Wissenschaftsphilosoph Martin Kusch: Von Cambridge an die Universität Wien
26. Januar 2010Martin Kusch, Wissenschaftsphilosoph (printfähiges Foto-Download am Textende).
Martin Kusch hält seit 2009 die Professur für Angewandte Wissenschaftstheorie und Theorie des Wissens an der Fakultät für Philosophie und Bildungswissenschaft. An der Universität Wien reizte den vielgereisten Philosophen, zu dessen Stationen zuletzt die Universität Cambridge zählte, dass er hier eine große philosophische Community vorfindet, mit der er sich zu seinem Thema – dem Spannungsfeld von Wissenschaftsphilosophie und -soziologie – austauschen kann.
Nach seiner Beschäftigung mit Marxismus, Hermeneutik und Phänomenologie – "ganz klassische philosophische Traditionen" – setzte sich Kusch intensiv mit Michel Foucault und französischer Wissenschaftsphilosophie und -geschichte auseinander: "Die Richtung, durch die ich zur Wissenschaftstheorie kam, war stark mit soziologischen, politischen und historischen Fragen verbunden." Damit war es für Martin Kusch kein großer Sprung zur Wissenschaftssoziologie, d. h. Wissenschaft unter Berücksichtigung von Machtverhältnissen, Kontroll- oder Unterdrückungsmechanismen zu analysieren: "Was mich daran besonders reizte – und das gilt bis heute –, ist, dass sich Foucaults Fragen auch auf die Naturwissenschaften bezogen stellen lassen."
Wem gehört Wissen?
Grundfragen der Wissenschaftssoziologie und der soziologisch beeinflussten Wissenschaftsphilosophie, mit denen sich Kusch in mehreren Publikationen und Buchprojekten auseinandersetzte, lauten u.a.: Wie beeinflussen soziologische Faktoren die Wahl zwischen wissenschaftlichen Theorien? Ist wissenschaftliches Wissen das Besitztum von Individuen oder von Gruppen? Kann ein einzelner Wissenschaftler überhaupt etwas wissen, oder ist er vom Wissen anderer abhängig?
"Ich habe versucht, die WissenschaftssoziologInnen davon zu überzeugen, dass die Wissenschaftsphilosophie durchaus wichtige Ideen und Werkzeuge enthält. Das heißt, ich habe versucht, Brücken zwischen Wissenschaftssoziologie und Philosophie zu bauen. Damit beschäftigen sich auch alle meine Publikationen", so Kusch.
Von Cambridge nach Wien
Nach Lehraufträgen an den Universitäten Toronto und Auckland zog es Martin Kusch erst an die Universität Edinburgh, wo er von 1993 bis 1996 als Assistenzprofessor in der Wissenschaftssoziologie wirkte und dann an die Universität Cambridge, wo er von 2003 bis 2009 Professor für Wissenschaftsphilosophie war.
In Martin Kuschs "Department of History and Philosophy of Science" in Cambridge waren nur drei Philosophen beschäftigt, die auch andere Forschungsschwerpunkte hatten. Daraus ergab sich der Wunsch, an ein größeres und "rein" philosophisches Institut zu wechseln. "Just kam die Stellenausschreibung der Universität Wien, und ich wusste, dass Wien in vieler Hinsicht ein guter Platz für mich wäre: Ich kannte hier schon einige WissenschaftsforscherInnen, die ich sehr schätze, wie z.B. Mitchell Ash, Ulrike Felt, Mona Singer oder Friedrich Stadler. Darüber hinaus blickt Wien auf eine lange Tradition in der Wissenschaftstheorie zurück." An der Universität Wien möchte sich Kusch nun weniger auf philosophiehistorische Themen als auf systematische Gegenwartsprobleme der Wissenschaftsphilosophie und der Erkenntnistheorie konzentrieren.
Herausforderung in der Lehre
Nicht nur die eigene Forschung, sondern auch die Lehre hat für Martin Kusch einen hohen Stellenwert: "In Cambridge hatten wir pro Jahr 20 bis 25 Studierende. Hier sind es 3.000. Mich interessiert es herauszufinden, inwieweit man die pädagogischen Vorteile einer intensiven Betreuung auch bei größeren Gruppen umsetzen kann." Weiters ist es für Kusch selbstverständlich, dass er selbst auch Einführungsvorlesungen hält, "denn in solchen Lehrveranstaltungen werden die Grundsteine einer soliden Ausbildung gelegt."
Kontakt:
Univ.-Prof. Dr. Martin Kusch
Institut für Philosophie
Universität Wien
1010 Wien, Universitätsstraße 7 (NIG)
T: +43-1-4277-476 22
martin.kusch(at)univie.ac.at
http://univie.academia.edu/MartinKusch
Rückfragehinweis:
Mag. Alexandra Frey
Öffentlichkeitsarbeit
Universität Wien
1010 Wien, Dr.-Karl-Lueger-Ring 1
T +43-1-4277-175 31
M +43-664-602 77-175 31
alexandra.frey(at)univie.ac.at