Digitaler Humanismus: Universität Wien bei WWTF-Calls erfolgreich

Vier neue Projekte im WWTF-Call "Digitaler Humanismus"

Die Universität Wien war beim Call "Digitaler Humanismus" 2023 des Wiener Wissenschafts-, Forschungs- und Technologiefonds WWTF erfolgreich: Hossein Kermani (Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft), Andreas Baumann (Institut für Germanistik) und Hannes Fellner (Institut für Sprachwissenschaft), Walid Fdhila (Fakultät für Informatik) und Eugenia Stamboliev (Institut für Philosophie) sowie Carolina Plescia (Institut für Staatswissenschaft) erhalten eine hochdotierte Förderung für ihre Projekte.

Im Call "Digitaler Humanismus" fördert der WWTF interdisziplinäre Projekte zwischen Sozial- und Geisteswissenschaften und Informatik. Im Mittelpunkt steht dabei der "Digitale Humanismus": Digitale Technologien und Praktiken werden aus einer gesellschaftlichen Perspektive betrachtet. Insgesamt fördert der WWTF sechs herausragende Projekte mit insgesamt 3,5 Millionen Euro. An vier von sechs Projekten sind Wissenschafter*innen der Universität Wien beteiligt (dreimal Projektleitung, einmal Co-Projektleitung):


Projekt: "Beyond computational propaganda and bot activism: Investigating social media suppression in authoritarian regimes"


Projektbeschreibung:

Die Art und Weise, wie nicht-demokratische Kräfte soziale Medien nutzen, um Meinungen und Verhalten der Bürger*innen online zu manipulieren, ist ein großes Problem. Das Projekt um Hossein Kermani konzentriert sich auf die #MahsaAmini-Bewegung, die gegen Brutalität, frauenfeindliche Diskurse und Regeln im Iran protestierte – und damit weltweit für Aufsehen sorgte. Das Forschungsteam untersucht, wie das iranische Regime eine Cyber Armee und gezielt manipulative Taktiken, wie zum Beispiel die Verbreitung von Desinformationen, einsetzt, um die größte Anti-Regime-Bewegung in seiner Geschichte zu unterdrücken. Untersucht werden Kampagnen auf vier Social-Media-Plattformen (Twitter/X, Facebook, Instagram und Telegram), zum Einsatz kommt dabei eine Kombination aus traditionellen sozialwissenschaftlichen Forschungsmethoden und modernsten computergestützten Methoden, wie der automatisierten Textanalyse.


Projekt "Disentangling effects of digitization on linguistic diversity"


Projektbeschreibung:

Rund 7.000 Sprachen werden weltweit gesprochen. Ein Großteil davon ist zunehmend bedroht und die globale Sprachvielfalt damit in Gefahr. Ein Faktor, der dabei vermutlich eine Rolle spielt, ist die zunehmende Digitalisierung unserer Gesellschaft. Ob Digitalisierung nun den Erhalt von Sprachen unterstützt (beispielsweise durch digitale Methoden der Sprachbewahrung und -förderung) oder Sprachdiversität eher gefährdet (weil etwa kleine Sprachen im digitalen Raum stark unterrepräsentiert sind), ist allerdings nicht ganz klar.

Dieses Projekt führt Daten zur Digitalisierung und digitalen Verwendung von Sprache aus unterschiedlichen Quellen zusammen und untersucht, wie Digitalisierung als vielschichtiges Phänomen mit Sprachvielfalt zusammenhängt. Dabei wird in dem Projekt sowohl quantitativ mit datenanalytischen und statistischen Methoden als auch qualitativ über Stichproben zur Sprachwahl in der digitalen Kommunikation vorgegangen.

Ein wichtiger Teil des Projektes ist die Erstellung einer großen Datensammlung aus der digitalen Sphäre mit dem Ziel, die digitale Kommunikation rund um den Globus gut zu repräsentieren. Dadurch wird das Projekt in der Lage sein, Sprachvielfalt im digitalen mit der im nicht-digitalen Raum zu vergleichen. Die daraus gewonnenen Schlüsse sollen zum Verständnis des Zusammenhangs von Digitalisierung und Sprachdiversität beitragen und damit einen Beitrag zum Erhalt der Sprachvielfalt leisten.


Projekt: "Decentralized Trust in Digital Societies"

  • Projektleitung: Walid Fdhila, Research Group Security and Privacy, Fakultät für Informatik, Universität Wien
  • Co-Projektleitung: Eugenia Stamboliev (Universität Wien)
  • Fördersumme: € 532.375

Projektbeschreibung:

Digitale Identitätssysteme verwalten und organisieren unser digitales Leben und unsere Kommunikation. Sie ermöglichen es uns, auf Dienste zuzugreifen, unsere Identität zu überprüfen und persönliche Daten zu verwalten. Initiativen wie das European Digital Identity Wallet (EUDIW) und elektronische Identifizierungs-, Authentifizierungs- und Vertrauensdienste (eIDAS) drängen auf sicherere, nutzer*innenzentrierte digitale Identitäten in ganz Europa. Sie versprechen eine größere Kontrolle über persönliche Daten und eine reibungslosere Interaktion mit öffentlichen und privaten Diensten, die Abhängigkeit von Dritten soll dabei verringert werden.

Doch werfen diese Initiativen viele Fragen auf – über den Aufbau und die Verteilung des gesellschaftlichen Vertrauens, vertrauenswürdige Gestaltung und ihre Sicherstellung. Vertrauen in diese Systeme umfasst mehrere Dimensionen (d. h. politische, technische und philosophische Aspekte), ist in hohem Maße kontextabhängig und beruht häufig auf impliziten und expliziten Annahmen, die nicht vollständig verstanden oder gründlich untersucht werden.

Das DTDS-Projekt verfolgt einen umfassenden und interdisziplinären Ansatz, um unser Verständnis für jene philosophischen, demokratischen und technologischen Aspekte zu schärfen, die für die Schaffung von Vertrauen (und Vertrauenswürdigkeit) in dezentralen Umgebungen wie dem EUDIW erforderlich sind. Durch die Untersuchung der Möglichkeiten und Risiken, die mit dezentralen Systemen, Vertrauensnetzwerken und vertrauenswürdigem Design verbunden sind, wollen die Forscher*innen langfristige Risiken abschätzen und ihre systemischen Auswirkungen auf Gesellschaften, Institutionen und gefährdete Gruppen verstehen.  


Projekt: "Citizen-centered democratic innovation: Understanding citizen preferences for participatory budgeting algorithms"

  • Projektleitung: Jan Maly, Database and Artificial Intelligence Group, Institute for Logic and Computation, TU Wien
  • Co-Projektleitung: Carolina Plescia, Institut für Staatswissenschaft, Universität Wien
  • Fördersumme: € 594.596

Projektbeschreibung:

Für das Funktionieren einer Demokratie ist es absolut zentral, dass sich Bürger*innen am demokratischen Prozess beteiligen. In den vergangenen Jahren wurden deshalb verschiedene neue Beteiligungsformate entwickelt und erprobt. Eine der erfolgreichsten und am weitest verbreiteten neuen Beteiligungsformen sind so genannte partizipative Budgets (kurz PB). Tausende Städte weltweit setzen PB ein und ermöglichen es ihren Bürger*innen so mitzuentscheiden, wie öffentliche Gelder verwendet werden. Auch Wien nutzt PB in verschiedenen Formen, zum Beispiel bei der Kinder- und Jugendmillionen und bei den Klimateams.

Um PB weiter zu verbessern, wurden in den vergangenen Jahren von der Informatik neue, zum Teil hoch komplizierte Entscheidungsverfahren entwickelt, die bessere und gerechtere Ergebnisse versprechen als die simplen Methoden die aktuell genutzt werden. Gleichzeitig ist wenig darüber bekannt, wie die Entscheidungsverfahren bei PB gestaltet sein müssen, damit sie von Bürger*innen als legitim und fair wahrgenommen werden. Diese Frage möchte das Projekt "Citizen-centered democratic innovation" in einem Dialog zwischen der Politikwissenschaft, die untersucht was Bürger*innen sich wünschen und erwarten, und der Informatik, die aufzeigt was technisch möglich ist und wo Kompromisse notwendig sind, beantworten.