Die RNA als Mikrochip
06. November 2018Ein neues Kapitel in der Synthese von Ribonukleinsäure
Ribonukleinsäure (RNA) zählt neben DNA und Protein zu den drei primären biologischen Makromolekülen und war wahrscheinlich auch das erste, welches den frühen Formen des Lebens entsprang. Laut RNA-Welt-Hypothese ist RNA in der Lage, aus sich selbst heraus Leben hervorzubringen, Informationen zu speichern und biochemische Reaktionen zu katalysieren. Selbst in heutigen Lebensformen bestehen die komplexesten zellulären Funktionseinheiten, die Ribosomen, zum größten Teil aus RNA. ChemikerInnen der Fakultät für Chemie der Universität Wien und der McGill University haben nun einen neuen synthetischen Ansatz entwickelt, mit dem RNA etwa eine Million Mal effizienter chemisch synthetisiert werden kann als zuvor.
RNA ist in Zellen allgegenwärtig. Sie ist für den Transport von Information aus dem Nukleus, die Regulation der Genexpression und die Proteinsynthese zuständig. Manche RNA Moleküle, speziell bei Bakterien, katalysieren auch biochemische Reaktionen und dienen als Sensoren für Umweltsignale.
Die chemische Synthese von DNA und RNA begann in den frühen Zeiten der Molekularbiologie, wobei ihre Anfänge in den 60er Jahren insbesondere auf die Arbeiten des Nobelpreisträgers Har Gobind Khorana zur Entschlüsselung des genetischen Codes zurückgehen. Seither gab es bedeutende Entwicklungen in der Synthesechemie. Die RNA-Synthese blieb ein schwieriges Forschungsgebiet mit vergleichsweise geringen Fortschritten, da die Notwendigkeit einer zusätzlichen Schutzgruppe an der 2'-Hydroxylgruppe des RNA-Ribosezuckers eine besondere Herausforderung darstellt. ChemikerInnen des Instituts für Anorganische Chemie an der Fakultät für Chemie der Universität Wien und der McGill University konnten die RNA-Synthese nun einen großen Schritt voranbringen.
Halbleiter-Technologie und Synthese
Um die chemische Syntheseeffizienz zu steigern, vereinten die ChemikerInnen zwei Schlüsselkonzepte: Die Photolitographie aus der Halbleiter-Herstellung und die Entwicklung einer neuen Schutzgruppe.
Zunächst adaptierten die ChemikerInnen photolithographische Fertigungstechnologien aus der Halbleiter-Chip-Industrie, die üblicherweise für die Herstellung integrierter Schaltkreise verwendet wird für die chemische Synthese von RNA. Eine biologische Photolithographie ermöglicht es, RNA-Chips mit einer Dichte von bis zu einer Million Sequenzen pro Quadratzentimeter herzustellen. Statt ultraviolettem Licht, das bei der Herstellung von Computerchips für die Siliziumätzung und –dotierung genutzt wird, greifen die ForscherInnen auf UV-A-Licht zurück. "Kurzwelliges ultraviolettes Licht wirkt sich sehr destruktiv auf RNA aus – wir sind bei der Synthese deshalb auf UV-A-Licht beschränkt", erklärt Mark Somoza vom Institut für Anorganische Chemie.
Neben der innovativen Verwendung der Photolitographie konnten die ForscherInnen auch eine neue Schutzgruppe für die RNA 2'Hydroxylgruppe entwickeln, die mit photolitographischer Synthese kompatibel ist. Die neue Schutzgruppe ist Acetallevulinylester (ALE), der ebenfalls sehr hohe Ausbeuten (über 99 Prozent) der Koppelungsreaktionen zwischen den zugegebenen RNA-Monomeren bei der Verlängerung des RNA-Strangs ergibt. “Die Kombination von hohen Syntheseausbeuten und der einfachen Handhabung rückt die Herstellung von längeren und funktionalen RNA-Molekülen auf Mikrochips in absehbare Zukunft“, sagt Jory Liétard, Post-Doc der Gruppe von Mark Somoza.
Die Forschungsarbeit an RNA-Mikroarrays wurde durch den Österreichischen Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung, den Schweizerischen Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung und den Natural Sciences and Engineering Council of Canada finanziert.
Publikation in "Angewandte Chemie"
J. Lietard, D. Ameur, M. J. Damha M. M. Somoza
„In situ Synthese von high-density RNA Mikroarrays mittels Photolithographie“
Onlineveröffentlichung: September 6, 2018.
DOI: 10.1002/anie.201806895
Diese Publikation wurde open access publiziert und ist unter folgendem Link abrufbar: onlinelibrary.wiley.com/doi/abs/10.1002/anie.201806895
Wissenschaftlicher Kontakt
Assoz. Prof. Mark Somoza, Privatdoz. B.Sc. MSc PhD
Institut für Anorganische ChemieUniversität Wien
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mark.somoza@univie.ac.at
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Stephan Brodicky
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