Mathematiker Markowich rekonstruiert historische Bilder

Peter Markowich, Professor für Mathematik an der Universität Wien, arbeitet im Rahmen eines Projekts des Wiener Wissenschafts-, Forschungs- und Technologiefonds (WWTF) an einer neuen Bildbearbeitungssoftware. Mit dieser Software können Fresken aus dem Mittelalter rekonstruiert, aber auch moderne Lichtinstallationen ausgetüftelt werden.

Im November 2006 startete am Institut für Mathematik der Universität Wien das vierjährige, mit 400.000 Euro dotierte WWTF-Projekt "Mathematical Methods for Image Analysis and Processing in the Visual Arts" unter der Leitung von Univ.-Prof. Dr. Peter Markovich. Dabei geht es darum, das Restaurieren, Produzieren und Präsentieren bildender Kunst mit Hilfe komplexer mathematischer Rechenmodelle entscheidend zu verbessern.

Mathematische Wiederherstellung mittelalterlicher Fresken
Derzeit werden die im Jahr 1398 entstandenen Neidhart-Fresken im Haus Tuchlauben 19 im ersten Wiener Bezirk restauriert. Es handelt sich dabei um Wiens älteste nicht-religiöse Fresken. Die Bilder zeigen Szenen aus Leben und Dichtung des Minnesängers Neidhart von Reuental. Sein Lieblingsthema waren wohl erotische Beziehungen zwischen Bauernmädchen und Rittern. Leopold Friedrich Pfeiffer, ein späterer Bewohner des Hauses und Kirchmeister zu St. Stephan, hatte für die Bilder wenig übrig und ließ die Fresken unter einer Putzschicht verschwinden.

Erst vor 27 Jahren wurde die Wandmalerei bei Renovierungsarbeiten wiederentdeckt. Durch die Übermalung und den hohen Salzgehalt der Wände sind heute Teile der Bilder völlig zerstört. Markowichs neue Bildbearbeitungssoftware unterstützt nun die RestauratorInnen um Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Wolfgang Baatz von der Akademie der bildenden Künste bei der Rekonstruktion der zerstörten Bildteile. Ziel des komplexen Softwarepakets ist es zu ermöglichen, dass am Bildschirm verschiedene Ergänzungsvarianten der Fresken durchgespielt werden, um daraus die vermutlich originalgetreueste Rekonstruktion auswählen zu können.

Die praktischen Probleme der Bildbearbeitung führen den Mathematiker zu neuen, ungewöhnlichen Herangehensweisen in der mathematischen Theorie: "Die Arbeit an den Lösungen für die Bildanalyse und Bearbeitung erfordert neue analytische und numerische Zugänge." Diese neue Mathematik – auf den Gebieten der nichtlinearen partiellen Differentialgleichungen und der Variationsrechnung – ist Markowich letztendlich das Wichtigste: "Bilder sind eine wichtige Inspiration für mich. Ich bin leidenschaftlicher Fotograf. Aber zuallererst bin ich Mathematiker."

Die neue Software soll Kanten, Ränder und Übergänge im Bild erkennen und ihre möglichen Fortsetzungen im zerstörten Bereich berechnen können. Im Gegensatz zu bereits existierenden Programmen wie etwa Photoshop soll das neue Programm seine Stärken vor allem bei großflächigen Ausbesserungsarbeiten entfalten und den Bildinhalt, der am wahrscheinlichsten dem Original entspricht, errechnen: Wenn Peter Markowich sein Vorhaben verwirklichen kann, wird er in ein paar Jahren dem RestauratorInnenteam verschiedene Bilder vorlegen können, die zeigen, wie die Neidhart-Fresken möglicherweise ursprünglich ausgesehen haben. Sein Bildbearbeitungs-Programm wäre dann natürlich auch bei anderen beschädigten Bildern anwendbar.

Auf Knopfdruck mehrere Rekonstruktionsvarianten
Auch auf dem Gebiet der Präsentation beschädigter Kunst könnte die geplante Software neue Wege eröffnen: Üblicherweise macht man in der Restauration Ergänzungen am Original oder hängt ein Bild daneben, auf dem rekonstruiert wurde, wie das Original einmal ausgesehen haben könnte. Ein Programm, mit dem die BesucherInnen auf Bildschirmen mehrere Rekonstruktionsvarianten durchspielen können, würde die Originale schützen und den verändernden Einfluss, den eine Rekonstruktion immer hat, deutlicher vermitteln.

Weitere Einsatzmöglichkeiten für seine mathematischen Werkzeuge sieht Markowich in der Produktion von Kunst: Ein Teilprojekt, an dem er derzeit gemeinsam mit Univ.-Prof. Mag. Brigitte Kowanz von der Universität für angewandte Kunst arbeitet, beschäftigt sich mit dem Modifizieren von Lichtinstallationen. Mit der kommerziellen Verwertung der Ergebnisse will sich Markowich in einem eigenen Projekt beschäftigen: Angedacht sind die Entwicklung eines Photoshop-Plugins und die Vermarktung der Software an Museen, Auktionshäuser und Galerien.

Kontakt
O. Univ.-Prof. Dr. Peter Markowich
Institut für Mathematik
Universität Wien
1090 Wien, Nordbergstraße 15
T +43-1-4277-506 11
M +43-664-602 77-506 11
peter.markowich(at)univie.ac.at 
www.peter-markowich.net

Rückfragehinweis
Mag. Veronika Schallhart
Öffentlichkeitsarbeit und Veranstaltungsmanagement
Universität Wien
1010 Wien, Dr.-Karl-Lueger-Ring 1
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M +43-664-602 77-175 30
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