Mittels Käfer-Evolution die geologische Geschichte Indonesiens erklären

DNA-Analyse der Käferart macht Rückschlüsse auf eine heute unter Wasser liegende, damalige Insel möglich

Eine neue Studie zu Rüsselkäfern unter der Leitung der Biologen Harald Letsch von der Universität Wien und Alexander Riedel vom Staatlichen Naturkundemuseum in Karlsruhe bringt fachübergreifende neue Erkenntnisse. Anhand der Evolution der dortigen Rüsselkäfer lassen sich Rückschlüsse auf die geologische Entwicklung Indonesiens und des Westpazifiks ziehen. Die Autor*innen konnten so Karten zur Landentwicklung in Indonesien und dem Westpazifik skizzieren, die 40 Millionen Jahre in die Vergangenheit schauen und zeigten dabei etwa, dass die Papuanischen Halbinseln bereits früher als bisher gedacht aus dem Meer aufragten. Die Studie wurde aktuell im Fachmagazin Ecography publiziert. 

Die Inseln Indonesiens und des Westpazifiks beherbergen bekanntermaßen eine sehr reiche Biodiversität, darunter eine Unzahl von flugunfähigen Rüsselkäfern der Gattung Trigonopterus. Basierend auf DNA-Daten von 1.006 Arten des Rüsselkäfers berechnete der Biologe Harald Letsch von der Universität Wien einen zeitlichen Stammbaum. Damit ist nicht nur einer der umfangreichsten Stammbäume geschaffen, der jemals für eine einzelne Tiergattung erstellt wurde, auch neue Einblicke in die komplexe geologische Entstehungsgeschichte der Region sowie in ihre außergewöhnliche und bedrohte Biodiversität sind dadurch möglich.

Geographische Karten, die bis zu 40 Millionen Jahre zurückreichen 

Käfer der Gattung Trigonopterus sind flügellos und deshalb auch flugunfähig, was die meisten Arten auf relativ kleine Verbreitungsgebiete beschränkt. Geographische Isolation führt in einem solche Fall dazu, dass sich einzelne Populationen auseinanderentwickeln und sich letztendlich getrennte Arten ausbilden. In einem verinselten Lebensraum zeigen Diversifizierungsraten das Vorhandensein und eventuell die Zunahme von verfügbarem Lebensraum an, unabhängig davon, ob diese Landgebiete heute noch existieren. So können biologische Daten wie die der Rüsselkäfer Informationen über die geologische Landschaft ihrer Lebensräume liefern, selbst wenn die einst vorhandenen Inseln mittlerweile durch Erosion verschwunden sind. 

Letsch und seine Kolleg*innen konnten schließlich anhand der Evolutionsgeschichte von Trigonopterus Karten zur Landentwicklung in Indonesien und dem Westpazifik skizzieren, die 40 Millionen Jahre in die Vergangenheit schauen. So ermöglichen sie faszinierende neue Einblicke in die geologische Geschichte der Region. Zum Beispiel gehen die Autor*innen auf Grundlage der Analysen davon aus, dass Teile der Papuanischen Halbinsel von Neuguinea vor 40 Millionen Jahren bereits aus dem Meer aufragten, früher als manche der derzeitigen Hypothesen annehmen. 

Heute unter Wasser liegende Insel aufgespürt

Die Diversifizierung von Trigonopterus auf Samoa hat den Analysen zufolge bereits vor ca. 23 Millionen Jahren begonnen. Eine Erklärung dazu liefert der westlichste Ausläufer der Inselkette, der heute unter Wasser liegt. Vermutlich fiel eine frühe Insel mit ihren Lebensräumen der Erosion zum Opfer und ist heute nur noch auf unterseeischen Reliefkarten zu sehen.

Mit ihrer umfangreichen Untersuchung konnten die Wissenschafter*innen zeigen, dass dieser Ansatz der Geologie wertvolle Hinweise liefern kann. So könnte sich die Rolle der sogenannten Biogeographie verändern und von einem Informationsempfänger zu einem Lieferanten nützlicher Informationen für andere Wissenschaftsgebiete werden.

Originalpublikation:

Letsch, H., Balke, M., Kusy, D., McKenna, D.D., Narakusumo, R.D., Sagata, K., Toussaint, E.F.A., White, L.T., Riedel, A. (2023) Beetle evolution illuminates the geological history of the world’s most diverse tropical archipelago. Ecography.
DOI: 10.1111/ecog.06898

Abbildungen:

Abb. 1: Einhundert Arten der Gattung Trigonopterus. C: Alexander Riedel Naturkundemuseum Karlsruhe

Abb. 2: Unberührter Regenwald, der Lebensraum der Trigonopterus-Rüsselkäfer, hier auf der Insel Biak. C: Alexander Riedel Naturkundemuseum Karlsruhe

Abb. 3: Schematische Darstellung der Ausbreitung von Trigonopterus-Rüsselkäfern aus Nordaustralien. C: Harald Letsch

Wissenschaftlicher Kontakt

Dr. Harald Letsch

Department für Botanik und Biodiversitätsforschung
Universität Wien
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herald.letsch@univie.ac.at

Rückfragehinweis

Theresa Bittermann, BA

Media Relations, Universität Wien
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