Quantenphysik: Computer entwirft originelle Experimente

Der Algorithmus Melvin hat gezeigt, dass die einfachsten Realisierungen durchaus asymmetrisch und daher nicht intuitiv sein können (Copyright: Robert Fickler, Universität Wien).

Algorithmus arbeitet nicht intuitiv – wie die Quantenwelt auch

Quantenphysik ist nicht intuitiv – viele der Phänomene der Quantenwelt haben keine klassische Entsprechung: In der Quantenwelt hat eine Münze nicht entweder Kopf oder Zahl, sondern kann beide Seiten gleichzeitig annehmen. Um solche Phänomene besser zu verstehen, sind Experimente in Laboren unverzichtbar. Quantenphysiker um Mario Krenn aus der Gruppe von Anton Zeilinger von der Fakultät für Physik der Universität Wien und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften haben dazu einen Computeralgorithmus entwickelt, der neue nützliche Experimente konzipiert. Da der Computer gänzlich ohne menschliche Intuition arbeitet, findet er innovative Lösungswege. Die aktuelle Studie dazu erscheint im Fachmagazin Physical Review Letters.

Auf die Idee kamen die Physiker, als sie einen neuen Quantenzustand im Labor untersuchen wollten, jedoch kein entsprechendes Experiment für seine Erzeugung finden konnten. "Nach vielen erfolglosen Versuchen, eine experimentelle Implementation zu finden, kamen wir zum Schluss, dass unsere menschliche Intuition zu diesem Phänomen die falsche Herangehensweise war. Schlussendlich probierten wir sogar zufällige Kombinationen von Bauelementen aus. Und das ist etwas, was ein Computer auch kann – jedoch tausende Male schneller", erklärt Mario Krenn, Dissertant in Anton Zeilingers Gruppe und Erstautor der Studie.

Nach wenigen Stunden hatte der Computer-Algorithmus – genannt Melvin – tatsächlich die Antwort auf ihre Frage gefunden. Und die Struktur der Antwort war überraschend, erklärt Anton Zeilinger: "Ein Mensch würde sich bei einem Experiment intuitiv Anordnungen überlegen, welche die Symmetrie des Zustandes reflektieren. Melvin hat uns jedoch gezeigt, dass die einfachsten Realisierungen durchaus asymmetrisch, und daher nicht intuitiv sein können. Ein Mensch würde wahrscheinlich nicht auf diese Lösung kommen".

Die Physiker haben ihren Algorithmus noch auf andere Fragen angewandt und so dutzende neue und teilweise überraschende Antworten bekommen. "Die computergenerierten Lösungen sind ziemlich kompliziert, aber wir konnten bereits einige neue experimentelle Tricks in unseren Laboren umsetzen, an die wir zuvor nicht gedacht haben", sagt Krenn.

Melvin rechnet nicht nur zufällige Kombinationen aus experimentellen Bausteinen, sondern lernt von seinen früheren Ergebnissen, was die Lösungsmöglichkeiten für kompliziertere Fragen signifikant erhöht. In Zukunft möchten die Physiker ihren Algorithmus auch auf allgemeinere Fragen in der Quantenphysik anwenden: "Wir hoffen, das hilft uns für die Untersuchung von neuen Quantenphänomenen im Labor", so Krenn abschließend.

Diese Studie wurde unterstützt durch die Österreichische Akademie der Wissenschaften (ÖAW), den Europäischen Forschungsrat (SIQS Grant No. 600645 EUFP7-ICT) und den österreichischen Wissenschaftsfond (FWF) durch SFB F40 (FOQUS).

Publikation in "Physical Review Letters"
Mario Krenn, Mehul Malik, Robert Fickler, Radek Lapkiewicz, Anton Zeilinger: Automated Search for new Quantum Experiments, Physical Review Letters, 22. Februar 2016
http://arxiv.org/abs/1509.02749

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