Dolomit: Nanostrukturen im Schlamm des Neusiedler Sees nachgewiesen

Geolog*innen liefern wichtigen Puzzlestein zur Frage, wie sich das Mineral Dolomit bildet

Eine internationale Forschungsgruppe um den Geologen Patrick Meister von der Universität Wien konnte im Schlamm des Neusiedler Sees erstmals Nanostrukturen des Minerals Dolomit nachweisen. Damit könnte die Wissenschaft der Lösung des "Dolomit-Problems" – also der Frage, wie sich Dolomit aus Sedimenten an der Erdoberfläche bildet – einen entscheidenden Schritt nähergekommen sein. Die Ergebnisse wurden kürzlich im Fachjournal Crystal Growth & Design veröffentlicht.

Dolomit-Gestein besteht aus dem Carbonat-Mineral Dolomit, das gleich viel Calcium wie Magnesium enthält. Große Teile der im Lauf der Erdgeschichte abgelagerten Sedimentgesteine bestehen aus Dolomit, insbesondere auch in den Alpen. Der Öffentlichkeit ist das Mineral Dolomit vermutlich am ehesten durch die Dolomiten ein Begriff, die auch nach ihm benannt wurden. 

In der geologischen Fachwelt sorgt das Mineral seit über 230 Jahren für Diskussionen: Schließlich war seit seiner Beschreibung durch den französischen Geologen Déodat de Dolomieu 1791 unklar, wie Dolomit nahe der Erdoberfläche aus Sedimenten entsteht. "Dolomit kann sich unter hohen Druck- und Temperaturbedingungen tief unter der Erde bilden, doch die Entstehung in heutigen Ablagerungsmilieus konnte man bisher nicht im Labor nachvollziehen – man geht davon aus, dass eine hohe Energiebarriere an der Oberfläche des Dolomits das Wachstum verhindert", erklärt Patrick Meister vom Institut für Geologie der Universität Wien. 

Fund im Schlamm des Neusiedlersees

Umso bedeutsamer ist der aktuelle Fund im Schlamm des Neusiedler Sees: In einer kürzlich veröffentlichten Studie in der amerikanischen Zeitschrift Crystal Growth & Design berichtet ein internationales Forschungsteam der Universitäten Wien und Pannonia über Dolomitstrukturen im Nanometerbereich, die in den feinen Sedimentpartikeln des Neusiedlersees vorkommen. "Wir konnten diese Strukturen mit Hilfe eines hochauflösenden Transmissionselektronenmikroskops sichtbar machen", erklärt Mihály Pósfai von der Universität Pannonia in Veszprém, Ungarn, einer der Koautoren der Studie.

Ähnliche Nanostrukturen wurden bisher in 400 Millionen Jahre altem Gestein gefunden – dass sie auch im Neusiedler See vorkommen, weist laut dem Forschungsteam darauf hin, dass solche Nanostrukturen unter Erdoberflächenbedingungen entstehen und dabei eine entscheidende Rolle bei der Bildung von Dolomit spielen könnten: "Vereinfacht könnte man sagen, dass wir somit im Neusiedler See beobachten können, wie sich Dolomit bildet", fasst Erstautor Meister von der Universität Wien zusammen.

Die Idee, die Nanostruktur des Carbonats im Neusiedler See zu untersuchen, entstand, als die italienische Geologin Silvia Frisia im Rahmen einer Gastprofessur mit Kolleg*innen des Instituts den Neusiedler See besuchte. Frisia hatte bereits früher die Nanostruktur von Dolomit aus den Südalpen und aus Abu Dhabi erforscht und beobachtet, dass sich Dolomit zum Teil aus Nanokristallen zusammensetzt. Bisher war bekannt, dass im Neusiedlersee Protodolomit entsteht, ein Mineral mit einer ähnlichen Zusammensetzung wie Dolomit, bei dem aber Calcium und Magnesium nicht in abwechselnden Lagen geordnet ist.

Schliesslich gelang dem Team der Nachweis von Dolomit-Nanostrukturen im Schlamm des Sees. Im Artikel präsentiert das Team eine These, wie der Prozess der Bildung von Dolomit ablaufen könnte: Aus Laborstudien ist bekannt, dass bei der Mineralauflösung, lokal an der Mineraloberfläche, Nanokristalle entstehen können. Im Neusiedler See könnte, ausgelöst durch die jahreszeitlich stark schwankende Wasserchemie im Neusiedler See, zuerst Magnesium-Calcit gebildet werden, der langsam zu Protodolomit rekristallisiert. "An den Grenzflächen, wo sich Calcit auflöst und sich Protodolomit bildet, könnten dann Nanokristalle aus Dolomit entstehen", schlägt der Geologe Meister vor. 

Schlüssel zum Dolomit-Problem im Nanobereich

Da sich Nanopartikel chemisch-physikalisch anders verhalten als makroskopische Partikel des gleichen Materials, könnte in diesen kleinsten Strukturen der Schlüssel zum Dolomit-Problem liegen: "Möglicherweise sind die Energiebarrieren, die ansonsten ein Wachstum von Dolomit verhindern, bei Nanopartikeln niedriger", vermutet Meister. Es braucht allerdings noch weitere Forschung, insbesondere zur Frage, wann, wo und warum sich die Dolomit-Nanokristalle bilden.

Publikation in Crystal Growth & Design: 

Nanoscale Pathway of Modern Dolomite Formation in a Shallow, Alkaline Lake. Patrick Meister, Silvia Frisia, István Dódony, Péter Pekker, Zsombor Molnár, Stephanie Neuhuber, Susanne Gier, Ivett Kovács, Attila Demény, and Mihály Pósfai (2023). In: Crystal Growth & Design. 

Abbildungen:

Abb. 1: Carbonat-Kristall aus dem feinkörnigen Schlamm am Grund des Neusiedlersees; Der Kristall ist ungefähr zwei Mikrometer (Tausendstel mm) groß. © Crystal Growth & Design / Mihály Pósfai

Abb. 2: Der Öffentlichkeit ist das Mineral Dolomit durch die nach ihm benannten Dolomiten – im Bild die Tofana di Rozas – bekannt, doch in der geologischen Fachwelt sorgt das Mineral seit 230 Jahren für Diskussionen. Nun scheint man der Lösung des "Dolomit-Problems" einen Schritt näher gekommen zu sein. © Patrick Meister

Wissenschaftlicher Kontakt

Dr. Patrick Meister

Institut für Geologie, Universität Wien
1090 - Wien, Josef-Holaubek-Platz 2 (UZA II)
+43 (0)1 4277 53470
+41 81 250 20 78
patrick.meister@univie.ac.at

Rückfragehinweis

Mag. Alexandra Frey

Media Relations Manager
Universität Wien
1010 - Wien, Universitätsring 1
+43-1-4277-17533
+43-664-8175675
alexandra.frey@univie.ac.at