Christopher Campbell: Warum Krebszellen anders ticken
| 13. Juni 2016Zwei große Fragen der Chromosomenbiologie stehen im Zentrum des mit einem hochdotierten START-Preis ausgezeichneten Forschungsprojekts von Christopher Campbell: "Wie verhindern gesunde Zellen Aneuploidie?" und "Welche Adaptionen erlauben es Zellen, einen falschen Chromosomenbestand zu überleben?"
Die DNA eines jeden Lebewesens ist in sogenannten Chromosomen organisiert. Menschliche Zellen besitzen jeweils zwei Chromosomen der gleichen Art. Diese müssen während der Zellteilung gleichermaßen zwischen den Tochterzellen aufgeteilt werden, so dass jede einen gleichen Satz an Chromosomen erhält.
"Trotzdem kann es vorkommen, dass Tochterzellen eine vom Normalzustand abweichende Anzahl an Chromosomen bekommen, dies wird als Aneuploidie bezeichnet", erklärt Christopher Campbell, Gruppenleiter an den Max F. Perutz Laboratories und START-Preisträger 2016. Aneuploidie ist schädlich, oftmals sogar tödlich für die Zelle. Während der Entwicklung eines Menschen kann sie zu Fehlgeburten oder genetischen Störungen wie dem Down-Syndrom führen.
"Überraschenderweise scheint dies nicht auf Krebszellen zuzutreffen, welche oft nicht nur überleben, sondern geradezu mit Aneuploidie gedeihen. Die erste Frage, der wir uns widmen wollen, lautet: Wie verhindern gesunde Zellen Aneuploidie?", beschreibt der Chromosomenbiologe eines der beiden großen Forschungsziele, denen er und sein Team sich im Rahmen der hochdotierten START-Förderung im Laufe der kommenden sechs Jahre nähern wollen.
Bestimmte Mechanismen erlauben es der Zelle, zwischen richtig in der Äquatorialebene liegenden und falsch angeordneten Chromosomen, die eine Korrektur benötigen, zu unterscheiden. Diese Mechanismen funktionieren allerdings nicht immer. Bei fehlerhafter Anordnung der Chromosomen erhöht sich die Chance, dass eine Tochterzelle fälschlicherweise zwei Kopien und die andere gar keine erhält.
Anhand von Bäckerhefe mehr über Chromosomen erfahren
Solche Ereignisse werden Chromosomenfehlverteilung genannt. "Der sogenannte Chromosomal Passenger Complex (CPC) ist in einem der Korrekturmechanismen involviert. Wir untersuchen diesen Komplex in der Bäckerhefe Saccharomyces cerevisiae, um herauszufinden, wie er zur Erkennung falsch angeordneter Chromosomen beiträgt", erklärt Campbell weiter.
Christopher Campbell, 1980 in den USA geboren, forscht am Department für Chromosomenbiologie an den Max F. Perutz Laboratories (Universität Wien und MedUni Wien). Sein PhD-Studium absolvierte er 2008 an der University of California, San Francisco. Anschließend forschte er am Ludwig Cancer Research in San Diego, bevor er als Group Leader an den Max F. Perutz Laboratories (MFPL) an die Universität Wien wechselte – mit einem "WWTF Vienna Research Groups for Young Investigators Grant" im Gepäck. Den START-Preis erhält er für sein Projekt "Ursachen und Folgen der chromosomalen Instabilität".
Die Bäckerhefe ist ein häufig genutzter Modellorganismus, der sich besonders gut für genetische Studien eignet. Mittels Mikroskopie und Biochemie wollen der Forscher und sein Team neue Erkenntnisse über die Funktion des CPC gewinnen und damit zu einem besseren Verständnis beitragen, wie Zellen Aneuploidien vermeiden.
Wie überleben Zellen mit falschem Chromosomenbestand?
"Unsere zweite Forschungsfrage lautet: Welche Adaptionen erlauben es Zellen, einen falschen Chromosomenbestand zu überleben?", so der erfolgreiche Nachwuchswissenschafter, der 2014 auch die hochdotierte WWTF-Förderung " "Vienna Research Groups for Young Investigators" gewann.
Einerseits kann eine Fehlverteilung zu Zellen ohne Kopien eines bestimmten Chromosoms führen, was beinahe ausnahmslos den Tod der Zellen zur Folge hat. Andererseits könnte eine Zelle eine zusätzliche Kopie eines Chromosoms erhalten, was zu einer deutlich erhöhten Expression der darauf befindlichen Gene führt.
Chromosomenfehlverteilung besser verstehen
"In Anbetracht dessen, dass sich mehrere tausend Gene auf jedem Chromosom befinden, ergeben sich somit unzählige Möglichkeiten, wie Zellfunktionen gestört werden können", erklärt Campbell: "Unser Ziel ist es, Mutationen in der Bäckerhefe zu identifizieren, die es ihr ermöglichen, diese Art von Defekten zu überwinden."
Dazu selektieren die ForscherInnen Zellen, deren Zustand aufgrund von Fehlern in der Chromosomenanordnung stark beeinträchtigt ist, über mehrere Generationen nach besserem Wachstum. Der kurze Lebenszyklus der Hefe erlaubt es, diese Experimente innerhalb von Wochen anstatt Jahren durchzuführen. "Unsere Experimente sollen zu einem besseren Verständnis von Chromosomenfehlverteilung im Allgemeinen führen und auch Einblicke geben, wie Krebszellen unter ähnlichen Bedingungen überleben", so der START-Preisträger. (FWF/red)
Vier START-Preise für die Universität Wien
Vier hochdotierte "START"-Forschungsförderungen 2016 gehen an die Universität Wien, zwei davon an die Fakultät für Mathematik. Ausgezeichnet werden der Chromosomenbiologe Christopher Campbell (MFPL), die Mathematiker Michael Eichmair und Harald Grobner und der Quantenphysiker Nikolai Kiesel.
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