Die verschränkte Zeit der Quantengravitation

Zwei Föderations-Raumschiffe, die im Zuge einer Trainigns-Mission aufeinander schießen.

Die Theorien der Quantenmechanik und der Gravitation sind dafür bekannt, trotz der Bemühungen unzähliger PhysikerInnen in den letzten 50 Jahren, miteinander inkompatibel zu sein. Vor kurzem ist es jedoch einem internationalen Forschungsteam von PhysikerInnen der Universität Wien, der Österreichischen Akademie der Wissenschaften sowie der Universität Queensland (AUS) und dem Stevens Institute of Technology (USA) gelungen, wichtige Bestandteile der beiden Theorien, die den Verlauf der Zeit beschreiben, zu verbinden. Sie fanden heraus, dass die zeitliche Abfolge von Ereignissen echte Quanteneigenschaften aufweisen kann.

Der allgemeinen Relativitätstheorie zufolge verlangsamt die Anwesenheit eines schweren Körpers die Zeit. Das bedeutet, dass eine Uhr in der Nähe eines schweren Körpers langsamer läuft als eine idente Uhr, die sich viel weiter entfernt befindet.

Allerdings erlauben es die Gesetze der Quantentheorie, dass ein beliebiger Körper in einem Superpositionszustand gebildet werden kann. Im Superpositionszustand befindet sich ein Körper "gleichzeitig" an zwei Orten, was nicht damit gleichzusetzen ist, diesen Körper nach dem Zufallsprinzip an einem Ort oder dem anderen zu platzieren. Der Körper existiert dabei auf eine spezifische Weise, die von den Gesetzen der Quantenphysik ermöglicht wird.

Eine der offenen Fragen in der Physik lautet: Was passiert, wenn ein Körper, der schwer genug ist, um die Zeit zu beeinflussen, in einen Quantensuperpositionszustand versetzt wird? Manche PhysikerInnen behaupten, dass solche Szenarien grundsätzlich unmöglich seien, da ein neuer Mechanismus die Entstehung der Superposition verhindern müsse, während andere ExpertInnen ganze Theorien aufstellen, basierend auf der Annahme, dass dies möglich sei.

"Unser Ausgangspunkt war die Frage, was eine Uhr unter dem Einfluss eines schweren Körpers in einem Quantensuperpositionszustand messen würde", erklärt Magdalena Zych von der Universität Queensland.

Die WissenschafterInnen hatten damit gerechnet, auf die angeblich unüberwindbaren Hindernisse zu stoßen, doch stellten überrascht fest, dass Standardmethoden der Physik ausreichten, um den Prozess genau zu beschreiben.

Sie entdeckten, dass die Positionierung eines schweren Körpers in einem Quantensuperpositionszustand in der Nähe mehrerer Uhren dazu führt, dass die von ihnen angezeigte Zeit echte Quanteneigenschaften annimmt – ein Widerspruch zu bestehenden Ansichten.

Časlav Brukner, einer der Autoren von der Universität Wien und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, ergänzt, dass die Szenarien, in denen die Zeitfolge Quanteneigenschaften aufweist, von unserer Alltagserfahrung stark abweichen. Die wichtigste Erkenntnis der Arbeit sei allerdings, "dass eine Zeitfolge mit Quanteneigenschaften tatsächlich möglich ist und neue physikalische Effekte hervorbringt."

Man stelle sich zum besseren Verständnis zwei Raumschiffe vor, die für eine Mission trainieren. Diese erhalten den Auftrag, sich zu einem bestimmten Zeitpunkt gegenseitig zu beschießen, woraufhin sie sofort ihre Triebwerke starten, um dem Angriff des anderen Schiffes auszuweichen. Schießt eines der Schiffe zu früh, zerstört es das andere, wodurch eine eindeutige Zeitfolge zwischen den Schüssen geschaffen wird. Würde jemand einen ausreichend schweren Körper, z. B. einen Planeten, nahe einem der Schiffe positionieren, würde dies dessen Zeitmessung verlangsamen. Dies würde dazu führen, dass das von dem Körper weiter entfernte Schiff zu früh schießt, um ein Ausweichen des anderen zu ermöglichen.

Die Gesetze der Quantenphysik und der Schwerkraft besagen, dass sich die Schiffe bei Herbeiführung eines Quantensuperpositionszustands des Planeten in einer Superposition wiederfinden würden, in der eines der beiden zerstört würde. Einen solchen Superpositionszustand zweier Systeme bezeichnet man als verschränkt. Die neue Arbeit zeigt, dass die zeitliche Abfolge von Ereignissen eine Superposition und Verschränkung aufweisen kann – echte Quanteneigenschaften, die besonders wichtig sind, um die Quantentheorie im Vergleich zu ihren Alternativen zu testen. Das Ergebnis kann nun als theoretisches Versuchsfeld für Rahmenbedingungen der Quantengravitation dienen und somit zu Fortschritten bei der Formulierung einer korrekten Quantengravitationstheorie beitragen.

Diese Studie wird auch für zukünftige Quantentechnologien von Bedeutung sein. Quantencomputer, die eine Rechenabfolge mit Quanteneigenschaften nutzen, könnten Geräte übertreffen, die nur mit fixen Sequenzen arbeiten. Praktische Anwendungen für Zeitfolgen mit Quanteneigenschaften brauchen keine extremen Bedingungen, wie Planeten in Superposition, und können auch ohne den Einsatz von Schwerkraft simuliert werden. Im beginnenden Zeitalter der Quantencomputer kann die Entdeckung von Quanteneigenschaften der Zeit eine Verbesserung dieser Geräte ermöglichen.

Publikation in Nature communications
:
"Bell’s theorem for temporal order" M.Zych, F.Costa, I.Pikovski, and Č. Brukner, Nature Communications volume 10, Article number: 3772 (2019)

Rückfragehinweis

Mag. Alexandra Frey

Media Relations Manager
Universität Wien
1010 - Wien, Universitätsring 1
+43-1-4277-17533
+43-664-8175675
alexandra.frey@univie.ac.at