Alternative zu "Liebeshormon" erleichtert Geburt

Markus Muttenthaler von der Fakultät für Chemie hat mit einem internationalen Team eine neue chemische Verbindung entwickelt, die ähnlich dem "Liebeshormon" Oxytocin wirkt – aber ohne Nebenwirkungen. Sie kann u.a. das soziale Verhalten von autistischen Kindern verbessern oder die Geburt erleichtern.

Oxytocin und Vasopressin sind Peptidhormone, die beim Menschen viele wichtige physiologische Funktionen regulieren, wie zum Beispiel Reproduktion, Herz-Kreislauf, soziales Verhalten und Lernen. Oxytocin ist vor allem als "Liebeshormon" bekannt, regelt beispielsweise Prozesse wie die Mutter-Kind-Bindung und ist auch für die Einleitung der Geburt sowie das Stillen verantwortlich.

Beide Hormone agieren über vier Rezeptoren, die strukturell sehr ähnlich aufgebaut sind. In verschiedenen (Krankheits-)Fällen stellen diese Rezeptoren vielversprechende Ziele für die Medikamentenentwicklung dar. So kann eine Aktivierung des Oxytocin-Rezeptors beispielsweise Verbesserungen im sozialen Verhalten von autistischen Kindern bewirken, Schmerzen bei Migräne und chronischen Darmproblemen lindern oder die Geburt eines Kindes erleichtern.

Der Medizinchemiker Markus Muttenthaler erhielt heuer einen hochdotierten ERC Starting Grant des Europäischen Forschungsrates. Er erforscht nun am Institut für Biologische Chemie der Universität Wien neue therapeutische Ansätze gegen gastrointestinale Erkrankungen und überprüft unter anderem das therapeutische Potenzial des Oxytocin-Rezeptors. ERC-Grants an der Uni Wien im Überblick

Die Aktivierung eines Vasopressin-Rezeptors hemmt Wasserausscheidungen und wird bei Diabetes Insipidus eingesetzt. Ein anderer Vasopressin-Rezeptor wiederum ist ein Ziel für Herz-Kreislauf-Probleme, da er an der Kontraktion von Blutgefäßen beteiligt ist.
 
Zahlreiche Anwendungsgebiete

Obwohl es viele medizinische Anwendungsmöglichkeiten für diese Signalsysteme gibt, geht die medizinische Entwicklung von wirksamen Substanzen nur schleppend voran. Ein Hauptgrund dafür ist die Schwierigkeit, selektive Verbindungen herzustellen, die nur einen von den vier Rezeptoren aktivieren, um ungewünschte Nebeneffekte auszuschließen. Ein weiteres Problem ist, dass die Selektivität von solchen Verbindungen oftmals nur bei Tieren gegeben ist, jedoch nicht bei Menschen.

Neue Verbindung ohne Nebenwirkungen

Der Medizinchemiker Markus Muttenthaler hat sich diesem Problem gewidmet und über einen neuen Ansatz Oxytocin-Rezeptor-selektive Verbindungen hergestellt, welche die Selektivität bei Tieren und bei Menschen beibehalten. In seiner Studie untersuchte er die therapeutische Anwendung beim klinischen Einsatz von Oxytocin zur Erleichterung der Geburt.

Oxytocin kann nämlich bei zu hoher Dosis oder zu langer Anwendung Nebenwirkungen für Mutter und Kind verursachen, die mit der Aktivierung des Vasopressin-Rezeptors V1a zu tun haben. Muttenthalers neu entwickelte Verbindung konnte die Kontraktionen des Uterus ähnlich wie mit Oxytocin verstärken, jedoch in einer viel geregelteren Art und Weise. Außerdem hatte die neue Verbindung – [Se-Se]-Oxytocin-OH – keine Aktivierung von Herzmuskelzellen zur Folge, was die Sicherheit in der Anwendung verbessert.

Zur Person: Markus Muttenthaler, geboren 1978 in Steyr (Österreich), studierte Technische Chemie an der TU Wien (Diplomingenieur 2005) und erhielt seinen Doktor (PhD) in Biologischer und Medizinischer Chemie 2009 an der University of Queensland in Brisbane, Australien. Danach absolvierte er drei Postdoc-Aufenthalte an international renommierten Forschungsinstituten: dem Institute for Molecular Bioscience, Brisbane (Australien), dem Scripps Research Institute, La Jolla (USA) und dem Institute for Research in Biomedicine, Barcelona (Spanien). 2015 erhielt er ein hochangesehenes australisches Forschungsstipendium, das ihm ermöglichte, seine eigene Forschungsgruppe am Institute for Molecular Bioscience in Brisbane aufzubauen. Seit 2017 ist er nun an der Universität Wien tätig, wo er das "Neuropeptide Research"-Labor leitet.

Die Publikation "Subtle modifications to oxytocin produce ligands that retain potency and improved selectivity across species" (AutorInnen: M. Muttenthaler, Å. Andersson, I. Vetter, R. Menon, M. Busnelli, L. Ragnarsson, C. Bergmayr, S. Arrowsmith, J. R. Deuis, H. S. Chiu, N. J. Palpant, M. O’Brien, T. J. Smith, S. Wray, I. D. Neumann, C. W. Gruber, R. J. Lewis, P. F. Alewood) erschien am 5. Dezember 2017 in "Science Signaling".