Nanotechnologie in der Landwirtschaft kann Ressourcen schonen

Feld

Nanosensoren, -kapseln und -hüllen helfen, Problem der Nahrungssicherheit zu lösen

Die Landwirtschaft ist für 75% der weltweiten Abholzung, 70% des Wasserverbrauchs und 30% der Treibhausgasemissionen verantwortlich. Das erwartete Bevölkerungswachstum bis zum Jahr 2050 auf rund 10 Milliarden Menschen wird diese Problematik weiter verschärfen, wenn sich nicht grundsätzlich etwas an Bewässerung, Düngung, Schädlingsbekämpfung und Effizienz im Ackerbau ändert. Eine aktuelle Studie in "Nature Food" von Thilo Hofmann vom Zentrum für Mikrobiologie und Umweltsystemwissenschaften der Universität Wien zeigt nun neue Lösungen aus dem Bereich der Nanotechnologie, die Landwirtschaft umweltverträglicher machen könnten.

"Nanotechnologie in der Landwirtschaft ist ein gesellschaftlich sehr sensibler Bereich", so Thilo Hofmann. In der Studie wurden der derzeitige internationale Forschungsstand der Nanotechnologie evaluiert, mögliche Game-Changer Technologien für den Ackerbau identifiziert und notwendige Schritte aufgezeigt. "Wesentlich ist dabei, dass von Anfang an gesellschaftspolitische Aspekte mitgedacht und alle Stakeholder mit einbezogen werden: Politik, Industrie, Umweltschutzverbände, Landwirt*innen und Konsumentenvertreter*innen". Die Studie ist das Ergebnis eines öffentlichen Workshops mit den oben genannten Stakeholdern und einer Expert*innen-Runde unter der Leitung von Hofmann, die am Trottier Institute for Sustainability in Engineering and Design der McGill Universität in Montreal (Kanada) organisiert wurde.

Wie Nanotechnologie in der Pflanzenproduktion eingesetzt werden könnte
Es gibt mehrere Möglichkeiten, in welchen Bereichen Nanotechnologie jetzt schon eingesetzt werden kann: Nanosensoren, die als Chips in Pflanzen eingebracht werden, können Signale über Trockenheit oder Stress durch Schädlingsbefall senden, woraufhin gezielt reagiert wird. So würden Düngemittel oder Bewässerung effizienter eingesetzt werden. Pestizide in Nanokapseln wiederum können deren Treffergenauigkeit erhöhen: Denn derzeit erreichen bis zu zwei Drittel der eingesetzten Pestizide nicht die Pflanzen. Eingekapselte Pestizide erhöhen die Wahrscheinlichkeit, dass sie genau dann die Pflanze erreichen, wenn sie gebraucht werden und belasten somit die Umwelt weniger. Eine weitere Anwendung sind Nanohüllen um Saatgut, sogenannte Nano-Coatings. Diese könnten helfen, dass eine bessere Keimung erreicht und weniger Saatgut benötigt wird. Nano-Düngemittel sind eine weitere Möglichkeit um Landwirtschaft effizienter zu gestalten: "Düngemittel verschmutzen das Grundwasser mit Nitrat und erzeugen Treibhausgase – derzeit gehen etwa die Hälfte verloren – was eine große Verschwendung ist und zur Gewässerverschmutzung und zum Klimawandel beiträgt", so Hofmann: "Wenn die Effizient nur um 10 bis 20% gesteigert wird ist bereits viel für die Umwelt gewonnen."

Nano-Kapseln und Nano-Hüllen für Nährstoffe und Pflanzenschutzmittel sind Technologien, die bereits am weitesten entwickelt und teilweise schon im Freiland getestet werden. "Welche Art von Nanotechnologie letztendlich wann und wo eingesetzt werden kann, muss im Vorhinein breitgefächert diskutiert werden – damit wir rechtzeitig sinnvolle Lösungen für die Umwelt und den Menschen haben", so Hofmann.

Landwirtschaft und Gentechnik

"Der Einsatz von Nanotechnologie in der Pflanzengentechnik ist zwar noch im Laborstadium, aber insbesondere in den USA wird hier sehr intensiv geforscht", so Hofmann. Was in Europa sehr kritisch betrachtet wird – besonders unter Verbraucher*innen – wird in den USA teilweise völlig anders reguliert. Mithilfe von Nano-Carriern, also kleinen Kapseln, kann genetisches Material in die Pflanze eingeschleust werden. Zusammen mit der CRISPR Technologie kann das Genom der Pflanze gezielt verändert werden, so dass gewünschte Eigenschaften entstehen, aber kein fremdes Erbgut in dieser Pflanze enthalten ist. Dies führt z.B. in den USA dazu, dass ein so erzeugtes Produkt nicht mehr als genetisch verändert vermarktet und mit "GMO" gekennzeichnet werden muss, während es in Europa nach wie vor ein gentechnisch verändertes Lebensmittel darstellen würde. Auch wenn hier die höchsten Potenziale für die Effizienzsteigerung in der Pflanzenproduktion gesehen werden, ist die Regulierung und Akzeptanz in Amerika, China oder Europa eine völlig andere. "Diese Konflikte werden in den kommenden Jahren auf uns zukommen und sollten frühzeitig erkannt und diskutiert werden", so Hofmann.

Notwendiger öffentlicher Diskurs zum Einsatz von Nanotechnologie in der Landwirtschaft
Lebensmittel und Landwirtschaft zählen weltweit zu den am stärksten regulierten Bereichen – jedoch sind Regulierungen und Gesetze global nicht einheitlich. Lösungen, die in Asien oder Amerika sinnvoll sein mögen, sind nicht notwendigerweise zielführend in Europa, da regionale Gegebenheiten stark variieren. Was für eine Region, einen Typ von Betrieb oder Landwirt in Österreich sinnvoll sein kann, muss nicht für einen Bauer in einem anderen Land gelten. Derzeit gibt es drei wesentliche Hürden für den Einsatz von Nanotechnologie in der Landwirtschaft: Neben dem Anwenden und Herstellen von nanotechnologischen Produkten im Feldmaßstab sind insbesondere Regulierung und Sicherheitsaspekte sowie die Akzeptanz der Verbraucher*innen wichtige Fragen, die von Beginn an bedacht werden müssen. "Nanotechnologie in der Landwirtschaft bietet Chancen für eine größere Umweltverträglichkeit und Nahrungsmittelsicherheit, denn auch die Kosten des Nichtstuns können hoch sein", erklärt Hofmann: "Große Mengen an Pestiziden, Düngemitteln, Wasser und landwirtschaftlicher Fläche werden ineffizient verwendet – und dadurch werden unnötigerweise mehr Treibhausgase produziert, mehr Wälder abgeholzt und es geht mehr Biodiversität verloren  – Nanotechnologie könnte in Zukunft einen Beitrag zur besseren Nachhaltigkeit leisten", so Hofmann.

Publikation in "Nature Food":
Technology readiness and overcoming barriers to sustainably implement nanotechnology-enabled plant agriculture

Thilo Hofmann, Gregory Lowry, Subhasis Ghoshal, Nathalie Tufenkji, Davide Brambilla, John Dutcher, Leanne Gilbertson, Juan Giraldo, Joseph Kinsella, Markita Landry, Wess Lovell, Rafik Naccache, Mathews Paret, Joel Pedersen, Jason Unrine, Jason White, Kevin Wilkinson, https://doi.org/10.1038/s43016-020-0110-1
https://www.nature.com/articles/s43016-020-0110-1


Wissenschaftlicher Kontakt

Univ.-Prof. Dr. Thilo Hofmann

Zentrum für Mikrobiologie und Umweltsystemwissenschaft
Universität Wien
1090 - Wien, Althanstraße 14
+43-1-4277-53320
thilo.hofmann@univie.ac.at

Rückfragehinweis

Mag. Alexandra Frey

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