Drei ERC Starting Grants für die Universität Wien

Förderung für Forschungsprojekte zu Europas Zukunft im Weltall, neuen Aspekten politischer Repräsentation und zur historischen Entwicklung des syrischen, armenischen und kopto-arabischen Mönchtums

Wissenschafts- und Technikforscherin Nina Klimburg-Witjes, Historiker Adrian Pirtea und Politikwissenschafter Christopher Wratil erhalten je einen ERC Starting Grant, der jeweils mit rund 1,5 Millionen Euro dotiert ist. Damit wurden insgesamt bereits 109 ERC Grants an die Universität Wien vergeben. Mit dem Programm des Europäischen Forschungsrats (European Research Council, ERC) soll grundlagenorientierte Pionierforschung mit hohem Innovationspotenzial ermöglicht und vorangetrieben werden.

"Mit drei weiteren ERC Grants setzt die Universität Wien ihren eindrucksvollen Erfolgskurs in Sachen Spitzenforschung fort. Herzliche Gratulation an Nina Klimburg-Witjes, Adrian Pirtea und Christopher Wratil, die je einen ERC Starting Grant erhalten, um ihre Forschung zu intensivieren", so Rektor Sebastian Schütze. 

Europas Zukunft im Weltall 

Mehr als sechs Jahrzehnte nachdem die Sowjetunion den ersten Satelliten ins All schickte, ist ein neuer Wettlauf um den Weltraum in vollem Gange – ohne, dass bisher grundlegende Spielregeln für eine nachhaltige Nutzung des Weltraums festgelegt wurden. 

Am Beispiel der europäischen Trägerrakete "Ariane" wird Nina Klimburg-Witjes vom Institut für Wissenschafts- und Technikforschung der Universität Wien mit ihrem Team die komplexen Beziehungen zwischen technologischen Großprojekten, europäischer Integration und Weltraumvisionen vor dem Hintergrund des neuen Wettlaufs um das All untersuchen. Ihr ERC-gefördertes Forschungsprojekt "FutureSpace" wird empirisch und theoretisch neuartige Erkenntnisse darüber liefern, wie (durchaus kontroverse) Visionen des Weltraums die europäische Zusammenarbeit in der Gegenwart prägen – und wie geopolitische Beziehungen beeinflussen, welche Weltraumzukünfte entworfen werden. Ziel des Projektes ist es, eine Topographie zu entwickeln, die es ermöglicht, die Wechselwirkungen von politischen und technologischen Dimensionen der europäischen Integration und von Zukunftsvisionen des Weltraums besser zu verstehen. 
  

Über Nina Klimburg-Witjes

Nina Klimburg-Witjes ist Wissenschafts- und Technikforscherin und promovierte 2017 an der TU München. In ihrer Forschung widmet sie sich den Wechselwirkungen zwischen technologischen Innovationen und globaler Politik, mit einem besonderen Fokus auf Weltraumtechnologien und Sicherheitspolitik. In zahlreichen Projekten und Publikationen beschäftigt sich Klimburg-Witjes mit der Frage, wie Akteur*innen in Politik und Industrie sozio-technische Zukünfte imaginieren und gestalten. Vor ihrem Wechsel an die Universität Wien war sie u.a. Postdoc am Munich Center for Technology in Society, leitete den Bereich "Globale Wissenschafts- und Technologiepolitik" des Österreichischen Forschungsinstituts für Internationale Politik, war Visiting Fellow am European Space Policy Institute sowie Gastwissenschafterin an der Universität Freiburg und der Lund University in Schweden.

Neues digitales Tool zur Handschriftenuntersuchung

Der Historiker Adrian Pirtea untersucht in seinem ERC-geförderten Projekt "RevIdEM" die historische Entwicklung des syrischen, armenischen und kopto-arabischen Mönchtums im östlichen Mittelmeerraum in der Periode von der byzantinischen Rückeroberung Nordsyriens und der fatimidischen Eroberung Ägyptens (969) bis zum Ende des Armenischen Königreichs in Kilikien (1375). Mit innovativen Methoden aus den Bereichen der Memory Studies, der Handschriftenkunde und der Digital Humanities wird das Projekt Hunderte von Handschriften aus dieser Periode, die den Leben und Lehren der "Wüstenväter" gewidmet sind, in ihrem historischen Kontext analysieren. 

Ziel wird es sein, die Rolle dieser Sammlungen als symbolische "Gedächtnisorte" hervorzuheben: Entworfen um Idealmodelle einer asketischen Lebensführung zu schaffen, haben diese Sammlungen eine bislang wenig erforschte Wiederbelebung des Mönchtums im östlichen Mittelmeerraum gefördert und gleichzeitig ein Gefühl von konfessioneller Einheit und Kontinuität zwischen der frühchristlichen Vergangenheit und der Gegenwart vermittelt. Eine vergleichende Studie dieser Quellen wird außerdem die komplexen Wechselwirkungen zwischen syrischen, arabischen, armenischen, koptischen und anderen Christen im mittelalterlichen Kilikien, Syrien, Palästina und Ägypten aufdecken und die Rolle dieser Gemeinden in der Gestaltung der Religions- und Geistesgeschichte des Mittelmeerraumes neu bewerten.

Über Adrian Pirtea

Adrian C. Pirtea ist Historiker des östlichen Mittelmeerraums und Westasiens, mit Spezialisierung auf die Geschichte und Kultur des syrischen Christentums. Pirtea studierte Geschichte an der Universität Bukarest und der Freien Universität Berlin, wo er anschließend im Fach Byzantinistik promovierte (2017). Nach seiner Promotion war er als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Byzantinistik (FU Berlin) und an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften (Vorhaben "Corpus Coranicum") tätig. Zwischen September 2020 und August 2022 war er Marie-Skłodowska-Curie Fellow am Institut für Byzantinistik und Neogräzistik der Universität Wien und bewarb sich für den ERC Starting Grant. Zurzeit ist er Visiting Postdoctoral Fellow am Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte in Berlin.

Ein breiteres Verständnis von politischer Repräsentation ermöglichen

Das Vertrauen der Bürger*innen in Politiker*innen und ihre Zufriedenheit mit der Demokratie hat in vielen Ländern des Westens historische Tiefststände erreicht. Gleichzeitig beschränkt sich die politikwissenschaftliche Forschung zu "politischer Repräsentation", dem Verhältnis zwischen Politiker*innen und Bürger*innen, bisher vor allem auf zwei Aspekte: Erstens ob Politiker*innen die politischen Meinungen von Bürger*innen zu wichtigen Sachthemen wie Steuer-, Sozial- oder Umweltpolitik vertreten. Und zweitens ob Politiker*innen ihre Bürger*innen in Hinblick auf wichtige deskriptive Merkmale adäquat repräsentieren, zum Beispiel dem Anteil von Frauen oder jungen Menschen in Parlamenten. 

In seinem ERC-geförderte Projekt "Multidimensional Representation – Enabling An Alternative Research Agenda on the Citizen-Politician Relationship" wird der Politikwissenschafter Christopher Wratil andere, bisher wenig beachtete Aspekte von Repräsentation erforschen, die neue Erklärungen für die Enttäuschung vieler Menschen mit der repräsentativen Demokratie liefern könnten. In Interviews mit Bürger*innen wird das Projekt zunächst herausfinden, welche Aspekte Menschen im Verhältnis zu Politiker*innen besonders wichtig sind: Will man den Repräsentanten selbst gewählt haben? Wie soll sie*er politisch argumentieren? Wie soll er*sie sich zur eigenen Partei verhalten? Soll sie*er immer auf die Wiederwahl bedacht sein? Im Anschluss entwickelt das Projekt neue Ansätze, um die Wünsche der Bürger*innen in Hinblick auf Repräsentation und die Repräsentationspraktiken der Politiker*innen auf einer Vielzahl von Dimensionen automatisiert und quantitativ zu messen. Dabei werden Daten aus Umfragen und Texte aus sozialen Medien und Parlamentsdebatten analysiert. 

Über Christopher Wratil

Seit 2021 ist Christopher Wratil Tenure-Track-Professor für Government am Institut für Staatswissenschaft an der Universität Wien. Er promovierte an der London School of Economics and Political Science zur Repräsentation von Bürger*innen in der Politik der Europäischen Union und war anschließend Postdoc an der Universität zu Köln und der Harvard University. Vor seiner Anstellung an der Universität Wien war er Assistenzprofessor für Europäische Politik am University College London. Mit seiner Forschung will Wratil das Zusammenspiel von öffentlicher Meinung und dem Verhalten politischer Eliten beleuchten und besser verstehen, wie die Akzeptanz und Legitimität demokratischer Politik gestärkt werden können.

Rückfragehinweis

Mag. Alexandra Frey

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