Mikroskop, um die äußeren Faktoren zu bestimmen. Die Arbeit ist also sehr abwechslungsreich – vom Gärtnern bis zum Pipettieren wird alles abgedeckt.

Sie sind derzeit in Schweden. Warum das?
Rebernig: Nach dem Abschluss meiner Doktorarbeit in Wien, bei der es hauptsächlich um die beschreibenden Aspekte der Artbildung und Pflanzenevolution gegangen ist, wollte ich mich ein bisschen tiefer mit den mechanistischen Aspekten beschäftigen. Ich wollte nicht nur herausfinden, was im Laufe der Zeit passiert ist, sondern auch, wie es dazu kam. Ich hab mich um eine Stelle in meiner jetzigen Arbeitsgruppe in Uppsala (Swedish University of Agricultural Sciences, Dpt. of Plant biology and Forest genetics and Linnean Center of Plant biology, Forschungsgruppe Claudia Köhler) beworben und war natürlich sehr froh, die Gelegenheit zu bekommen, in so einem interessanten Projekt zu arbeiten. Nach den ersten zwei Jahren habe ich jetzt durch das Schrödinger-Stipendium die Möglichkeit, meine Arbeit hier fortzuführen.

Wenn Ihr FWF-Projekt in einigen Jahren abgeschlossen ist, was hoffen Sie mehr zu wissen?
Rebernig: Der Auslandsteil meines FWF-Projektes wird mit Ende Februar vorbei sein. Danach werde ich noch ein halbes Jahr in Wien am Department für Botanische Systematik und Evolutionsforschung weiter an meinem Projekt arbeiten. Am Ende erhoffe ich mir natürlich, dass unsere Ergebnisse einen Beitrag leisten können, um dieses komplexe Thema der Artbildung ein bisschen verständlicher zu machen.

Lesen Sie hier das komplette Interview in der aktuellen Ausgabe der "faculty research news" der Fakultät für Lebenswissenschaften.