Sommerpost: Perspektiven einer geteilten Insel
Gastbeitrag von Herbert Baumhackl | 19. August 2011Heuer "erforschte" eine Gruppe Studierender unter der Leitung von Christine Embleton-Hamann und Herbert Baumhackl vom Institut für Geographie und Regionalforschung Zypern. Im Zentrum der Fachexkursion standen Fragen rund um human- und physiogeographische Aspekte der drittgrößten Mittelmeerinsel.

Durch die türkische Invasion im Juli 1974 und die darauf folgende politische Teilung der Insel (Republik Zypern und Republik Nord-Zypern) verlor die Republik Zypern nicht nur ein Drittel ihrer Fläche und ihrer Wirtschaftszentren, sondern musste 150.000 griechisch-zypriotische Flüchtlinge aus dem Nordteil der Insel aufnehmen. Die Republik Zypern setzte daher mit internationaler Unterstützung auf den Tourismus. Die Küstenabschnitte von Limassol, Paphos und Agios Napas wurden in wenigen Jahren für den Massentourismus erschlossen, während das Hinterland durch die Abwanderung der jungen Bevölkerung an die Küste einen flächenhaften Zusammenbruch der Agrarwirtschaft zu verzeichnen hatte.

Durch die unkoordinierte Entwicklung kämpft die Tourismuswirtschaft seit einigen Jahren mit typischen Problemen der Überschließung und Überkapazitäten, sinkender Wettbewerbsfähigkeit, der Abhängigkeit von ReiseveranstalterInnen, einer ausgeprägten Saisonalität und einem starken Rückgang der Tourismusnachfrage. Verstärkt wird die negative Entwicklung durch eine unzureichende Raumordnungspolitik und eine ungebremste Siedlungsentwicklung und Zersiedelung entlang der Küste durch mächtige Immobilienfirmen, die v.a. für AusländerInnen – die Nachfrage geht zurück – tausende Häuser errichtet hat. Eine Immobilienblase, die neben den wahrscheinlichen Kreditausfällen zypriotischer Banken in Griechenland und dem Ausfall des wichtigsten Elektrizitätswerks, die Republik Zypern zu einem Problemfall gemacht hat.

Während man beim Wort "Strand" auf einer Ferieninsel automatisch an weichen Sand denkt, kann auf Zypern gezeigt werden, dass Strände äußerst vielgestaltig sind – auch wenn sich das Ergebnis unter den Fußsohlen nicht angenehm anfühlt! Das Foto zeigt einen Sturmstrand: das grobe Geröll wurde in der heftigen Brandung angelandet, der Dünensand im Hintergrund von den starken Winden.

An diesem Strandabschnitt haben Kalklösung und die Tätigkeit von fressenden und bohrenden Organismen zur Ausbildung von Felsplattformen ("Trottoirs") und Felswannen ("Rock-pools") geführt.

Zypern ist ein Mekka für GeologInnen, denn weltweit gibt es nur zwei weitere Gebiete in denen die Produkte eines untermeerischen Vulkanismus an Land studiert werden können. Ein Nebenprodukt dieser besonderen Geologie ist der Kupferreichtum der Insel, der sogar namensgebend war, denn "Zypern" leite sich von "Kupros", der griechischen Bezeichnung für Kupfer ab. Das Metall wurde seit der Bronzezeit abgebaut und verschaffte der Insel lange Zeit Reichtum. Gegen Ende des vorigen Jahrhunderts wurde der Abbau jedoch unrentabel. Heute stellen die vielen aufgelassenen Kupfergruben (im Bild die Kokkinopezoula Grube) für die Gemeinden ein großes Umweltproblem dar.

Der Aufstieg ist geschafft und den besten Rundblick auf geographische Sachverhalte gibt es immer von oben! Der auffällig helle Küstenstreifen wird von ForscherInnen darauf zurückgeführt, dass eine auflaufende Tsunamiwelle Boden und Vegetation weggerissen hat. Das Ereignis konnte noch nicht genau datiert werden. Fest steht jedoch, dass es im östlichen Mittelmeerraum schon immer Tsunamis gab. Der größte davon war wohl mitbeteiligt an dem von Plato geschilderten Untergangs von Atlantis. Ein Mythos, von dem man sich zunehmend sicher ist, dass dahinter die Auslöschung der minoischen Kultur durch eine gewaltige Vulkanexplosion auf Santorin steckt, welche mit verheerenden Aschefällen, einem Riesentsunami und schweren Erdbeben verbunden war.

Nikosia (Lefkosa / Lefkosia) ist die letzte geteilte Stadt der Erde. Die Green Line – von der UNO überwachte Demarkationslinie – teilt die Stadt in einen griechisch-zypriotischen Teil, Hauptstadt der Republik Zypern, und Lefkosa, Hauptstadt der Republik Nord-Zypern, die nur von der Türkei anerkannt ist. Nach wie vor gibt es nur einen streng kontrollierten Übergang für FußgängerInnen in der Ledrastraße, der ehemaligen Hauptgeschäftstraße des griechisch-zypriotischen Teils der Insel, dessen Häuser, wie auch die Viertel entlang der Green Line, verfallen.

Im türkischen Teil hat sich dagegen entlang dieser Demarkationslinie ein pulsierendes Basarviertel entwickelt, das von Tagesausflügen ausländischer TouristInnen, die in der Republik Zypern Urlaub machen, profitiert. Bis heute gibt es auf der Insel nur sieben Grenzübergänge. Ein Warenaustausch findet nach wie vor kaum statt.

Vor der türkischen Invasion war Famagusta / Varosha mit 11.000 Hotelbetten der gehobenen Kategorie das Tourismusressort mit dem schönsten Sandstrand der Insel. Seit der Teilung der Insel ist dieses Gebiet, wie der Stadtteil Varosha – einst Wohnviertel der griechisch-zypriotischen Bevölkerung – militärisches Sperrgebiet und ein Geisterresort. Die Bevölkerung von Famagusta setzt sich heute aus türkischen Flüchtlingen – aus dem Süden der Insel – und v.a. anatolischen ZuwandererInnen zusammen. Wie in Famagusta erfolgte nach der Teilung eine ethnische Säuberung. In Nord-Zypern wurden die GriechInnen vertrieben – in ihren Dörfern siedelten sich mehrheitlich TürkInnen aus Anatolien an – und die türkische Bevölkerung flüchtete vom Süden nach Nord-Zypern.

Im Küstenbereich rufen der ständige Salzwasserspray sowie das regenarme und verdunstungsintensive Klima Zyperns eine ganz spezielle Verwitterungsform hervor. In diesen "Tafoni" genannten Halbhöhlen mit überhängendem Dach ist das Gestein innen so weich, dass man es mit der Hand herausbröseln kann, außen hingegen ist es mit einer Mineralkruste überzogen und steinhart. Die Studierenden nehmen die Tafoni in Augenschein und nützen sie gleich um einen durchziehenden Regenguss abzuwarten. Wetterschutz waren die Tafonis für die Hirten Zyperns schon immer …

Ausgedehnte natürliche Hochwälder sind ein ungewohnter Anblick im Mittelmeerraum. Ihr Vorhandensein auf Zypern ist durch zwei Dinge bedingt: zum einen hatten die britischen Kolonialherren das Bewusstsein der ZypriotInnen für die ökologische Bedeutung des Waldes geschärft. Zum anderen bieten die in 1.800 bis 1.900 Meter gelegenen Höhen des breit kuppelförmigen Troodos-Massivs auch einen Raum, in dem andere Nutzungsformen nur mehr schwer möglich sind. Bis auf eine: In dieser Höhenlage gibt es selbst auf Zypern im Winter Schnee, was die Grundlage für ein kleines Skigebiet bildet!

Girne / Kyrenia ist die schönste Stadt der Insel – auch "Nizza von Zypern" genannt – und die wichtigste Tourismusdestination. Durch die politische Situation, Nord-Zypern kann nur über die Türkei als Urlaubsdestination erreicht werden, steht die Tourismusentwicklung erst am Anfang. In den letzten Jahren haben v.a. türkische InvestorInnen vom Festland und RussInnen in den Tourismus investiert. Es ist zu befürchten, dass in wenigen Jahren die noch unverbauten Küstenabschnitte entlang der Ostküste und der Halbinsel Karpasia verbaut sein werden.

Die tiefe Avakas-Schlucht fügt den vielen unterschiedlichen Naturräumen Zyperns eine weitere Facette hinzu. Sie verweist auf eine starke und geologisch junge Heraushebung der Insel, durch welche die aus dem Landesinneren kommenden Flüsse zum Einschneiden gezwungen wurden. Darüber hinaus zeugt sie von einer vorzeitlichen, reichen und ständigen Wasserführung der Flüsse, die unter den heutigen Klimabedingungen während der langen Sommermonate völlig austrocknen.

Phönizier, Ägypter, Perser, Römer, Kreuzfahrer, Franken, Venezianer, Ottomanen und Briten waren nur einige der Herrscher, die Zypern im Laufe der Geschichte eroberten. Vor allem die Vorräte an Kupfer und Holz sowie die bedeutsame Lage Zyperns in der Mitte der Haupthandelsrouten machten die Insel für ausländische Mächte unwiderstehlich. Zypern war seit jeher eine Drehscheibe im Handel und ein Schmelztiegel der Kulturen. Die Ruinen von Kourion gehören neben Salamis und Paphos zu den bedeutendsten antiken Stätten Zyperns. Die erste Nennung Kourions erfolgte 673 v. Chr. Bekannt ist Kourion u.a. wegen seiner Fußbodenmosaike, die "Villa des Eustolios" (5. Jahrhundert n. Chr.) und das römische Amphitheater (1. bis 2. Jahrhundert n. Chr.) mit Sicht auf das Meer.

In der uni:view-Sommerserie "Sommerpost" berichten Lehrende und Studierende von spannenden Exkursionen und lassen so die "Daheimgebliebenen" an ihren Lehr- und Lernerfahrungen fernab des Hörsaals teilhaben.
Ao. Univ.-Prof. i.R. Dr. Herbert Baumhackl und Ao. Univ.-Prof. Mag. Dr. Christine Embleton-Hamann sind am Institut für Geographie und Regionalforschung tätig.