Für ein gutes Bauchgefühl

Wiener WissenschafterInnen erforschen molekulare Signale bei chronischer Darmentzündung

Stress, ungesunde Ernährung aber auch die längere Einnahme von Schmerzmitteln schlagen nicht nur auf den Magen, sondern stehen auch im Zusammenhang mit Colitis, einer chronischen Darmerkrankung. Ein Team um Thomas Decker von den Max F. Perutz Laboratories (MFPL) der Universität Wien und der Medizinischen Universität Wien hat nun einen der – mit Colitis im Zusammenhang stehenden – Signalwege näher erforscht. Ihre Ergebnisse unterstreichen die Erfolgsaussichten einiger gerade getesteter Behandlungsmöglichkeiten und zeigen zudem mögliche neue Therapieansätze auf. Die Studie wurde kürzlich im wissenschaftlichen Fachjournal "Molecular and Cellular Biology" veröffentlicht.

Billionen Mikroorganismen besiedeln unseren Darm und bilden zusammen die Darmflora, die das Innere des Darms überzieht. Die Aufgaben der Mikroorganismen im Darm sind vielfältig: sie verdauen aufgenommene Nahrung, bilden Nährstoffe, schalten Schadstoffe aus und sind Teil des menschlichen Immunsystems. Kommt das Gleichgewicht dieser Mikroorganismen durcheinander sind Bauchschmerzen, Verstopfung oder Durchfall die Folge. In der westlichen Welt führen ungesunde Ernährung, wenig Bewegung, Stress und übermäßige Einnahme von Antibiotika zudem zu stetig steigenden Zahlen von PatientInnen mit chronischen Darmerkrankungen wie Colitis, aber auch Darmkrebs.

Chronische Darmentzündung und die Rolle der Interferone
Bei Colitis handelt es sich um chronische Entzündung des Darms, die mit entzündungshemmenden Medikamenten behandelt wird. Die Signalwege dieser Entzündungsreaktion sind jedoch immer noch nicht vollständig aufgeklärt. Neue Erkenntnisse dazu könnten wichtige Hinweise auf bessere oder gar völlig neue Behandlungsmöglichkeiten liefern. ForscherInnen um Thomas Decker von den Max F. Perutz Laboratories (MFPL) der Universität Wien haben nun die Rolle der Interferone, einer Gruppe von Gewebshormonen, bei der Entstehung von Colitis untersucht. "Es gibt drei Typen von Interferonen – unsere Versuche haben gezeigt, dass jeder Typ die Colitis unterschiedlich beeinflusst. Interferone vom Typ I spielen eine nur geringe Rolle, während Typ II die Entzündung verstärkt und Typ III wiederum vor der Entzündung schützt", erklärt Decker.

Überraschende Rolle der Typ II-Interferone
Die WissenschafterInnen untersuchten anschließend, wie die unterschiedlichen Rollen der verschiedenen Interferon-Typen bei einer Colitis vermittelt werden. Isabella Rauch, Postdoc und eine der ErstautorInnen der Studie erläutert: "Unsere Vermutung war, dass das Molekül IRF9, welches die Signale der Typ I- und III-Interferone und somit die schützende Funktion bei den Entzündungsreaktionen einer Colitis vermittelt, hierbei eine zentrale Rolle spielt." Kollege und gemeinsamer Erstautor Felix Rosebrock fügt hinzu: "Was wir jedoch fanden war, dass IRF9 bei Colitis nicht in erster Linie die Signale der Typ I- und III-Interferone vermittelt, sondern jene von Typ II und somit die Entzündung sogar verschlimmert". Die ForscherInnen konnten zeigen, dass die Typ II-Interferone Signale zur Ausschüttung des Lockstoffes CXCL10 führen, der Zellen anlockt, welche die Entzündung verschlimmern.

Neue Ansätze zur Behandlung von Colitis
Die Ergebnisse der Studie geben auch neue Impulse für die Behandlung von Colitis. Sie untermauern einerseits die Erfolgsaussichten einer klinischen Studie von Antikörpern, die den Lockstoff CXCL10 in seiner Funktion hemmen, deuten aber auch darauf hin, dass eine direkte Verabreichung von Typ III- Interferonen vor den Entzündungsreaktionen als Auslöser einer Colitis schützen könnte.

Das Projekt wurde vom Österreichischen Wissenschaftsfond FWF und dem Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft unterstützt.   

Publikation in "Molecular and Cellular Biology"
Noncanonical effects of IRF9 in intestinal inflammation: more than type I and type III interferons. Isabella Rauch, Felix Rosebrock, Eva Hainzl, Susanne Heider, Andrea Majoros, Sebastian Wienerroither, Birgit Strobl, Silvia Stockinger, Lukas Kenner, Mathias Müller und Thomas Decker, in Molecular and Cellular Biology, 2015.
DOI: http://dx.doi.org/10.1128/MCB.01498-14

Wissenschaftlicher Kontakt

Univ.-Prof. Dr. Thomas Decker

Max F. Perutz Laboratories Department für Mikrobiologie, Immunbiologie und Genetik
Universität Wien
+43-1-4277- 54605
thomas.decker@univie.ac.at

Rückfragehinweis

Dr. Lilly Sommer

Max F. Perutz Laboratories, Communications
Universität Wien
1030 - Wien, Dr.-Bohr-Gasse 9
+43-1-4277-240 14
lilly.sommer@univie.ac.at