Pharmakologie-Diplomandin publiziert international über viel versprechende Suche nach nebenwirkungsarmen Schlafmitteln
12. Dezember 2005Sophia Khom, Diplomandin am Department für Pharmakologie und Toxikologie
Sophia Khom (24) vom Department für Pharmakologie und Toxikologie der Universität Wien forscht erfolgreich an neuen, selektiveren Arzneimitteln gegen Schlafstörungen und Angstzustände. Ihre Arbeit findet international Beachtung und wurde kürzlich im Fachjournal "Molecular Pharmacology" publiziert.
In Österreich leidet jede zehnte Person unter Schlafstörungen, die häufig mit fortschreitendem Alter zunehmen. Die zur Behandlung eingesetzten Hypnotika sind jedoch nicht ungefährlich, da sie die Reaktionsbereitschaft im Straßenverkehr einschränken, die Leistungsfähigkeit durch anhaltende Müdigkeit und Schwindel vermindern und bei längerem Gebrauch sogar Abhängigkeit erzeugen. Deshalb sollten sie in der Regel nicht länger als vier Wochen eingenommen werden.
Wenn aus den Nervenenden der Neurotransmitter GABAA (Gamma-Amino-Buttersäure) freigesetzt wird, öffnen sich Ionenkanäle (GABAA-Kanäle) in der Membran der Neuronen, und negative Chloridionen strömen ins Zellinnere. Das Membranpotential sinkt und die betroffenen Nervenzellen werden dadurch sozusagen " ruhig gestellt " . Bei Schlafstörungen oder Angst- und Panikattacken werden häufig Arzneimittel (v.a. Benzodiazepine wie Diazepam) verordnet, die die Wirkung der GABA verstärken.
Ohne Medikamente kein Schlaf mehr möglich
" Das größte Problem der heute am häufigsten verordneten Benzodiazepine ist, dass bei den PatientInnen eine Gewöhnung zu beobachten ist und die Betroffenen folglich nur bei Erhöhung der Dosis beziehungsweise oft ohne ihre Medikamente überhaupt nicht mehr schlafen können " , erläutert die Pharmaziestudentin Sophia Khom, die bei Univ.-Prof. Dr. Steffen Hering diplomiert.
In ihrer Forschungsarbeit, die kürzlich in Molecular Pharmacology erschienen ist, untersuchte Khom zunächst die Wirkung von Benzodiazepinen auf GABAA-Kanäle. Die Ribonukleinsäuren der verschiedenen Untereinheiten der GABAA-Rezeptoren wurden für diese Experimente in Eizellen afrikanischer Krallenfrösche injiziert. Die Rezeptoren bilden sich dann in der Membran der Eizellen aus und das Öffnen und Schließen der GABAA-Kanäle ist zu beobachten. " Der Transmitter muss dafür in Sekundenbruchteilen verabreicht werden " , erklärt die Diplomandin, die eigens für diese Messungen gemeinsam mit Igor Baburin, einem russischen Doktoranden, eine neue Technik entwickelte.
" Lange Zeit ging man davon aus, dass im zentralen Nervensystem nur ein bestimmter GABAA-Rezeptor ausgebildet wird. Jedoch zeigte sich, dass zahlreiche verschiedene Rezeptorsubtypen spezifisch in bestimmten Regionen zu finden sind, die interessanterweise auch unterschiedlich auf Benzodiazepine ansprechen " , sagt Sophia Khom. Sie ging in der Folge der Frage nach, welche Substanzen die GABAA-Kanäle eines bestimmten Subtyps beeinflussen und besonders häufig in der Hirnregion der Amygdala (Mandelkern) exprimiert werden. Die Amygdala ist pharmakologisch besonders interessant, da hier das Zentrum für die Entstehung und Verarbeitung von Emotionen vermutet wird. Arzneimittel, die spezifisch in dieser Region wirken, könnten bei PatientInnen mit Angst- und Panikstörungen besonders hilfreich sein.
Enge Kooperation mit Hirnforschung
Die 21 bislang untersuchten Substanzen, unter ihnen viele bereits in der Praxis verwendete Arzneimittel, aber auch neuartige Wirkstoffe, die noch nicht in der klinischen Behandlung eingesetzt werden, zeigten sehr unterschiedliche Effekte. Khom beschreibt ein Zukunftsszenario: " Einige davon könnten als Leitstrukturen für die Entwicklung von ganz spezifischen, nebenwirkungsärmeren Arzneistoffen dienen. "
" Unser Institut beschäftigt sich mit GABAA-Kanälen erst seit rund eineinhalb Jahren im Rahmen einer Zusammenarbeit mit Univ.-Prof. Dr. Werner Sieghart vom Institut für Hirnforschung der Medizinischen Universität Wien. Wir stehen daher erst am Beginn unserer Forschungen auf diesem Gebiet " , so Univ.-Prof. Dr. Steffen Hering. Umso erfreulicher sei es, dass die experimentellen Ergebnisse von Sophia Khom noch vor dem geplanten Abschluss der Diplomarbeit bereits in der renommierten Fachzeitschrift Molecular Pharmacology publiziert wurden.
Zur Person Sophia Khom
Aktuell beschäftigt sich die junge Wissenschafterin in einer Kooperation mit KollegInnen des Departments für Pharmakognosie mit der Wirkung von pflanzlichen Inhaltsstoffen und Extrakten auf GABAA-Rezeptoren. Sophia Khom, geb. am 16. September 1981 in St. Veit an der Glan, maturierte im Jahr 2000 am Gymnasium ebendort mit ausgezeichnetem Erfolg und begann im Herbst 2000 an der Universität Wien mit dem Studium der Pharmazie, das sie im März 2006 abschließen wird. Khom wird nach ihrem Diplom ein Doktoratsstudium inskribieren, sie strebt eine wissenschaftliche Karriere an.
Department für Pharmakologie und Toxikologie der Fakultät für Lebenswissenschaften:
Abteilung für Biochemie des Instituts für Hirnforschung der Medizinischen Universität Wien:
http://www.univie.ac.at/brainresearch/Molecular_Neurobiology
"Molecular Pharmacology" 2005 Nov 7; (E-publication ahead of print):
www.ncbi.nlm.nih.gov/entrez/query.fcgi
Rückfragehinweis:
Mag. Veronika Schallhart
Öffentlichkeitsarbeit und Veranstaltungsmanagement
Universität Wien
1010 Wien, Dr.-Karl-Lueger-Ring 1
T +43-1- 4277-175 30
M +43-664-602 77-175 30