Mikrobielle Metaboliten als Risikofaktoren für Parkinson?
11. Oktober 2023Streptomyces venezuelae zerstört Dopamin-produzierende Neuronen
Ein Team um Thomas Böttcher vom Institut für Biologische Chemie und vom Zentrum für Mikrobiologie und Umweltsystemwissenschaft (CeMESS) der Universität Wien und Marcel Leist von der Universität Konstanz hat in Zusammenarbeit mit dem Albert Einstein College of Medicine einen mikrobiellen Metaboliten entdeckt, der Dopamin produzierende Neuronen zerstört. Weitere Versuche zeigten, dass in Folge davon Parkinson-ähnliche Symptome auftreten. Diese Entdeckung, aktuell veröffentlicht in "Environment International", wirft ein neues Licht auf potenzielle Umweltfaktoren – wie Metaboliten des menschlichen Mikrobioms – als Auslöser von Parkinson.
Die zugrundeliegenden Ursachen von Parkinson, einer schweren neurodegenerativen Erkrankung, liegen noch immer im Dunkeln. Während genetische Mutationen als eine Ursache für Parkinson bekannt sind, treten 90 Prozent der Fälle sporadisch auf, also ohne klaren genetischen Ursprung. Wissenschafter*innen vermuten, dass Umweltfaktoren eine Rolle spielen könnten – Substanzen wie Pestizide und Industriechemikalien werden daher auf mögliche Verbindungen zur Neurodegeneration untersucht.
Neueste Studien unterstreichen die Wichtigkeit der Darm-Hirn-Achse und legen nahe, dass das menschliche Mikrobiom neurodegenerative Krankheiten beeinflussen könnte. Das menschliche Mikrobiom bezeichnet die Gesamtheit aller Mikroorganismen, die den menschlichen Körper besiedeln können. Das Darmmikrobiom von Parkinson-Patienten unterscheidet sich von jenem gesunder Menschen. Einige mikrobielle Metaboliten greifen speziell Dopamin-produzierende Neuronen an, die bei Parkinson entscheidend betroffen sind.
Forscher*innen der Universität Wien, der Universität Konstanz und des Albert Einstein College of Medicine konzentrierten sich in der aktuellen Studie auf einen Metaboliten, der vom Bakterium Streptomyces venezuelae produziert wird.
Das Team isolierte und identifizierte diesen Metaboliten und setzte ihn menschlichen Dopamin-produzierenden Neuronen aus. Die Ergebnisse waren eindeutig: Der Metabolit hatte eine zerstörerische Wirkung, die ähnlich wie bei Parkinson zu neuronalem Verlust führte. Um ihre Ergebnisse weiter zu validieren, untersuchten die Forscher*innen die Wirkung dieses bakteriellen Metaboliten auf Fadenwürmer, die in der Folge Bewegungsschwierigkeiten und spezifische neuronale Muster zeigten, ähnlich denen von menschlichen Parkinson-Patient*innen.
Marcel Leist von der Universität Konstanz und Thomas Böttcher von der Universität Wien arbeiteten zusammen an dieser innovativen Studie, die die Bereiche mikrobielle Biochemie und molekulare Neurowissenschaften verbindet. "Unsere Forschung stellt eine greifbare Verbindung zwischen einem spezifischen bakteriellen Metaboliten und Symptomen her, die Parkinson ähneln. Es ist ein weiterer Schritt um zu verstehen, wie unsere Umwelt, bis hin zu den Mikroben um uns herum, den Beginn oder den Verlauf solcher Krankheiten beeinflussen könnte", so Marcel Leist.
Diese Entdeckung bietet nicht nur eine neue Perspektive auf die Auslöser von Parkinson, sondern eröffnet auch neue Wege für die Forschung. Könnten andere mikrobielle Substanzen neurodegenerative Krankheiten beeinflussen? Wie interagieren diese Substanzen mit unseren Neuronen? Und am wichtigsten: Kann dieses Wissen zu neuen Behandlungen oder Vorbeugemaßnahmen führen? "Obwohl die Studie erst einen Anfang darstellt, ist sie ein vielversprechender Schritt zur Entschlüsselung der molekularen Ursachen von Parkinson und anderen neurodegenerativen Erkrankungen", so Thomas Böttcher.
Originalpublikation:
Identification of the bacterial metabolite aerugine as potential trigger of human dopaminergic neurodegeneration Anna-Katharina Ückert, Sina Rütschlin, Simon Gutbier, Nathalie Christine Wörz, Mahfuzur R. Miah, Airton C. Martins, Isa Hauer, Anna-Katharina Holzer, Birthe Meyburg, Ann-Kathrin Mix, Christof Hauck, Michael Aschner, Thomas Böttcher, Marcel Leist Environment International, Volume 180, 2023, 108229
DOI: 10.1016/j.envint.2023.108229
Wissenschaftlicher Kontakt
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