Start der Veranstaltungsreihe "Media Activism"
10. Mai 2010Fotos der Diskussionsteilnehmer am Seitenende (Webauflösung)
Innerhalb von nur einem Jahr stellte "Radio Alice" mit anderen nichtkommerziellen Stationen die italienische Radiolandschaft der 1970er auf den Kopf. Vor 33 Jahren wurde der Sender geschlossen. Zu diesem Jubiläum startet das Institut für Theater-, Film- und Medienwissenschaft (TFM) der Universität Wien die neue Veranstaltungsreihe "Media Activism": Am 20. Mai 2010 diskutieren einstige Gründer und Mitarbeiter von "Radio Alice" mit Klemens Gruber, Professor für Intermedialität am TFM. Tags darauf folgt die Präsentation des Dokumentarfilms "Alice é in Paradiso".
Radio Alice" war ein Sender seiner Zeit: politisch, unkonventionell und mit gesellschaftlichem Veränderungsdrang. Es startete im Februar 1976 mit der Aufhebung des Monopols der staatlichen RAI. Binnen kurzem entstanden in Italien rund 150 unabhängige Sender, die sich als freie, demokratische und nicht kommerzielle Radios verstanden. "Kurz vor Beginn des Privatfernsehens verwandelte sich das Land in ein soziales Laboratorium", erklärt Klemens Gruber, Professor am Institut für Theater-, Film- und Medienwissenschaft. Medienexperimente spielten dabei eine entscheidende Rolle: Das Programm von "Radio Alice" entstand meist spontan, nur wenige Beiträge wurden vorgefertigt und die Koppelung von Radio und Telefon erzeugte eine neue Direktheit der Kommunikation. Radiosendungen waren also bereits damals interaktiv – doch im Gegensatz zu heutigen Call-In-Shows wurden auf "Radio Alice" jegliche Anrufe unmittelbar live gesendet.
Diskussion und Buchpräsentation
Den damaligen medialen und gesellschaftlichen Umbrüchen gehen die Teilnehmer mehrerer Veranstaltungen nach: Unter dem Titel "Radio Alice: 33 Years after" diskutiert Medienwissenschafter Gruber am Donnerstag, 20. Mai 2010 ab 19 Uhr (Depot, 1070 Wien, Breite Gasse 3) u.a. mit den Mitgründern des Senders Maurizio Torrealta und Franco Berardi. Die Diskussion ist gleichzeitig der Auftakt der Reihe "Media Activism" des Instituts für Theater-, Film- und Medienwissenschaft.
Ebenso wird an diesem Abend die Neuauflage des Buches Die zerstreute Avantgarde. Strategische Kommunikation im Italien der 70er Jahre präsentiert. Klemens Gruber beschreibt darin das Besondere von "Radio Alice": "Wenn das Radio allen offensteht, die etwas sagen wollen, und zugleich allem, wovon man nicht spricht, wird es zum Durchgangsort, an dem ansonsten unhörbare und unerhörte Stimmen verstärkt werden."
Zwischen Scherzen und Verhaftung
Franco Berardi, Mitbegründer von "Radio Alice", berichtet vom Zwiespalt der damaligen Arbeit: "Wir ließen keine Gelegenheit aus, Scherze zu machen". Andererseits: "Hunderte Menschen saßen in den italienischen Gefängnissen, während der italienische Innenminister Francesco Cossiga, all jenen mit Repression und Panzern drohte, die es wagen sollten, auf der Straße gegen die Regierungspolitik zu protestieren", so Berardi, heute Philosoph und Medientheoretiker, der resümiert: "Aber die Lust, mit Worten zu spielen, war uns immer noch nicht vergangen."
Film und Kommentar
Dem Spannungsverhältnis von Regierungspolitik und zivilgesellschaftlichen politischen Entwicklungen widmet sich auch die am Freitag, 21. Mai 2010 um 19 Uhr (Depot, 1070 Wien, Breite Gasse 3) im Rahmen von "Media Activism“ präsentierte Dokumentation "Alice é in Paradiso". Franco Berardi und Enrico Palandri, Autor des Bestsellers Boccalone, eines auf den Ereignissen und Personen rund um "Radio Alice" basierenden Schlüsselromans, werden den Film kommentieren.
Media Activism 1: "Bologna 1977"
Do, 20. Mai 2010, 19 Uhr: Radio Alice: 33 Years after.
Diskussion (Deutsch, Englisch, Italienisch) mit:
Klemens Gruber, Professor für Intermedialität, Universität Wien, TFM
Maurizio Torrealta, Mitbegründer von Radio Alice, heute Chefredakteur von RAInews24 und Direktor der Journalismusschule Lelio Basso in Rom; Mafia-Experte, Spezialist für Medien und Krieg
Franco Berardi "Bifo", Mitbegründer von Radio Alice, Philosoph, Medientheoretiker und Medienaktivist
Enrico Palandri, Professor für Italienische Literatur am University College London und an der Università Ca’ Foscari Venezia, Autor zahlreicher Romane
Buchpräsentation der Neuausgabe von Klemens Gruber: Die zerstreute Avantgarde. Strategische Kommunikation im Italien der 70er Jahre, Böhlau-Verlag 2010.
Fr, 21. Mai 2010, 19 Uhr: Dokumentarfilm über "Radio Alice"
"Alice é in Paradiso" mit Kommentaren von Franco Berardi, Enrico Palandri und Klemens Gruber
I 2002, Regie: Guido Chiesa, 77 min., DVD,
Sprachen: Italienisch, deutsche Übersetzung live eingesprochen
In Kooperation mit kinoki mikrokino
Beide Veranstaltungen finden im Depot, 1070 Wien, Breite Gasse 3, statt.
Kontakt
Jana Herwig, M.A.
Institut für Theater-, Film- und Medienwissenschaft (TFM)
Universität Wien
1010 Wien, Hofburg – Batthyanystiege
T +43-1-4277-48413
jana.herwig(at)univie.ac.at
http://tfm.univie.ac.at/veranstaltungen/
http://mediaactivism.posterous.com/
Rückfragehinweis
Mag. Alexander Dworzak
Öffentlichkeitsarbeit
Universität Wien
1010 Wien, Dr.-Karl-Lueger-Ring 1
T +43-1-4277-175 31
alexander.dworzak(at)univie.ac.at
http://public.univie.ac.at