William C. Kirby: Chinesische, europäische und amerikanische Universitäten. Herausforderungen für das 21. Jahrhundert

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Kurzfassung des Vortrags – ein Plädoyer für die Geisteswissenschaften

William C. Kirby ist Sinologe und forscht über das Bildungswesen in der Volksrepublik China. Er ist Professor an der Harvard Universität und hat in den letzten Jahren wichtige Ämter in der akademischen Selbstverwaltung übernommen, zuletzt war er Dekan der Faculty of Arts and Sciences. Er ist mit den Universitäten in Europa vertraut und analysiert vor diesem Hintergrund die Bedeutung Chinas für die internationale Bildungs- und Forschungsentwicklung. Dabei geht er auf die enorme Zunahme von höherer Bildung in China in den letzten Jahren ein. Er vergleicht das aktuelle chinesische Bildungssystem mit früheren chinesischen Lehr- und Lernsystemen und anderen internationalen Entwicklungen im Bereich der höheren Bildung besonders in Europa und Nordamerika.

Chinesische, europäische und amerikanische Universitäten haben eine Menge gemeinsamer Ziele, aber auch Probleme. In seinen Ausführungen tritt Kirby dafür ein, die Lehre ernster zu nehmen als bisher, und berichtet über die Bemühungen, im Bereich der Curricula-Entwicklungen neue Akzente zu setzen. Er erörtert die vielerorts umstrittene Rolle der Geisteswissenschaften und hebt deren Bedeutung als Teil einer universellen Bildungsidee hervor. Vor allem die weltweit führenden Universitäten müssen sich zum Ziel setzen, AbsolventInnen mit Kritikfähigkeit und Führungsqualitäten hervorzubringen. Nur so werden sie ihrer Rolle gerecht und unterscheiden sich von fachbezogenen höheren Bildungsinstitutionen, die Studierende berufsbezogen ausbilden.

William C. Kirby: Weltweit führender Sinologe und Direktor des John K. Fairbank Centers an der Harvard Universität

Internationaler Einfluss verändert China
Das zentrale Thema der China-Forschung von Kirby ist die Frage nach dem internationalen Einfluss auf die inneren Verhältnisse in China nach dem Zusammenbruch des Kaiserreiches und dem von den Großmächten der damaligen Zeit erzwungenen Eintritt Chinas in die Welt der Nationen. Dabei vertritt er die Ansicht, dass der internationale Einfluss von entscheidender Bedeutung für die Entwicklung Chinas im 20. Jahrhundert gewesen ist. Er tritt damit einem bis heute in der Sinologie weit verbreiteten Sino-Zentrismus entgegen und zeigt, dass der internationale Kontext stets eine den inneren Bedingungen entsprechende Adaption erfuhr, die bis zum heutigen Tag China so besonders erscheinen lässt.

China ist für Kirby nicht in erster Linie das viel beschworene Opfer ausländischer Aggression, es ist auch und immer wieder Gestalter jenes Prozesses der Integration von Nicht-Chinesischem in Partikular-Chinesisches.

Asiatische Lernkultur – die europäische Herausforderung
Kirby forscht über China jenseits der meist ideologisch gefärbten Chinoiserien und kommt zu wichtigen, wenn auch oft unbequemen Ergebnissen. Aber er setzt auch seine in Asien gewonnenen Erkenntnisse und Erfahrungen um. Nur wer sich mit den Traditionen einer Lernkultur auseinandersetzt, auf die China sich heute in seiner Aufholjagd genauso stützen kann wie andere traditionell vom Konfuzianismus geprägte Gesellschaften in Asien, kann verstehen, welche Rolle China in der internationalen Welt der Universitäten zu spielen im Stande ist. Im 19. Jahrhundert war der Westen eine Herausforderung für China, heute ist es umgekehrt: China ist die Herausforderung für den Westen. Und die Tatsache, dass China über ein schier unerschöpfliches Heer an jungen Menschen verfügt, die mittels Bildung ihren Erfolg suchen, ist eine Herausforderung mit weitreichenden Auswirkungen.

Wenn William Kirby in seiner Funktion als Dean an der Harvard University die Internationalisierung seiner Universität und des Studiums an dieser von vielen bewunderten Stätte des Lernens forderte, wenn er seine Kollegen zu überzeugen suchte, mehr Zeit für die undergraduates aufzubringen und sich nicht ausschließlich auf die forschungsorientierten StudentInnen zu konzentrieren, dann tat er dies aus dem Wissen heraus, dass man sich einem globalisierten Bildungsmarkt anzupassen hat, der junge Menschen hervorbringt, welche sich der „chinesischen Herausforderung“ erfolgreich stellen.

Kurzbiografie
William C. Kirby gehört zu den profiliertesten China-Historikern seiner Generation. Als Dean der Faculty of Arts and Sciences der Harvard University (bis 2006) ist er mit dem amerikanischen Hochschulwesen bestens vertraut. Das europäische Hochschulsystem kennt Kirby, seitdem er in den 1970er Jahren an verschiedenen deutschen Universitäten studiert hat. 2006 erhielt er die Ehrendoktorwürde der Freien Universität Berlin.


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