Bachnetzwerke regulieren mikrobielle Gemeinschaft

In ihrer aktuellen PNAS-Publikation zeigen Tom Battin, Limnologe an der Universität Wien, und sein Team, wie sich die räumliche Organisation von Bachnetzwerken auf das Gemeinschaftsgefüge der Bakterien in Biofilmen auswirkt.

Mikroorganismen steuern wesentliche Prozesse in Ökosystemen und spielen Schlüsselrollen in biogeochemischen Kreisläufen. In Bächen und Flüssen dominieren Biofilme das mikrobielle Leben. Dort koexistieren – und interagieren – auf engem Raum hunderte bis tausende Bakterienarten. "Vermutlich haben die Interaktionen zwischen diesen Bakterienarten wesentlich zum evolutionären Erfolg der Biofilme beigetragen", sagt Tom J. Battin, Professor am Department für Limnologie und Ozeanographie der Universität Wien.


Die mikrobielle Diversität ist in den kleinsten Bächen am höchsten; im Bild die Ybbs. (Foto: Amber Ulseth)



Bisher war unklar, wie sich die Bakterienarten in Gemeinschaften zusammenfügen – und wie diese Gefüge von der Umwelt beeinflusst werden. "Diese Frage zu beantworten ist jedoch essenziell, da der Mensch die Umwelt zunehmend beeinflusst und oft nachhaltig verändert", so der Limnologe.

Biofilme aus 114 Bächen


In ihrer aktuellen Publikation zeigt das interdisziplinäre Team der Universität Wien rund um Tom J. Battin, wie sich die räumliche Organisation von Bachnetzwerken auf das Gemeinschaftsgefüge der Bakterien in Biofilmen auswirkt. Hierzu sequenzierte die mikrobielle Ökologin Katharina Besemer vom Department für Limnologie und Ozeanographie gemeinsam mit Kollegen der University of Glasgow die DNA von Biofilmen aus 114 Bächen im Einzugsgebiet der Ybbs.


Mit einem konfokalen Laser-Scanning-Mikroskop aufgenommene Ansicht aus einem Biofilm, die Bakterien, Algen und Substrat zeigt. (Foto: Tom Battin)



Anschließend konstruierte Stefanie Widder vom Department für Mikrobielle Ökologie und Ökosystemforschung aus den gewonnen Sequenzdaten die Gemeinschaftsgefüge der Biofilme. WissenschafterInnen der renommierten Ecole Polytechnique Fédérale Lausanne entwickelten ein hydrologisches Modell, welches das hydrologische Regime in den untersuchten Bächen beschreibt.

Gemeinschaftsgefüge der Biofilme ist kein Zufall

Die Ergebnisse der Studie sind erstaunlich. Die ForscherInnen fanden heraus, dass sich das Gemeinschaftsgefüge der Biofilme nicht zufällig über das Bachnetzwerk der Ybbs verändert. Vielmehr legen ihre Ergebnisse nahe, dass das mikrobielle Gemeinschaftsgefüge den Fingerabdruck vom Bachnetzwerk selber trägt. Hydrologische Schwankungen sind in kleinen Bächen stärker ausgeprägt als in größeren Bächen, was zu unterschiedlichen Störungsmuster für ökologische Gemeinschaften führt.

Weiters sind Gemeinschaften in den kleinen Bächen im Oberlauf ziemlich isoliert und dadurch in  ihrer Verbreitung begrenzt. Dies hat wiederum Einfluss auf die Biodiversität. Abweichungen von natürlichen Schwankungen in Hydrologie und Verbreitung von Arten können ein Störfaktor für die Stabilität lokaler Biofilmgemeinschaften sein.

Störfaktoren können mikrobielles Gemeinschaftsgefüge zerstören

Mikrobielle Lebensgemeinschaften brechen regelrecht auseinander, wenn zu viele Störungen vorliegen, wie die neue Studie zeigt. "Um dies zu belegen, haben wir neueste Methoden der Netzwerkanalyse kombiniert und weiterentwickelt sowie Computersimulationen durchgeführt", sagt Stefanie Widder. In Kombination mit den Sequenzdaten konnte auch gezeigt werden, welche mikrobiellen Gruppen das Gemeinschaftsgefüge zusammenhalten und dass diese besonders sensibel auf Störungseinflüsse reagieren. Die Studie legt nahe, dass sich z.B. das Aufstauen von Wasser oder Flussregulierungen – also alle Eingriffe in die Hydrologie –, auf das Gemeinschaftsgefüge mikrobieller Biofilme auswirken können.  

Die Studie erscheint aktuell in der renommierten US-amerikanischen Fachzeitschrift PNAS und wird mit einem besonderen Feature gewürdigt. (vs)

Das Paper "Fluvial network organization imprints on microbial co-occurrence networks" (AutorInnen: Stefanie Widder, Katharina Besemer, Gabriel A. Singer, Serena Ceola, Enrico Bertuzzo, Christopher Quince, William T. Sloan, Andrea Rinaldo and Tom J. Battin) erschien am 18. August in "Proceedings of the National Academy of Sciences" (PNAS).