Zur Vermessung der Lipid-Landschaft
28. April 2020Software LipidCreator ermöglicht gezielte Charakterisierung von 60 Lipidklassen in Zellen mittels Massenspektrometrie
Die vielfältigen Funktionen der Lipide im Körper, z.B. als Blutfette oder bei der Blutgerinnung, versucht die Forschung zunehmend zu nutzen, um Erkrankungen besser zu verstehen und vorhersagen zu können. Ein internationales Team um Robert Ahrends von der Fakultät für Chemie der Universität Wien stellt nun in der Fachzeitschrift „Nature Communications“ ein wegweisendes Analysewerkzeug für Lipide vor: Die Software LipidCreator ermöglicht es, viel schneller und effizienter spezifische Lipidgruppen und Lipidsignalmoleküle sowohl qualitativ wie auch quantitativ mittels der Massenspektrometrie zu charakterisieren. Die Forscher*innen konnten ihr neuartiges Verfahren schon erfolgreich bei der Analyse von Blutbestandteilen anwenden.
Lipide haben ein großes Potenzial als Biomarker. Denn das Leben, so wie wir es kennen, ist eingehüllt von Lipiden, Fetten und Wachse: Sie bilden Zellen und Organellen, vermitteln Informationen, schützen unseren Organismus vor den rauen Umweltbedingungen und dienen als Energiebausteine. „Wir wissen noch gar nicht so lange, wie vielfältig die Funktionen der Lipide sind“, sagt der Biochemiker Robert Ahrends, der mit Anfang 2020 eine Tenure Track Professur für Lipidomik – also die Analyse der Gesamtheit der Lipide einer Zelle, eines Gewebes oder eines Organismus – an der Universität Wien angetreten hat.
Die von Ahrends und Kolleg*innen neu entwickelte Software LipidCreator ist ein wichtiger Schritt, die Lipidomik zu etablieren: „Die Software ermöglicht uns Forscher*innen die zielgenaue und effiziente Entwicklung von neuen Analyseverfahren, macht sie einfach auf andere Labore übertragbar und dient gleichzeitig als riesige, leicht zugängliche Bibliothek, um Lipidwissen schnell abzurufen“, sagt Studienautor Robert Ahrends vom Institut für Analytische Chemie.
Mit Unterstützung der entwickelten Software können die Forscher*innen nun rund 60 Lipidklassen und ihre verschiedenen Lipidsignalmoleküle in großen Studien quantifizieren, Arbeitsabläufe zur Analyse neuer Ziel-Moleküle schnell einrichten sowie die Ergebnisse einfach überprüfen und validieren.
Schatz der Lipide bergen
Die Lipide sind chemisch sehr unterschiedlich, komplex aufgebaut und bestehen aus Kombinationen verschiedener Bausteine, wie z.B. unterschiedlichen Zuckern, Fettacylen und auch verschiedenen Bindungstypen. Die Massenspektrometrie (MS) ist in den vergangenen Jahren sowohl schneller als auch empfindlicher geworden. Spezielle Weiterentwicklungen der MS ermöglichen heute die Identifizierung von bis 500 Lipiden, die chemischen Komponenten und Strukturen der Lipide können über die Massen der einzelnen Lipidfragmente entschlüsselt werden können. Trotz des rasanten Wachstums der Lipidomik fehlten bisher umfassende Softwarelösungen für gezielte massenspektrometrische Analysen spezifischer Lipidgruppen.
Mit klinischer Perspektive
Dass LipidCReator auch für klinische Anwendungen höchst interessant ist, demonstrierten die Forscher*innen um Ahrends anhand zweier Anwendungen: Lipide sind in unterschiedlichen Formen wichtig Energielieferanten, die durch das Blut transportiert werden. Sie sind – als wichtige Faktoren der Signalübertragung zwischen Zellen – auch in die Aktivierung der Blutplättchen (Thrombozyten) involviert, die wiederum für die Blutgerinnung wichtig sind.
Das Team setzte die Software erfolgreich ein, um Lipide in Blutplasma zu charakterisieren sowie die Rolle der Lipide bei der Aktivierung der Thrombozyten genauer zu analysieren. Mittels der Daten könnten sich den Forscher*innen zufolge z.B. auch Rückschlüsse auf Faktoren für die Blutgerinnung und letztlich auch die Entstehung der Thrombose ableiten lassen.
Publikation in Nature Communications:
LipidCreator workbench to probe the lipidomic landscape, Bing Peng, Dominik Kopczynski, Brian S. Pratt, Christer S. Ejsing, Bo Burla, Martin Hermansson, Peter Imre Benke, Sock Hwee Tan, Mark Y Chan, Federico Torta, Dominik Schwudke, Sven Meckelmann, Cristina Coman, Oliver J. Schmitz, Brendan MacLean, Mailin-Christin Manke, Oliver Borst, Markus R. Wenk, Nils Hoffmann, Robert Ahrends
DOI: 10.1038/s41467-020-15960-z
Wissenschaftlicher Kontakt
Univ.-Prof. Dr. Robert Ahrends
Institut für Analytische ChemieUniversität Wien
1090 - Wien, Währinger Straße 38
+43-1-4277-52304
robert.ahrends@univie.ac.at
Rückfragehinweis
Mag. Alexandra Frey
Media Relations ManagerUniversität Wien
1010 - Wien, Universitätsring 1
+43-1-4277-17533
+43-664-8175675
alexandra.frey@univie.ac.at
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