Erste hochauflösende Aufzeichnung fossiler Korallen zeigt Klimaveränderungen

Abb. 1: Mitglieder der IODP-Expedition 389 Wissenschaftsgruppe betrachten die Bohrkerne im IODP-Kernlagern Bremen am MARUM - Zentrum für Marine Umweltwissenschaften der Universität Bremen.

Hawaii: Umweltdaten von Flachwasserkorallen lassen 500.000 Jahre in die Vergangenheit blicken

Wissenschafter*innen haben bei der IODP-Expedition 389 "Hawaiian Drowned Reefs" vor der Küste von Hawaii insgesamt 426 Meter Bohrkerne aus dem Meeresboden in Wassertiefen von 130 bis 1240 Metern geborgen. Nach fast einem Monat intensiver Analyse-Arbeit im IODP-Kernlager Bremen am MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften an der Universität Bremen im Februar 2024 sind die Bohrkerne nun geöffnetund beprobt worden, um aus diesen enorm wichtigen hochauflösenden Archiven Informationen über den Meeresspiegel oder Klimaveränderungen zu gewinnen. Mit dabei ist auch die Geobiologin Theresa Nohl von der Universität Wien. Geleitet wurde das Projekt von Jody Webster (School of Geosciences, University of Sydney, Australien) und Christina Ravelo (Ocean Sciences Department an der University of California, Santa Cruz, USA). 

Korallen speichern vergangene Umweltbedingungen in ihren Skeletten. So können aus der Analyse fossiler Korallen wertvolle Daten über das vergangene Klima und die Riffbedingungen vor der Küste von Hawaii gewonnen werden. Ganz konkret nimmt das internationale Team an Wissenschafter*innen so etwa eine Messung des Ausmaßes der Veränderungen des Meeresspiegels in den vergangenen 500.000 Jahren vor. Mit den Daten sollen etwa die Fragen, warum sich Meeresspiegel und Klima im Laufe der Zeit verändern und wie Korallenriffe auf abrupte Veränderungen des Meeresspiegels und des Klimas reagieren, beantwortet werden. "Dieser Blick in die Vergangenheit wird uns wertvolle Einblicke geben, etwa in die Mechanismen des Klimawandels", erklärt Theresa Nohl. 

"Wir konnten eine spektakuläre Abfolge fossiler Korallenriffablagerungen bergen, die es uns ermöglichen wird, in noch nie dagewesener Detailgenauigkeit zu entschlüsseln, wie sich der Meeresspiegel, das Paläoklima und das Riff-Ökosystem in den letzten 500.000 Jahren verändert haben, insbesondere in Zeiten rapider globaler Veränderungen", so Jody Webster. "Wir freuen uns auch, dass wir viele Proben von fossilen Korallen mit ausgeprägten Jahresringen geborgen haben, mit denen wir zum ersten Mal detaillierte Aufzeichnungen über die monatlichen Veränderungen der ozeanografischen Bedingungen in vergangenen Perioden, die anders waren als heute, erhalten werden. Die Idee ist, diese Daten zu nutzen, um Vorhersagen über künftige pazifikweite Klimaveränderungen zu treffen", ergänzt Christina Ravelo.

Die Geobiologin Theresa Nohl von der Universität Wien ist als Sedimentologin Teil der Onshore-Phase der Expedition. Auch sie hat die vergangenen Wochen am MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften an der Universität Bremen bei intensiver Beprobungs- und Beschreibungsarbeit verbracht. "Meine Forschungsfrage betrifft die Erhaltung verschiedener Organismen. Das bedeutet ich untersuche inwieweit physikalische und (mikrobiell gesteuerte) chemische Veränderungen nach der Ablagerung die Riffterrassen und umliegendes Sediment verändert haben, was diese Veränderungen für die Rekonstruktion von Ökosystemdynamiken und Meeresspiegelschwankungen bedeuten, und wie damit diese Rekonstruktionen verbessert werden können." Die Proben und Analysen sind bisher vielversprechend.

Über die Expedition

Das Wissenschaftsteam der IODP-Expedition 389 besteht aus 31 Wissenschafter*innen verschiedener Fachrichtungen aus Australien, Österreich, China, Dänemark, Frankreich, Deutschland, Großbritannien, Indien, Japan, den Niederlanden, Spanien und den USA, von denen zehn im September und Oktober 2023 an Bord des Mehrzweckschiffs MMA Valour vor der Küste von Hawaii fuhren, um die Bohrkerne und Daten mithilfe eines ferngesteuerten Entkernungssystems zu sammeln. Nach der Offshore-Phase traf sich das gesamte Wissenschaftsteam im Februar 2024 im IODP-Kernlager Bremen am MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften an der Universität Bremen, Deutschland, um die Kerne aufzuteilen, zu analysieren und zu beproben und mit der Auswertung der gesammelten Daten zu beginnen. Die Wissenschafter*innen werden die Proben und Daten in den nächsten Jahren in ihren Heimatlabors weiter bearbeiten, um detaillierte Informationen aus diesem einzigartigen neuen Material und den zugehörigen Daten zu entschlüsseln.

Die Expedition wird vom European Consortium for Ocean Research Drilling (ECORD) im Rahmen des International Ocean Discovery Program (IODP) durchgeführt. Das IODP ist ein öffentlich finanziertes, von 21 Ländern getragenes internationales Meeresforschungsprogramm, das die in den Sedimenten und Gesteinen des Meeresbodens aufgezeichnete Erdgeschichte und -dynamik erforscht und die Umwelt unter dem Meeresboden überwacht. Mit Hilfe mehrerer Plattformen - ein einzigartiges Merkmal des IODP - untersuchen die Wissenschaftler die tiefe Biosphäre und den Ozean unter dem Meeresboden, Umweltveränderungen, Prozesse und Auswirkungen sowie die Zyklen und die Dynamik der festen Erde.

Abbildung:

Abb. 1: Mitglieder der IODP-Expedition 389 Wissenschaftsgruppe betrachten die Bohrkerne im IODP-Kernlagern Bremen am MARUM - Zentrum für Marine Umweltwissenschaften der Universität Bremen. C: parker@ECORD_IODP

Wissenschaftlicher Kontakt

Ass.-Prof. Dr. Theresa Nohl, M. Sc.

Institut für Paläontologie
Universität Wien
1090 - Wien, Josef-Holaubek-Platz 2 (UZA II)
+43-1-4277-53529
theresa.nohl@univie.ac.at

Rückfragehinweis

Theresa Bittermann, BA

Media Relations, Universität Wien
1010 - Wien, Universitätsring 1
+43-1-4277-17541
theresa.bittermann@univie.ac.at