Mit Quanteninferenz gezielt Moleküle isolieren
13. November 2018Physiker der Uni Wien selektieren molekulare Strukturen durch Lichtwechselwirkung
Flexible Moleküle können eine Vielzahl von geometrischen Formen annehmen. Diese Formen, die Konformere, bestimmen oft die Reaktionsgeschwindigkeit und sind sich so ähnlich, dass sie oft nur schwer aussortiert werden können. Wissenschafter der Universität Wien und der Universität Duisburg-Essen haben im Fachjournal "Physical Review Letters" eine neue Methode vorgestellt, mit der molekulare Strukturen mittels Quanteninterferenz gezielt isoliert werden können. Dazu nutzen sie die Wirkung von Licht auf Konformere und können so erstmals verschiedene Geometrien von z.B. Neurotransmittern und anderen komplexen Molekülen für Reaktionsstudien selektieren.
Der Einfluss der molekularen Geometrie auf die Aktivität und die Reaktivität einer Substanz ist ein grundlegendes Prinzip in der Chemie und Biologie. Studien haben gezeigt, dass auf der molekularen Ebene selbst die Orientierung einer einzelnen chemischen Bindung darüber entscheiden kann, ob und wie schnell eine chemische Reaktion abläuft. "Flexible Moleküle sind in gewisser Weise einem Zauberwürfel sehr ähnlich. Es ist immer derselbe Würfel, den man in den Händen hält, aber das Muster das man sieht, seine 'chemische Reaktivität', hängt stark davon ab, wie man die einzelnen Komponenten zueinander verdreht", so Christian Brand von der Fakultät für Physik der Universität Wien.
Allerdings können die Moleküle bei Raumtemperatur ihre Form im Bruchteil einer Sekunde verändern, was ihre Selektion für kontrollierte Experimente deutlich erschwert. Um Konformere auszuwählen, nutzen etablierte Methoden sehr erfolgreich Unterschiede in der Verteilung der Elektronen innerhalb des Moleküls. Allerdings sind diese Eigenschaften für Moleküle, die viele verschiedene Geometrien annehmen können, oftmals fast nicht unterscheidbar. Wissenschafter der Universität Wien und der Universität Duisburg-Essen haben nun eine neue Methode gefunden, diese Einschränkung durch molekulare Materiewelleninterferenz zu umgehen.
Molekulare Materiewelleninterferenz
Die grundlegende Idee ist, dass jedes Konformer leicht unterschiedlich auf Licht einer bestimmten Wellenlänge reagiert. Während ein Konformer Licht einer bestimmten Wellenlänge absorbiert, spüren alle anderen Konformere lediglich eine anziehende Kraft. So ist es möglich die verschiedenen Strukturen über Quanteninterferenz zu selektieren. "Materiewellenbeugung erlaubt uns sehr effektiv einzelne molekulare Strukturen anzusprechen. Damit können wir jedes vorhandene Konformer isolieren", sagt Benjamin Stickler, einer der führenden Autoren der Studie.
Im Experiment kühlten die Wissenschafter die Moleküle mit Hilfe eines Gasstrahls ab, um so die Umwandlung der Konformere zu verhindern. Lässt man den Strahl einen schmalen Schlitz passieren, wird die quantenmechanische Natur der Moleküle hervorgerufen. Das Ergebnis ist eine räumliche Delokalisierung, wobei sich jedes Molekül auf über einen Mikrometer ausdehnt. Sobald dieser nicht-klassische Zustand präpariert ist, werden die Moleküle an einer Stehwelle aus intensivem Laserlicht gebeugt. Da die Quantenmechanik es verbietet, die exakte Position des Moleküls vorauszusagen, durchläuft die quantenmechanische Wellenfunktion das Gitter an mehreren Orten zugleich. Das führt zu einem charakteristischen Interferenzmuster hinter dem Gitter.
Mit einem zusätzlichen Schlitzpaar hinter dem Lasergitter und angepasster Wellenlänge des Gitters können die Physiker sicherstellen, dass nur Moleküle mit einer bestimmten Geometrie das Schlitzpaar passieren. Die neue Methode ermöglicht es, einzelne Molekülstrukturen zu isolieren, die mit bisherigen Methoden nicht separierbar waren, was insbesondere für die Forschung an Biomolekülen sowie für die Atmosphärenchemie und die Katalyseforschung relevant ist.
Publikation in "Physical Review Letters" 121, 173002 (2018)
C. Brand, B. A. Stickler, C. Knobloch, A. Shayeghi, K. Hornberger, M. Arndt
"Conformer selection by matter-wave interference"
DOI: 10.1103/PhysRevLett.121.173002
Wissenschaftlicher Kontakt
Dr. Christian Brand
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