Bankenexperte Martin Hellwig als Gastprofessor an der Universität Wien
18. Juni 2013Sind Banken anders zu behandeln als "normale" Unternehmen?
Der international profilierte deutsche Ökonom Martin Hellwig nimmt auf Einladung des Instituts für Finanzwirtschaft bis Ende des Sommersemesters 2013 eine Gastprofessur an der Universität Wien wahr. Er hält einen DoktorandInnenkurs über "Systemic Risk and Financial Regulation" und widmet sich u.a. der Frage, ob Banken anders zu behandeln sind als "normale" Unternehmen. Am 28. Juni um 11 Uhr hält er einen öffentlichen Vortrag an der "Vienna Graduate School of Finance" zum Thema "Debt Overhang and Bank Capital Regulation".
Spätestens seit der Insolvenz der US-amerikanischen Investmentbank Lehman Brothers geht das Argument der "systemischen Relevanz" von Banken zulasten der Steuerzahler, da viele Banken in der westlichen Welt kaum in der Lage sind, größere Marktrisiken mit eigenen Anlagestrategien zu meistern. Dies galt in der Liquiditätskrise 2007/08 und es gilt nach wie vor – beispielsweise in der europäischen Staatsschuldenkrise. Was versteht man also unter systemischem Risiko? Welcher Zusammenhang besteht zwischen Systemrisiko und normalem Geschäftsrisiko? Und – muss jede Bank "in Schieflage" gerettet werden, weil sonst vermutete oder behauptete systemische Risiken schlagend werden könnten?
Warum haben Banken ihre Widerstandsfähigkeit gegenüber Marktrisiken verloren?
Martin Hellwig beschäftigt sich insbesondere mit der Frage, wie gerade Banken als spezialisierte Finanzintermediäre so wenig Widerstandsfähigkeit gegenüber Marktrisiken aufweisen können. Hier identifiziert der Experte insbesondere den mit Basel verbundenen regulatorischen Prozess zur internationalen Vereinheitlichung von Eigenkapitalstandards. Dieser Prozess hat letztlich einen enormen Raubbau an effektivem Risikokapital bewirkt, das nun etwas halbherzig durch Basel III zurückgebaut werden soll, um die Krisenanfälligkeit einzelner Banken und somit des gesamten Systems zu erhöhen.
Erstaunlicherweise verwehren sich gerade die Banken selber einer Erhöhung ihrer Resilienz mit Hinweis auf Kapitalkosten und unter Androhung von "credit crunches", also Kreditverknappungen für innovative junge Unternehmen. Hellwig entlarvt diese politischen Rituale der durchaus effektiven Lobbyarbeit als Teil des gesellschaftlichen Problems. "Obwohl verantwortungsvolles Verhalten wie der Aufbau von risikotragendem Eigenkapital eigentlich positive Externalitäten für das Gesamtsystem generiert und insofern belohnt werden sollte, bewirkt die Fiskalpolitik in fast allen westlichen Ländern genau das Gegenteil: Sie belohnt (unsolide) Verschuldung und Leverage", resümiert Gastgeber Thomas Gehrig, Vizedekan der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften der Universität Wien.
Über Martin Hellwig
Martin Hellwig ist Direktor des Max-Planck-Instituts zur Erforschung von Gemeinschaftsgütern und Professor an der Universität Bonn. Zuvor bekleidete er Professuren in Princeton, Bonn, Basel, Harvard und Mannheim. 2012 wurde ihm der Max-Planck-Forschungspreis zur "Regulierung internationaler Märkte" verliehen. Martin Hellwig hat Pionierarbeiten im Bereich der Informationsverarbeitung in Finanzmärkten verfasst. Insbesondere hat er sich intensiv mit der Regulierung von Banken beschäftigt und frühzeitig auf Defizite von Basel I und Basel II hingewiesen.
Mit der Finanzmarktkrise 2007/08 sind viele der damaligen Warnungen nun teuren Realitäten gewichen. Die größten Defizite der Bankenregulierung sowie die durch sie induzierten modernen Geschäftsmodelle macht Hellwig in einem gemeinsam mit Anat Admati (Stanford University) verfassten Buch über "The Bankers New Clothes" (2013) einer allgemeinen Öffentlichkeit zugänglich.
Als Gründungsdirektor und Mitglied des Beratenden Wissenschaftlichen Ausschusses des "European Systemic Risk Board" (ESRB) berät er die Politik und die Europäische Zentralbank, wie die Widerstandsfähigkeit des gemeinsamen europäischen Finanzsystems gestärkt werden kann.
Öffentlicher Vortrag: "Debt Overhang and Bank Capital Regulation"
Zeit: Freitag, 28. Juni 2013, 11 Uhr
Ort: Vienna Graduate School of Finance, Seminarraum 1,
1190 Wien, Heiligenstädter Straße 46
Wissenschaftlicher Kontakt
Univ.-Prof. Thomas Gehrig, Ph.D.
Institut für Finanzwirtschaft
Universität Wien
1210 Wien, Brünnerstr.72
T +43-1-4277-38071
thomas.gehrig(at)univie.ac.at
Rückfragehinweis
Mag. Alexandra Frey
Pressebüro der Universität Wien
Forschung und Lehre
1010 Wien, Universitätsring 1
T +43-1-4277-175 33
M +43-664-602 77-175 33
alexandra.frey(at)univie.ac.at
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Univ.-Prof. Thomas Gehrig, Ph.D.
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