Ab wann gehören wir zum alten Eisen? Altern als Forschungsschwerpunkt

Die Menschen werden immer älter und arbeiten immer kürzer. Diesem eigentlich paradoxen Phänomen sind Josef Ehmer und Hermann Zeitlhofer vom Institut für Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Universität Wien auf der Spur.

Die Sozialhistoriker untersuchen das Verhältnis zwischen Altern und Erwerbstätigkeit und richten den Blick sowohl zurück in die Geschichte als auch auf die gegenwärtige Situation.

"Die Altersforschung ist eine intensiv wachsende Disziplin", meint O. Univ.-Prof. Dr. Josef Ehmer: "Es wird allerdings kaum historische Altersforschung betrieben. Hier besteht Aufholbedarf, denn die historische Perspektive ist notwendig, um heutige Phänomene der alternden Gesellschaft zu verstehen." Abhilfe soll das Projekt "Labor, Aging and the Elderly: Historical Variations and Trends" schaffen, das Ehmer gemeinsam mit Mag. Dr. Hermann Zeitlhofer im Rahmen des Forschungsschwerpunkts der Universität Wien "Ethische und gesellschaftliche Perspektiven des Alterns" durchführt.

Im ersten Projektteil steht der Zeitraum von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zur Gegenwart im Mittelpunkt. "Die Entwicklung der letzten 150 Jahre zeigt, dass Alter und Erwerbstätigkeit immer weiter auseinanderdriften", schildert Josef Ehmer. "Die Lebenserwartung steigt und die Menschen altern gesünder. Trotzdem scheiden ältere Menschen immer früher aus der Erwerbstätigkeit aus." Im zweiten Projektteil werden weiter zurückliegende Perioden in der Geschichte einbezogen – bis zurück in die Antike, denn Altersbilder und Altersstereotypen dieser Epoche prägen bis heute unsere Vorstellungswelt.

Arbeiten, solange es geht

Während das Bild des Alters in den Köpfen der Menschen weitgehend dasselbe geblieben ist, hat sich der Verbleib in der Erwerbstätigkeit durchaus geändert. "Vor dem 19. Jahrhundert arbeiteten die Menschen, solange es ging", weiß der Historiker. "Danach wurde es allmählich Regel, dass man zu einem kalendarischen Alter ausschied", erläutert Josef Ehmer. In Österreich bestand seit josephinischer Zeit das Modell der Beamtenpension, 1906 folgte eine Ausweitung auf Angestellte (damals Privatbeamte). Die Altersrente für Arbeiter wurde 1938 nach deutschem Modell von den Nationalsozialisten eingeführt und nach 1945 beibehalten.

Probleme der Gegenwart

Die offizielle Altersgrenze für den Pensionsantritt (65 Jahre für Männer, 60 bzw. 65 für Frauen) ist seither relativ stabil geblieben, doch die Realität sieht anders aus: Das faktische Pensionsantrittsalter ist – etwa durch das Instrument der Frühpensionierung – immer niedriger geworden. Hinzu kommt das Problem der Arbeitslosigkeit vor dem Rentenalter: "Dass Leute ab 65 Rente beziehen, bedeutet nicht, dass alle bis dahin Arbeit finden", so Prof. Ehmer. "Das ist ein internationales Problem, das Handlungsbedarf erfordert."

Kontakt:
O. Univ.-Prof. Dr. Josef Ehmer
Institut für Wirtschafts- und Sozialgeschichte
Historisch-Kulturwissenschaftliche Fakultät der Universität Wien
T +43-4277-413 11
M +43-699-105 879 75
josef.ehmer(at)univie.ac.at

Rückfragehinweis:
Mag. Alexandra Frey
Öffentlichkeitsarbeit und Veranstaltungsmanagement
Universität Wien
1010 Wien, Dr.-Karl-Lueger-Ring 1
T +43-1-4277-175 31
alexandra.frey(at)univie.ac.at