Was macht den "Fruchtbaren Halbmond" so fruchtbar?

Botaniker der Universität Wien erforscht außergewöhnliche Artenvielfalt im Orient

Die Region des sogenannten "Fruchtbaren Halbmondes" gilt als bislang kaum systematisch erforschter Hotspot der Artenvielfalt in Eurasien. WissenschafterInnen der Universitäten Wien und Zürich publizieren in der Fachzeitschrift "Biological Reviews" zu den Hintergründen und Ursachen, die zur Biodiversität der Irano-Turanischen Florenregion führen. Ihre Erkenntnisse, die sie mithilfe moderner Methoden der Biogeographie, Evolutionsbiologie und Paläontologie gewonnen haben, sollen auch dazu beitragen, die außergewöhnliche Artenvielfalt in dem Gebiet zu erhalten. 

Die Irano-Turanische Florenregion zählt mit einer Fläche von rund 16 Millionen Quadratkilometern zu den größten der Welt und bedeckt rund 30 Prozent der Fläche Eurasiens. Sie beinhaltet den sogenannten "Fruchtbaren Halbmond", verbindet die östliche und westliche Flora Eurasiens und gilt als einer der Hotspots evolutionärer und biologischer Vielfalt der "Alten Welt". Umso erstaunlicher, dass in bisherigen Studien in der Region die Aspekte der evolutionären Entwicklung und Arterhaltung kaum berücksichtigt wurden. Der Botaniker Yannick Staedler von der Universität Wien will gemeinsam mit Sara Manafzadeh und Elena Conti von der Universität Zürich mit zeitgemäßen Methoden sowie einem konzeptuellen Zugang das Verständnis der Diversität und Evolution von Pflanzen in Eurasien vervollständigen.

Bei der geografischen Erfassung der Region hat sich gezeigt, dass die Grenzen der Flora noch immer nicht genau definiert werden können. Zum einen, weil Florazonen aufgrund der Verbreitungsfähigkeiten regionaltypischer Arten und ökologischer Charakteristika grundsätzlich nicht feststehen können. Zum anderen, weil es zwar in Form von Herbarien und Sammlungen Daten über zahlreiche Arten der Region gibt, diese aber zunächst durch Feldforschung und taxonomische Studien überprüft werden müssen, bevor sie systematisch verwendet werden können. Aufbauend auf den aktuellsten Daten und Kartierungsmethoden können dann präzise Floragrenzen festgelegt werden.

Auch die komplexe geologische Geschichte der Region und deren Auswirkung auf das Klima stehen im Mittelpunkt der Forschung. Die ForscherInnen verwenden biogeographische Daten wie die der geologischen, klimatischen und floralen Strukturierung, um Hypothesen über jene evolutionären Prozesse aufzustellen, die zur außergewöhnlichen Biodiversität dieser Region führten. 

Dabei sind vergleichende makroevolutionäre Analysen der großen Gattungen der Region notwendig, zusammen mit Fossilfunden aus dem Gebiet sowie Verbreitungsmodellen unter Verwendung von Herbariensammlungen und Biodiversitätsdatenbanken. "Die Verbindung von Evolutionsbiologie und Ökologie kann mit den jeweiligen theoretischen Hintergründen zum Verständnis darüber beitragen, welche Rolle die geologische gegenüber der ökologischen Dynamik bei der Artenentwicklung spielt", erklärt Yannick Staedler. 

Nicht zuletzt versuchen die ForscherInnen, Vorhersagen zur Auswirkung des Klimawandels auf die Biodiversität der Irano-Turanischen Florenregion zu treffen. Für das Gebiet wird zwischen 2016 und 2035 ein Temperaturanstieg von bis zu 1,5 Grad Celsius sowie eine Schwankung der Niederschlagsmenge von bis zu 10 Prozent erwartet. Auf Basis des historisch-evolutionären Hintergrunds können die ForscherInnen Prognosen über die Widerstandsfähigkeit und Verletzlichkeit der Arten im Falle eines Klimawandels treffen. Die Auswertung der Daten hilft zudem dabei, Entscheidungen über deren Erhaltung zu fällen.

Publikation in Biological Reviews:

Sara Manafzadeh, Yannick M. Staedler und Elena Conti: "Visions of the past and dreams of the future in the Orient: the Irano-Turanian region from classical botany to evolutionary studies". In Biological Reviews

DOI: 10.1111/brv.12287

Wissenschaftlicher Kontakt

Dr. Yannick Staedler

Department für Botanik und Biodiversitätsforschung
Universität Wien
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yannick.staedler@univie.ac.at

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