Dem geheimen Bauplan einer Galaxien-Metropole auf der Spur
15. Oktober 2014Utl.: APEX-Teleskop spürt verborgene Sternentstehung in Proto-Galaxienhaufen auf
Helmut Dannerbauer und Bodo Ziegler, beide Astrophysiker an der Universität Wien, gelang zusammen mit einem internationalen Team mit Hilfe des APEX-Teleskops erstmals überhaupt eine vollständige Erfassung der Sternentstehung in einem Galaxienhaufen in einer Entfernung von zehn Milliarden Lichtjahren. Indem sie die Umgebung der riesigen "Spinnennetz-Galaxie" untersuchten, gewannen sie auch Einblicke in die Entstehungsphase unseres frühen Universums. Die Astronomen konnten zeigen, dass ein großer Teil der Sternentstehung an unerwarteten Stellen stattfindet. Die überraschenden Ergebnisse erscheinen in der aktuellen Ausgabe des internationalen Fachmagazins "Astronomy & Astrophysics".
Galaxienhaufen sind die größten gravitativ gebundenen Strukturen im Universum. Ihre Entstehungs-weise gehört zu den intensiv erforschten Fragen in der heutigen Astronomie. Der "Spinnennetz-Galaxienhaufen" (auch unter dem Namen MRC 1138-262 bekannt) wurde schon seit 20 Jahren, u.a. mit Teleskopen der Europäischen Südsternwarte ESO, untersucht, da man hier eines der besten Beispiele eines "Proto-Galaxienhaufens", also eines noch in der Entstehung begriffenen Galaxienhaufens, vor sich hat. "Man blickt hier nämlich durch die große Entfernung des Objekts unvorstellbare zehn Milliarden Lichtjahre in die Vergangenheit, also in die Frühzeit unseres Universums", erklärt Helmut Dannerbauer vom Institut für Astrophysik der Universität Wien.
APEX-Teleskop: Atacama Pfadfinder Experiment in Chile
Helmut Dannerbauer und sein Team haben sich die "dunkle Seite der Sternentstehung" in MRC 1138-262 genauer angesehen, um herauszufinden, inwieweit die Sternentstehung im "Spinnennetz-Galaxienhaufen" hinter großen Massen von lichtundurchlässigem interstellaren Staub stattfindet. Als "Staub" werden in der Astronomie kleine Festkörper-Partikel bezeichnet. Dazu nutzte das Team die LABOCA-Kamera am APEX-Teleskop. Das Atacama Pfadfinder Experiment (APEX) ist ein 12-Meter-Teleskop für Submillimeter-Astronomie und befindet sich in 5.100 m Seehöhe in der Atacama-Wüste Chiles. Von diesem weltweit höchstgelegenen Observatoriumstandort wurde der Spinnennetz-Galaxienhaufen bei Wellenlängen im Millimeterbereich insgesamt 40 Stunden beobachtet. Bei diesen Wellenlängen, die sich im Übergangsbereich zwischen Infrarot- und Radiostrahlung befinden, leuchtet der Staub, anstatt absorbierend zu wirken.
Sternentstehung abseits des optischen Zentrums der Galaxie
Die APEX-Beobachtungen zeigten, dass es etwa vier Mal mehr massereiche Protogalaxien – also Galaxien im Entstehungsstadium – im Spinnennetz-Haufen gibt als in dessen Umfeld. Helmut Dannerbauer erklärt dazu: "Die neuen APEX-Beobachtungen enthüllen uns eine kosmische Baustelle, auf der es ebenso staubig zugeht wie auf einer irdischen Großbaustelle. Was uns jedoch überrascht hat: Wir detektierten eine große Menge an Strahlung, die nicht, wie erwartet, aus dem Zentralbereich des Galaxienhaufens stammt. Dies könnte zu einem besseren Verständnis des Entstehungsmechanismus von elliptischen Galaxien in Galaxienhaufen beitragen." Und er fügt hinzu: "Zum besseren Verständnis der gewonnen Ergebnisse sind weitere Beobachtungen, u.a. mit dem neuen ALMA-Teleskopsystem der ESO, erforderlich."
Auch Koautor Bodo Ziegler, Leiter des Instituts für Astrophysik der Universität Wien, zeigt sich begeistert: "Wir wollten die verborgene Sternentstehung im Spinnennetz-Galaxienhaufen studieren, was uns auch gelang – aber wir stießen dabei auf ein neues Rätsel: nämlich auf Indizien für intensive Sternentstehung abseits des optischen Zentrums des Galaxienhaufens, wo wir sie nicht erwartet hatten!"
Publikation in Astronomy & Astrophysics:
An Excess of Dusty Starbursts Related with the Spiderweb Galaxy: H. Dannerbauer, J. D. Kurk, C. De Breuck, B. Ziegler et al., erscheint online in der Fachzeitschrift "Astronomy & Astrophysics" am 15. Oktober 2014. DOI: 10.1051/0004-6361/201423771
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