Per Anhalter in die Krebszelle: Die nächste Generation von Platintherapeutika
21. Juni 2019Das Spin-off "P4 Therapeutics" mit dem Ziel der Entwicklung des Wirkstoffs Albuplatin wurde mit dem "Der Brutkasten"- Media Award 2019 ausgezeichnet
Ein interdisziplinäres Team der Universität Wien und Medizinischen Universität Wien hat eine neue Platinverbindung mit großem Potenzial als Krebstherapeutikum entwickelt. Dem Team um Christian Kowol vom Institut für Anorganische Chemie, Universität Wien und Petra Heffeter vom Institut für Krebsforschung, Medizinische Universität Wien, gelang es, durch eine neue Strategie einen Wirkstoff (Albuplatin) herzustellen, der in präklinischen Modellen eine deutlich erhöhte Wirksamkeit und geringere Nebenwirkungen als die seit Jahrzehnten etablierten Platintherapeutika zeigt. Für die klinische Entwicklung erfolgte im Mai 2019 die Gründung des Spin-off Unternehmens "P4 Therapeutics", welches nun mit dem „Der Brutkasten“- Media Award 2019 ausgezeichnet wurde.
Trotz zahlreicher neuer Therapieformen ist die Chemotherapie nach wie vor eine der wichtigsten Strategien in der Behandlung von Krebs. "Seit Jahrzehnten werden die Krebstherapeutika Cisplatin und Carboplatin in nahezu jedem zweiten Therapieschema angewendet", sagt der Chemiker Christian Kowol, Forscher des gemeinsamen Forschungsclusters "Translational Cancer Therapy Research" von der Universität Wien und Medizinischer Universität Wien. Neueste klinische Studien mit Immuntherapeutika zeigten sogar eine massiv verbesserte Aktivität bei Kombination mit Cisplatin oder Carboplatin. "Daher werden, platinhaltige Therapeutika auch in der modernen Krebstherapie ihre essentielle Rolle behaupten können", so Kowol.
Der Einsatz platinhaltiger Wirkstoffe ist jedoch nicht ohne Nachteile: "Mangelnde Selektivität und schlechte Verträglichkeit bringen häufig gravierenden Nebenwirkungen mit sich, welche die Lebensqualität des Patienten stark beeinträchtigen", ergänzt die Biologin Petra Heffeter vom Institut für Krebsforschung der Medizinischen Universität Wien und ebenfalls Forscherin des Clusters. Die Entwicklung neuer Platintherapeutika mit verbesserter Pharmakokinetik und erhöhter Tumorselektivität ist daher eine essentielle Aufgabe und stellt die Krebsforschung seit Langem vor große Herausforderungen.
Albuplatin als "Trojanisches Pferd" eingeschleust
Mit Unterstützung der Krebsforscher Bernhard K. Keppler, Universität Wien und Walter Berger, Medizinische Universität Wien beide Gründer des Forschungsclusters, gelang es, die neue Platinverbindung Albuplatin zu entwickeln. Durch eine innovative Strategie wird der zunächst inaktive Stoff Albuplatin gezielt im Tumorgewebe angereichert, um ihn dort selektiv zu aktivieren und das Therapeutikum freizusetzen.
Der gut verträgliche Wirkstoff Albuplatin bindet an das Eiweiß Albumin im Blut und nutzt dieses als Transportmittel. Albumin dient vielen Krebsarten als wichtiger Nährstofflieferant und wird gezielt im Tumorgewebe akkumuliert. Das Eiweiß dient damit als natürlicher, biologisch abbaubarer Nanotransporter.
Durch die Albuminbindung wird Albuplatin, wie ein trojanisches Pferd, unbemerkt in die Tumorzellen eingeschleust und erst vor Ort im Rahmen des Albuminabbaus freigesetzt. Albuplatin wird schließlich in der Tumorzelle reduziert und somit aktiviert. Erst in diesem zweiten Schritt erfolgt die Freisetzung des Wirkstoffs, der dann gezielt die Krebszelle abtötet. "Durch diese Strategie wird eine deutliche Steigerung der Aktivität des Wirkstoffs erzielt und gleichzeitig werden die Nebenwirkungen signifikant vermindert ", so Kowol und Heffeter.
Klinische Weiterentwicklung des Wirkstoffs
Um den Wirkstoff Albuplatin nun klinisch weiterzuentwickeln, gründeten die ForscherInnnen das Spin-off Unternehmen P4 Therapeutics. Das Team bestehend aus Heffeter, Kowol, Berger und Keppler wird hierbei durch die Geschäftsführerin (CEO) Nadine S. Sommerfeld, Alumna der Universität Wien, und den wirtschaftlichen Berater Otto Kanzler komplettiert. Unterstützt wird das Projekt durch das PreSeed-Programm des Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort, ausgeführt durch das Austrian Wirtschaftsservice (aws). Ziel der Firma ist der Abschluss der präklinischen Entwicklung und eine erste Studie von Albuplatin an PatientInnen.
Bei den weiteren Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten von P4 Therapeutics werden Biomarker sowie Studien an Kombinationstherapien, mit besonderem Augenmerk auf Immuntherapeutika, eine zentrale Rolle spielen. P4 Therapeutics beschäftigt sich nachhaltig mit der Entwicklung von innovativen und besser verträglichen Therapien, sowie mit der Erforschung von Biomarkern zur selektiven Stratifizierung der PatientInnen.
Die Firma
P4 Therapeutics repräsentiert ein hochmotiviertes, interdisziplinäres Team mit dem Ziel ein nachhaltiges und langfristiges F&E Unternehmen mit Schwerpunkt Onkologie in Österreich zu etablieren. Mit zahlreichen Partnern aus Universität und Wirtschaft sowie einem breit aufgestellten Netzwerk aus renommierten Onkologen und Pharmakologen, verfügt das derzeit 6-köpfige Team über akademisches Fachwissen als auch langjährige Erfahrung in Planung und Durchführung klinischer Medikamentenentwicklung und Business Development. Mit ihrem Forschungsschwerpunkt in Wien wird sich P4 Therapeutics der effizienten und stetigen Weiterentwicklung rund um Albuplatin widmen und so das Anwendungsfeld von Albumin-bindenden Substanzen nachhaltig erweitern und mitgestalten.
Der Preis
Mit ihrem Projekt Albuplatin konnte das Team von P4 Therapeutics das "Der Brutkasten" Crowdvoting für sich entscheiden und wurde am Mittwochabend im Zuge der Rudolf Sallinger Fonds Preisverleihung mit dem "Der Brutkasten" Media Award 2019 ausgezeichnet. "Der Brutkasten" unterstützt die österreichische Start-up Szene mit dem Ziel eine multimodale Plattform für Entrepreneurship, digitale Wirtschaft und Innovation zu schaffen. Der Preis ist mit 5000 Euro Media Volumen dotiert.
Wissenschaftlicher Kontakt
Ass.-Prof. Mag. Dr. Christian Kowol
Institut für Anorganische ChemieUniversität Wien
1090 - Wien, Währinger Straße 42
+43-1-4277-526 09
christian.kowol@univie.ac.at
Assoc. Prof. Priv. Doz. Dr. Petra Heffeter
Institut für KrebsforschungMedizinische Universität Wien
+43 1 40160-575 94
petra.heffeter@meduniwien.ac.at
Rückfragehinweis
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