Alter in Bewegung

Die durchschnittliche Lebenserwartung der österreichischen Bevölkerung steigt jährlich. Doch wie steht es um die Lebensqualität im Alter? Wird das Bild gebrechlicher, von Schmerzen geplagter 80-Jähriger bald der Vergangenheit angehören? Im Rahmen der Forschungsplattform "Active Ageing" setzt sich ein interdisziplinäres Team aus den Bereichen Ernährungswissenschaften, Sportwissenschaft und Pharmakognosie zum Ziel, einen Beitrag zum aktiven sowie möglichst schmerz- und medikamentenfreien Altern zu leisten.

2010 startete der 99-jährige Fauja Singh aus London als Staffelläufer beim Frankfurt-Marathon. Obzwar eher die Ausnahme als die Regel, bestätigt sein Beispiel doch, dass ein aktives, bewegtes Leben auch in hohem Alter möglich ist. Unter der Leitung von Karl-Heinz Wagner vom Department für Ernährungswissenschaften untersuchen die an der Forschungsplattform "Active Ageing" beteiligten WissenschafterInnen, wie sich Bewegung und Ernährung auf die Gesundheit und Mobilität von älteren Menschen mit unterschiedlicher körperlicher Verfassung auswirken.

Zielgruppe: 80 plus

Im Mittelpunkt des Forschungsvorhabens stehen über 80-Jährige: In Zusammenarbeit mit dem Kuratorium Wiener Pensionisten-Wohnhäuser werden speziell auf diese Zielgruppe zugeschnittene Bewegungs- und Ernährungsprogramme umgesetzt sowie über einen vorerst zweijährigen Zeitraum hinweg beobachtet und analysiert. Obwohl mehr und mehr Menschen immer älter werden, gibt es noch keine umfangreichen Studien, die die Auswirkungen von Bewegung und Ernährung auf die Lebensqualität im Alter untersuchen.

Weniger Muskelmasse, mehr Stürze

"Es ist in erster Linie der Muskelabbau, genannt Sarkopenie, der im Alter zu schaffen macht. Das geht mit medizinischen Problemen einher, die man wahrscheinlich von den Großeltern kennt – zum Beispiel Oberschenkelhalsbrüche", so Karl-Heinz Wagner: "Selbst wenn der Muskelschwund schon fortgeschritten ist, kann Bewegung aber wieder zu einer erhöhten Lebensqualität führen." Bereits im Alter von 30 Jahren beginnt der Mensch, Muskelmasse zu verlieren. "Ab 60 wird es 'dramatisch', Sport und Ernährung verlangsamen den Prozess", erklärt Barbara Wessner vom Institut für Sportwissenschaft: "Um die Mechanismen der altersbedingten Muskelschwäche besser zu verstehen, werden wir ernährungs- und leistungsphysiologische Untersuchungen mit molekular- und zellbiologischen Methoden verknüpfen."

Bewegungsprogramm

Im Rahmen des Projekts sprechen die WissenschafterInnen daher auch sportlich inaktive Personen an und hoffen, sie für Trainingsprogramme sowie eine gezielte Ernährungsoptimierung gewinnen zu können. Das Bewegungsprogramm basiert auf neuesten trainingsphysiologischen Erkenntnissen und wird individuell abgestimmt. Es handelt sich dabei um eine Mischung aus Kraft- und Ausdauertraining, bei dem vor allem mit dem eigenen Körpergewicht und nur am Rande mit technischen Hilfsmitteln gearbeitet wird. Das Programm soll zwei- bis dreimal pro Woche in den Pensionisten-Wohnhäusern stattfinden – am Anfang angeleitet, später als freies Training.

Optimierte Nährstoffaufnahme

Neben der Sarkopenie wird im Alter vor allem die Nährstoffaufnahme zum Problem: "Aufgrund von Magenproblemen, aber auch Kau- und Schluckbeschwerden, kann es zu einer Unterversorgung kommen – etwa wird oft das Vitamin B12 nicht mehr gut aufgenommen, da das dafür zuständige Protein, der sogenannte 'Intrinsic-Faktor', nicht mehr ausreichend gebildet wird", erklärt Wagner. Weitere Risikonährstoffe sind Folsäure, lösliche Ballaststoffe und teilweise Vitamin C. Da eine große Ernährungsumstellung im fortgeschrittenen Alter schwer umsetzbar ist, werden die StudienteilnehmerInnen ein Getränk zu sich nehmen, das die benötigten Nährstoffe enthält.

Medikamentenbedarf reduzieren

An der Untersuchung sind vier Gruppen beteiligt: zwei, die entweder an einer Ernährungsoptimierung oder dem Bewegungsprogramm teilnehmen; eine weitere, die bei beiden Programmen dabei sein wird, sowie eine "Placebo-Gruppe", deren Mitglieder ihren Lebensstil nicht verändern. Erhoben werden physiologische und biochemische Parameter, die zeigen, wie sich die "Interventionen" auf die Gesundheit und Mobilität der SeniorInnen auswirken. Die WissenschafterInnen hoffen auch, dass ihre Ergebnisse zu einer Reduktion der Medikamentengabe beitragen werden.

Parallel zur Humanstudie wird am Department für Pharmakognosie mit Zellen junger und alter Menschen gearbeitet. Isoliert werden beispielsweise Lymphozyten, die mit Wasserstoffperoxid – es entsteht bei zahlreichen biochemischen Prozessen im Körper und wird durch Enzyme abgebaut – "gestresst" werden. "Wir beobachten auf diese Weise, ob sich die Zelle einer älteren Person bei gleicher 'Stressbelastung' anders verhält als die eines jungen Menschen", erläutert der Ernährungswissenschafter.

Die Ergebnisse sollen direkt der Zielgruppe zugutekommen: "Mit dem Kuratorium Wiener Pensionisten-Wohnhäuser werden wir daher auch nach Abschluss des Projekts weiter zusammenarbeiten", so der Leiter der Forschungsplattform abschließend. (dh)

Die Forschungsplattform "Active Ageing" startete im Jänner 2011 und ist auf drei Jahre anberaumt. Leiter der Plattform ist Ao. Univ.-Prof. Mag. Dr. Karl-Heinz Wagner vom Department für Ernährungswissenschaften. Darüber hinaus sind Mag. Dr. Oliver Neubauer, Univ.-Prof. Dr. Verena Dirsch (Fakultät für Lebenswissenschaften) sowie O. Univ.-Prof. Dr. Norbert Bachl, Ass.-Prof. Mag. Dr. Harald Tschan und Dipl.-Ing. Dr. Barbara Wessner (Zentrum für Sportwissenschaft und Universitätssport) beteiligt.