Klimaforschung: Verschmutzte Luft führt nicht zu mehr Wolken

Vor industrieller Revolution gab es mehr Wolken am Himmel als angenommen

Wolkiger als bisher vermutet präsentierte sich das Klima vor der industriellen Revolution. Diesen Rückschluss lassen neueste Experimente am CERN zu, an dem auch Aerosolphysiker der Universität Wien beteiligt waren. Wie sich beim CLOUD-Experiment zeigt, produzieren organische Dämpfe, die von Bäumen in die Umgebung abgegeben werden, zahlreiche Aerosolpartikel in der Atmosphäre. Bislang ging man davon aus, dass Schwefelsäure – vorwiegend aus fossilen Brennstoffen – essentiell ist, um Partikelneubildung zu initiieren. Weiters konnte gezeigt werden, dass diese sogenannten biogenen Dämpfe auch beim Wachstum der neugebildeten Teilchen bis hin zu Größen von Wolkenkondensationskernen eine Schlüsselrolle spielen. Die Ergebnisse der Studie erscheinen aktuell im renommierten Fachmagazin Nature.

Der internationale Klimabeirat (IPCC) betrachtet die Zunahme an Aerosolpartikeln und Wolken seit vorindustrieller Zeit als größten Unsicherheitsfaktor bei der Klimaerwärmung. Das Experiment CLOUD (Cosmics Leaving OUtdoor Droplets) wurde entwickelt um zu verstehen, wie sich in der Atmosphäre neue Aerosolpartikel bilden und wachsen. So kann auch der Einfluss von Ionen untersucht werden, die durch kosmische Strahlung entstehen. Quantitative Messungen ergaben dabei eine Zunahme der Produktionsrate von organischen Teilchen um einen Faktor 10-100 verglichen mit Situationen ohne diese Ionen. Daraus lässt sich schließen, dass kosmische Strahlung in vorindustrieller Zeit einen größeren Einfluss auf Aerosol- und Wolkenbildung hatte, als unter heutigen – relativ schmutzigen – Bedingungen.

Über CLOUD
Das CLOUD-Experiment wird von einem internationalen Konsortium, bestehend aus 21 Instituten, geleitet, an dem auch neun österreichische ForscherInnen aus dem In- und Ausland mitarbeiten. Ein Team um Paul Winkler von der Fakultät für Physik der Universität Wien beteiligte sich an den Experimenten vorrangig durch die Bestimmung der Aerosolgrößenverteilung, die bei der Entstehung von Wolken essentiell ist. "Dazu werden Teilchen in einem veränderlichen elektrischen Feld eines Zylinderkondensators nach ihrer Größe selektiert und anschließend detektiert", erklärt der Aerosolphysiker Paul Winkler. In weiterer Folge kann die Häufigkeitsverteilung von Aerosolteilchen in unterschiedlichen Größenklassen sowie das Wachstum von dynamischen Aerosolteilchen bestimmt werden.

Folgen für Klimaforschung
Die Konsequenzen der neuen Erkenntnisse sind vielfältig. “Ioneninduzierte Nukleation von rein biogenen Teilchen spielt offenbar eine wichtige Rolle in sauberen Umgebungen. Es handelt sich hier um einen bislang unbekannten Effekt, durch den die Natur Aerosolteilchen ohne Verschmutzung bilden kann“, so Winkler. Wenn sich diese neuen Teilchen einmal gebildet haben, können weitere, gleichzeitig vorhandene organische Dämpfe das Partikelwachstum beschleunigen. Ein schnelles Anwachsen erhöht die Überlebenschancen von Nanoteilchen, die sich sonst aufgrund ihrer hohen Diffusivität rasch an größere Teilchen anlagern und wieder verloren gehen. Wenn diese Teilchen allerdings eine Größe von ca. 100 Nanometern erreichen, können sie als Wolkenkondensationskerne indirekt die Strahlungseigenschaften von Wolken beeinflussen und werden somit klimawirksam. "Die ioneninduzierte Nukleation von Teilchen könnte sogar Bewegung in die spannende Frage bringen, ob es in vorindustrieller Zeit einen physikalischen Mechanismus im Zusammenhang mit der Sonnen-Klima-Variabilität gab", erklärt Winkler abschließend.

Publikationen in "Nature"
Kirkby, J. et al. Ion-induced nucleation of pure biogenic particles. Nature,
Doi 10.1038/nature17953 (2016).

Tröstl, J. et al. The role of low-volatility organic compounds in initial particle growth in the atmosphere. Nature,
Doi 10.1038/nature18271 (2016).

Video zur Forschungsarbeit: http://nanodynamite.at/outreach.html

Wissenschaftlicher Kontakt

Dr. Paul Winkler

Aerosolphysik und Umweltphysik
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1090 - Wien, Boltzmanngasse 5
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